Die Akademie der Künste Sachsen-Anhalt ist eine Initiative von Künstlern und der Kunst nahestehenden Personen, die sich über ihre eigene künstlerische Arbeit hinaus engagieren wollen, um für zeitgenössische Kunst in Sachsen-Anhalt freie und unabhängige Strukturen entstehen zu lassen. Aus Anlass ihres nun einjährigen Bestehens hat die Akademie einen ersten Almanach mit künstlerischen Werken ihrer Mitglieder herausgebracht.
Die drei Gründgungsmitglieder Thomas Blase (TB), Wieland Krause ( WK ) und Andre Schinkel (AS) haben sich mit der 'Halleschen Störung" zu einem Interview getroffen.
Was bewegt Euch als Künstler, eine eigene Akademie auf der Ebene des Bundeslandes Sachsen-Anhalt zu gründen?
TB: Die Idee wurde nicht von jetzt auf gleich geboren, sondern es gab einen langen Prozess mit vielen Gesprächen
WK: Das Wort 'Akademie' stammte als Idee von Olaf Wegewitz, der sich gemeinsam mit uns in der Initiative Gegenwart engagiert hatte, in den Neunziger Jahren. Diesen Begriff haben wir viele Jahre später noch mal aufgegriffen, Ideen dafür gesammelt und uns nun auf den Weg gemacht.
TB: Für mich war 'Akademie' von Anfang an nicht mit Institution assoziiert, sondern eher mit dem Bild 'Sokrates und seine Schüler unter den Olivenbäumen' , also miteinander auf der Grundlage jeweils der Arbeit der anderen zu reden und im Dialog zu sein.
AS: Ich glaube dass auch der Urgedanke von Akademie ist, dass sie sich aus sich selbst heraus gründet, egal, ob das nun Philosophen oder Künstler sind, die sich versammeln und einen Gesprächsraum eröffnen. Das Gespräch miteinander kommt in unserer Zeit abhanden. Das hat mit der Vereinzelung zu tun und auch mit dem unglaublichen Marktterror. Natürlich hat eine Akademie auch eine Würde und von dieser ausgehend auch ein Sprachrecht. Mir gefällt auch der Institutionsgedanke, aber genau deswegen finde ich eine Gründung aus sich selbst heraus entscheidend.
Sind es nur die Verhältnisse hier in Sachsen-Anhalt, die zu der Gründung führten oder wäre diese auch aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive derzeit angezeigt gewesen ?
TB: Der gravierendste Missstand, worauf Sachsen Anhalt nicht allein abonniert ist, ist die immer größere Entfremdung von dem Bereich zeitgenössischer Kunst und der Gesellschaft. Das trennt sich immer mehr voneinander ab. Das Bewusstsein, dass Kunst ein wesentlicher Prozess und wichtiger Teil der Gesellschaft, der Öffentlichkeit und des Miteinander ist, verliert sich immer mehr.
WK: Ich glaube, das zeigt sich am stärksten in der Ökonomisierung von Kunst, dass Kunst nicht mehr frei ist, sondern als Instrument genutzt wird, im Grunde als Instrument des Andienens. Viele versuchen also, etwas zu bedienen, um bedient zu werden. Das sehe ich mit Sorge, diesen zunehmenden Schulterschluss zwischen Künstlern und Gesellschaft.
Auf der einen Seite also ein wachsender Graben, auf der anderen Seite eine falsche oder trügerische Nähe zwischen Kunst und Gesellschaft?
AS: Ich glaube, dass Kunst immer eine zweischneidige Sache ist. Sie wirkt jenseits der Zeit, aber sie findet trotzdem in der Zeit statt, in welcher der Künstler lebt. Sie ist ein Teil der Gesellschaft, aber sie hat auch eine Aufgabe als Irrlicht und Korrektiv der Gesellschaft. Das fällt immer mehr aus dem Sichtfeld. Kunst wird heute als etwas angesehen, was geschmeidig ist, was am Rand der Gesellschaft mit entlanggeht. Das ist aber nicht die Aufgabe von Kunst. Der Künstler ist auch so etwas wie ein Schamane oder Medizinmann, der ja irgendwo in der Urzeit damit zu tun hat, seine Sippe zurechtzuweisen, wenn sie Blödsinn machte. Im Ernstfall hat Kunst also auch dagegenzuhalten und da unbeirrbar zu sein.
Wie seht Ihr die Außenwahrnehmung von Sachsen-Anhalt in Bezug auf Kunst?
AS: Die Wahrnehmung von Sachsen-Anhalt außerhalb des Landes ist katastrophal. Wir sind aber neben Sachsen und Thüringen ein gleichrangiges Kulturland. Das erklärt sich aus der Geschichte vor der Landesgründung eher heraus als aus der eigentlichen Landesgeschichte. Hier ist so viel an Geschichte, Kultur und auch lebender Kunst unterwegs. Viele Versuche darauf hinzuweisen verlaufen aber im Sand. Das hat damit zu tun, dass man sich mit solchen Slogans wie 'Land der Frühaufsteher' schlichtweg lächerlich macht. Das ist das Land von Klopstock, das Land von Novalis, das Land von Gottfried August Bürger – jetzt mal bloß in der Literatur. Das ist das Land von Händel, Telemann und Fasch – und da sind wir erst in der Barockmusik.
