Am 06.09. endete die Vierte Internationale Degrowth-Konferenz für ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in Leipzig mit einem Abschlusspodium und einem Aktionszug durch die Leipziger Innenstadt zum lokalen Braunkohle-Kraftwerk.
Rund 3000 Menschen diskutierten an der Universität Alternativen zum Wachstumsparadigma. Die Konferenz fand großen Anklang unter Wissenschaftlern, Aktivisten und Künstlern. Einer der ältesten Teilnehmer, Shann Turnbull (80), war am weitesten gereist. Er hatte die Konferenz im Internet entdeckt und sich kurz entschlossen von Australien nach Europa begeben. Sein Spezialgebiet ist das Bedingungslose Grundeinkommen, zu dem er am International Institute of Self-Governance in Sydney forscht. Menschen von über 60 Nationen trafen in Leipzig zusammen. Die Konferenzsprache war Englisch.
Aktivist_Innen im Twen-Alter prägten das Bild
Neben altbekannten Aktivisten wie Werner Rätz von attac prägten vor allem junge Menschen zwischen 20 und 30 das Bild. Sie bevölkerten das Innenstadtgelände der Leipziger Universität und verbreiteten eine optimistische Grundstimmung. Bereits die Eröffnungsveranstaltung der Konferenz besuchten über 1000 Menschen. Dort sprachen der ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Alberto Acosta und die bekannte Globalisierungskritikerin Naomi Klein im größten Saal der Universität, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Sie betonten, dass eine Abkehr vom Wachstum auch eine Abkehr vom Kapitalismus bedeutet. Für die, die keinen freien Stuhl mehr fanden, wurde die Veranstaltung in andere Hörsäle und im Internet übertragen. Den Livestream schalteten bis zu 7000 Menschen zur selben Zeit ein. Viele weitere Veranstaltungen wurden live auf der Webseite der Konferenz übertragen.
Neue Sphären der Resonanz kreieren
Einigkeit bestand unter den Konferenzteilnehmenden darin, dass eine Gesellschaft nötig ist, die nicht länger unter dem Diktat des Wirtschaftswachstums steht. Wie ein gutes Leben für alle Menschen jedoch aussieht, darüber wurde lebhaft diskutiert. Sicherlich war das ein Grund für den großen Andrang beim Vortrag von Prof. Dr. Hartmut Rosa. Selbst die Treppen und der Boden vor dem Podium waren mit Hörerinnen besetzt. Der Soziologe und Zeitforscher aus Jena gehörte zu den bekanntesten Rednern auf der Konferenz. Er begeisterte sein Publikum, als er über sein Konzept der „Resonanz“ sprach, welches er als zentral für ein gutes Leben sieht. Resonanz bedeutet für ihn in Verbindung zu den Dingen und Lebewesen zu kommen, die uns umgeben – sie spüren, darauf reagieren, mit ihnen wieder in Beziehung treten. Er sagt, dass Problem der heutigen Menschen ist: Wir haben die Welt in unseren Taschen via I-phone, aber die Welt berührt uns nicht mehr! Menschen aber wollen und brauchen die Berührung! Seine Forderung: Lasst uns öffentliche Sphären der Resonanz kreieren – so wie hier in Leipzig.
„Es geht aber nicht nur darum, über das gute Leben zu sprechen, sondern auch strategisch zu überlegen, was politisch dafür nötig ist.“ so Christopher Laumanns, Pressesprecher der Konferenz. Das war eine der Fragen, die im „Open Space“ diskutiert wurde, dem Ort der Konferenz, wo die Teilnehmenden selbst die Themen bestimmen konnten.
Alternativen zum Anfassen und Begehen
Neben den großen strategischeauch um die Alternativen, die bereits existieren. In den praktischen Workshops konnten Teilnehmende Bauwägen begehen, Saatgutkisten bauen und aus Abfällen Brennstoffe herstellen. Außerdem waren Unternehmen anwesend, die bereits sozial, ökologisch und demokratisch wirtschaften. In allen Veranstaltungen wurde Wert darauf gelegt, dass die Teilnehmenden sich direkt einbringen. Also nicht nach dem hierarchischen Prinzip: Hier Lesender – da Zuhörende und Mitschreibende und anschließend noch kurz ein paar Fragen stellen. Facilitators gaben Methoden und Material in die Gruppen, Experten teilten ihr Wissen in Kleingruppen. Dann wurde in der Großgruppe gearbeitet und dokumentiert. Am Ende jedes Tages gab es einen 1-minütigen Report in der Vollversammlung. Das während der Konferenz erstellte Material wird in einem Reader veröffentlicht werden.n Fragen ging es auf der Konferenz
Solveig Feldmeier
Nachtrag: Das unabhängige Nachrichtenmagazin Kontext TV hat eine neue Sendung veröffentlicht: Degrowth: Leben und Wirtschaften jenseits des Wachstums.
Die Sendung ist online zu finden unter: http://www.
Mit Naomi Klein, Journalistin und Buchautorin ("No Logo", "Die Schock-Strategie", "This Changes Everything")
Barbara Muraca, Philosophin an der Universität Jena, Autorin des Buches "Gut Leben. Eine Gesellschaft jenseits des Wachstums"
Nnimmo Bassey, Friends of the Earth Nigeria, Träger des "Alternativen Nobelpreises"
Joan Martinez-Alier, Autonome Universität Barcelona, Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft für Ökologische Ökonomik
Helge Peukert, Professor für Finanzwissenschaft, Universität Erfurt
Euclides Mance, Solidarius / Brasilianisches Netzwerk für Solidarische Ökonomie
Jean-Louis Aillon, La Decrescita Felice, Turin
Ariadna Serra, Cooperativa Integral Catalan
Auf der 4. Internationalen Degrowth-Konferenz in Leipzig diskutierten mehr als 3000 Teilnehmende aus aller Welt über Alternativen zur Wachstumsökonomie. Angesichts von Klimachaos und chronischen Wirtschaftskrisen sei, so waren sich die Teilnehmenden einig, die Zeit reif für eine tiefgreifende gesellschaftliche Transformation. Kontext TV sprach mit Aktivisten und Wissenschaftlern von vier Kontinenten über die Möglichkeiten, die Ökonomie neu zu erfinden.
Der zweite Teil der Sendung mit Michel Bauwens (Peer-to-Peer Foundation), Tony Greenham (New Economics Foundation / Transition Town Network), Ashish Kothari (Greenpeace India) u.v.a. folgt in Kürze.