WK: In diesem Zusammenhang ist natürlich das Problem, worauf man in unserem Bundesland verweisen kann, der Fokus, der immer immer wieder auf die so genannten Leuchttürme, auf das Klassische geht, auf Dinge also, die gesicherte Werte sind. In Leipzig oder Dresden gibt es das sicher auch, aber dort findet zeitgenössische Kunst in einem wesentlich breiteren Rahmen statt, die auch eine Öffentlichkeit hat. Das Zeitgenössische ist aber das Zukünftige, was sich an der Wurzel misst. Das ist wesentlich. Und wenn das nicht mehr stattfindet ist das verheerend, eine Lücke also, die keine Zukunft findet.
AS: Es wäre genauso falsch, sich nur auf den klassischen Bestand zu berufen wie eine Zeitgenossenschaft ohne Tradition auszuüben.
Halle als Sitz der Akademie, diese aber landesweit gedacht...?
TB: Halle als Sitz ergibt sich daraus, dass die Mehrzahl der Mitglieder in Halle lebt. Das ist einfach logisch, dass dann die Versammlungen auch in der Regel hier stattfinden. Ansonsten ist für eine Mitgliedschaft nicht notwendig, dass man in Sachsen-Anhalt lebt. Wichtig ist ein Bezug zu diesem Land und die Bereitschaft, sich aktiv mit dem was hier ist, auseinandersetzen oder die eigene Arbeit einzubringen.
WK: Was wir nicht sein werden, ist eine Akademie mit einem festen Spartensystem. Es geht eher darum, dass alle Sparten vertreten sein werden, das ist zu wünschen, und dass sich das auch vermehren kann. Der Gründungsimpuls geschah aus tiefer innerer Überzeugung, weil wir merken, dass es eine große Lücke gibt, die man damit schließen kann. Dieser eigene Antrieb ist ganz ganz wichtig.
Wenn es nicht um eine neue Institution, sondern eher um ein Wirkungsfeld gehen soll, wo wäre dann der Unterschied zu einer klassischen Künstlergruppe oder -initiative ?
TB: Es wird institutionelle Anteile geben, natürlich, einfach aus Gründen der Organisation, aber das soll nicht im Vordergrund stehen.
AS: Eine Künstlergruppe arbeitet so, dass es ein gemeinsames Konzept gibt. Für so einen Ansatz wären die hier vertretenen Richtungen tatsächlich zu verschieden. Es ist ja nicht von ungefähr, dass mit dem Expressionismus die letzte in sich abgeschlossene Kunstrichtung vor uns steht. Das ist jetzt schon 100 Jahre her. Dafür ist heute alles viel zu weit aufgefächert. Aber genau den Blick über die jeweiligen Schüsselränder zu wagen, finde ich gut. Ich glaube sogar, dass es richtig ist, Reibflächen zu erzeugen.
WK: Es gibt einen wichtigen Unterschied zum Kunstverein oder auch zum Berufsverband wie dem BBK. Dort gibt es bestimmte Diskussionen einfach nicht, also eine geistige Auseinandersetzung auf so einer ernsthaften Ebene. Ich sehe die Akademie als eine Arbeit in der Gemeinschaft und nicht als Möglichkeit, als Künstler für sich etwas herauszuholen. Es geht um eigene Setzungen, darum, nicht abhängig zu sein vom Kurator oder vom Kunstverein, wo Mitglieder ausstellen.
Wenn wir einen Blick auf die bestehenden Kulturinstitutionen des Landes werfen - Kultusministerium, Landesmuseum, Landesmusikakademie, oder auch gemeinnützige Körperschaften - Seht Ihr Euch als Mitspieler auf dieser Ebene, auch auf der politischen, oder ist Akademie ein völlig extraterritoriales Gebilde ?
AS: Das wird sich zeigen, ob wir genügend Diplomaten in unseren Reihen finden, die das auf die Reihe bringen.
TB: Ich glaube es geht nicht um Diplomatie dabei, es geht um Autonomie.
AS: Wenn es Kontakt dahin geben soll, werden wir Teile unserer Autonomie diplomatisch zumindest postulieren müssen. Wenn es in diesem Landstrich Interesse für Kunst gibt, wird man auf jeden Fall die Gründung bzw. den Bestand der Akademie mit Interesse verfolgen, weil sie schon allein schon durch die wachsende Zahl der Mitglieder den Charakter einer autonomen Institution bekommen wird.
Wie habt Ihr den bisherigen Gründungsprozess erlebt? Fühlt Ihr Euch jetzt in Eurem ursprünglichen Impuls bestätigt, und was sind die konkreten Schritte die schon passiert sind?
TB: Wir haben vor wenig über einem Jahr uns zusammengefunden, mit einer ziemlich vagen Vorstellung, über die es einen Dialog nur unter einer Handvoll Leuten gegeben hat. Wir haben dazu Leute eingeladen und haben die Ideen vorgestellt und haben gefragt wollen wir gemeinsam diese Akademie erfinden. Dieses Erfinden findet bis zum heutigen Tag weiter statt, das Arbeiten an einer gemeinsamen Vorstellung und einem gemeinsamen Begriff davon was das sein kann. Darüber hinaus haben wir die diese ganzen organisatorischen Grundlagen geschaffen, die wir brauchen um zu arbeiten und parallel aber schon begonnen inhaltlich zu arbeiten. Das ist für ein Jahr Prozess schon sehr viel.
WK: Wichtig ist noch mal zu erwähnen: Die Urimpulse kam aus der Initiative Gegenwart, wo wir bereits in vielen Gesprächen im Vorfeld nachgedacht haben..
TB: Der Wegbruch der Initiative Gegenwart hat wirklich eine Lücke hinterlassen. Das war zwar ein sehr offener Zusammenschluss von Leuten, aber der hat in Sachsen-Anhalt eine wichtige Rolle gespielt.
WK: Interessant war, dass wir damals, als Hendrik Olbertz noch Kultusminister war, eine relativ starke Öffentlichkeit hatten, wo wir gemerkt haben, dass wir gearbeitet haben und dass man nicht an uns vorbeikommt. Heute ist das Verrückte, dass man den Eindruck hat, dass die Politik völlig abgekoppelt von allem arbeitet und es zu überhaupt nichts mehr einen Bezug gibt. Eine alte neue Idee und Forderung ist ja, einen Runden Tisch im Kultusministerium zu installieren.
Welche Motive habt Ihr speziell aus Eurem eigenen Kunstschaffen heraus für den Schritt, sich in einer Akademie zu versammeln?
AS: Das Gespräch innerhalb der Literatur funktioniert im Land ganz gut. Es ist aber interessant, dass es auch ein Gespräch der literarischen Arbeit mit der Bildenden Kunst gibt. Das wird mir aber in den letzten Jahren überhaupt erst bewusst. Und dass die Blicke auf dieses Gespräch zwischen zwei Künsten, zwischen Vertretern verschiedener Künste ganz elementar für mich ist, das habe ich erst in den letzten Jahren richtig begriffen, weil ich viele Jahre auch allen am Schreibtisch gesessen habe. Da wäre also auch eine soziokulturelle Komponente, und eine Komponente, die mit der Weite und der Freiheit der Kunst kommuniziert, dass man über diese Grenzen hinweg miteinander spricht. Ob man immer alles versteht, was die anderen meinen, steht auf einem anderen Blatt. Ich sitze auch staunend davor, wenn jemand vor meinen Augen eine Kaltnadelradierung anfängt, und derjenige sitzt staunend bei mir, wenn ich ihm etwas über die Versfüße erzähle. Aber genau dieses Gespräch ist notwendig und ich glaube, dass das auch interessant wäre, es in der Öffentlichkeit zu verhandeln. Es ist eigentlich ein Teil der klassischen, früher hätte man gesagt, der humanistischen Bildung. Das sind Dinge, die aus dem Bildungskontor tatsächlich zu großen Teilen herausgefallen sind. Und die Kunst widerstrebt ja nicht der Bildung. Sie ist zwar praktisch das Gegenüber der Wissenschaft, aber sie ist auf ihre Weise auch eine Bildungsinstanz.
TB: Der Bildungsgedanke beinhaltet ja auch, dass wir uns erst mal gegenseitig den Horizont erweitern, durch die Kenntnis der Arbeit der anderen jeweils, aber auch eine Erweiterung gesellschaftlicher Horizonte. Was in Sachsen-Anhalt zum Beispiel für Malerei gehalten wird, ist vom Begriff sehr eng. Das lässt sich sehr leicht erweitern um viele weitere Formen, die auch nötig sind.
Mit dem gerade erschienenen Almanach existiert das erste konkrete Produkt. Warum habt Ihr diese Form an erster Stelle gewählt?
TB: Dieses erste gemeinsame Projekt führt das Thema Almanach ein. Dafür wollten wir keine Künstler von außen dazuladen. In seinem Spektrum stellt es schon die Zusammensetzung der Akademie vor. Es ist ein Statement für die Medien der Kunst, auch für die Haptik dieser Medien.
Das Interview führte Jörg Wunderlich
Erster Almanach der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt
Auflage: 30 Stück, mit je 13 limittierten und signierten künstlerischen Arbeiten
Öffentliche Präsentation: Di, 8.März 2016, 17 Uhr
Galerie NORD, Bernburger Straße 14, 06108 Halle (Saale)
Beteiligung: Für die erste Ausgabe für das Gründungsjahr 2015 haben folgende der Akademie angehörenden Künstlerinnen und Künstler mitgewirkt - Emanuel Schulze, Lado Karthishvilli, Wieland Krause, Olaf Wegewitz, Johannes Stahl, Moritz Götze, Michael Klante, Thomas Blase, André Schinkel, Nancy Jahns, Carl Vetter, Dietrich Oltmanns, Hagen Bäcker.