Die eLa­tri­ne kommt - Plumps­klos zu Kraftwerken!

Als der bri­ti­sche Päd­ago­ge H. P. Ben­net­to 1990 in der Fach­zeit­schrift Bio­tech­no­lo­gy Edu­ca­ti­on sei­ne Schul­ex­pe­ri­men­te mit mikro­biel­len Brenn­stoff­zel­len vor­stell­te, setz­te er damit eine Ent­wick­lung in Gang, die bis heu­te ihre Dyna­mik entfaltet.

Brenn­stoff­zel­len keh­ren die Elek­tro­ly­se um und erzeu­gen Strom aus einem kon­ti­nu­ier­lich zuge­führ­ten Brenn­stoff und einem Oxi­da­ti­ons­mit­tel. Dass die­ser Brenn­stoff auch von leben­den Orga­nis­men zuge­führt wer­den kann, zeig­te M. C. Pot­ter im Jah­re 1911. Unter anae­ro­ben Bedin­gun­gen, d. h. bei Abwe­sen­heit von Sauer­stoff gibt es über­schüs­si­ge Elek­tro­nen, deren sich die Mikro­or­ga­nis­men ent­le­di­gen müs­sen, auch unter Ver­lust eines Teils des Ener­gie­ge­winns aus der Sub­strat-Oxi­da­ti­on. Die dabei erziel­ten Strom­aus­beu­ten waren gering, der Elek­tro­nen­trans­fer aus Mikro­or­ga­nis­men blieb ein aka­de­mi­sches Forschungsgebiet.

Schul­ver­su­che zei­gen Fehl­stel­len der Forschungsplanung

Bis 1990, als enga­gier­te Leh­rer und Schü­ler began­nen, Ben­net­tos Ver­su­che nach­zu­bau­en. Vor allem im eng­lisch­spra­chi­gen Raum hielt man sich eng an die vor­ge­ge­be­ne Ver­suchs­an­ord­nung mit Anode, Katho­de und der PEM (Pro­ton Exchan­ge Mem­bra­ne), die Anoden- und Katho­den­raum trennt. Im Anoden­raum befin­den sich Mikro­or­ga­nis­men, die orga­ni­sche Sub­stra­te unter anae­ro­ben Bedin­gun­gen oxi­die­ren. Das Sub­strat wird durch die Bak­te­ri­en abge­baut, die dabei frei­ge­setz­ten Elek­tro­nen wer­den zur Anode über­tra­gen (sie­he Abbil­dung oben).

Unter natür­li­chen Bedin­gun­gen fin­den Mikro­or­ga­nis­men Wege, um ihre Elek­tro­nen an die Umge­bung abzu­ge­ben, etwa durch selbst pro­du­zier­te Media­tor-Sub­stan­zen oder durch die Aus­bil­dung elek­trisch lei­ten­der Här­chen (Nano­dräh­te). Unter den Modell­be­din­gun­gen des Schul­ver­suchs wür­de es viel zu lan­ge dau­ern, bis die Mikro­or­ga­nis­men ihre eige­nen Media­to­ren oder Nano­dräh­te aus­ge­bil­det hät­ten. Ben­net­to und sei­ne Schü­ler set­zen künst­li­che Media­to­ren ein - ger­ne orga­ni­sche Sal­ze, die durch ihre Fär­be­re­ak­ti­on auch gleich ihren Ladungs­zu­stand anzei­gen. In Öster­reich nutz­te der Schü­ler Ralf Jagen­teu­fel ab 2008 die dor­ti­ge Hoch­be­gab­ten-För­de­rung, um eine wis­sen­schaft­li­chen Anfor­de­run­gen genü­gen­de Arbeit über Mikro­biel­le Brenn­stoff­zel­len zu ver­fas­sen, deren Ver­su­che im deutsch­spra­chi­gen Raum flei­ßig nach­ge­baut wurden.

Make Mad Scientist's Playthings!

In den USA und Kana­da schwapp­te der­weil die DIY-Bewe­gung (Do It Yourself) durch die Lan­de und das wach­sen­de Inter­net. Man suche ein­mal nach "MFC" (Micro­bi­al Fuel Cell) auf ein­schlä­gi­gen Sei­ten wie "instructables.com". Eine Viel­zahl phan­ta­sie­vol­ler und lus­ti­ger Din­ge wird erschei­nen, die ger­ne häus­li­che Abwäs­ser und Schläm­me als Sub­strat nut­zen. Die PEM-Mem­bra­ne wird oft­mals ein­ge­spart, über­haupt gilt dort die Paro­le "Make Mad Scientist's Playthings!"

Eine wis­sen­schaft­li­che Eva­lua­ti­on schien drin­gend erfor­der­lich, aber anglo­ame­ri­ka­ni­sche Wis­sen­schaft­ler sind wohl zu sehr Snobs. In der mit­tel­ost­deut­schen Pro­vinz hat mitt­ler­wei­le die "Genera­ti­on Ben­net­to" die Insti­tu­te und Labors erreicht, aber im Mer­kel­land ist die intrans­pa­ren­te und fil­zo­kra­ti­sche For­schungs­mit­tel-Ver­ga­be das Pro­blem. Doch die "Bill & Melin­da Gates Foun­da­ti­on" för­der­te groß­zü­gig, was auch Umwelt-For­schungs­zen­trum Leip­zig, Bio­mas­se-For­schungs­zen­trum Leip­zig und TU Braun­schweig mit ins Boot hüp­fen ließ. Nun lie­gen ers­te Ergeb­nis­se vor, im Jour­nal of The Elec­tro­che­mi­cal Socie­ty erschien: "eLa­tri­ne: Les­sons Lear­ned from the Deve­lo­p­ment of a Low-Tech MFC Based on Card­board Elec­tro­des for the Tre­at­ment of Human Feces".

Klo­häus­chen drin­gend gesucht

Die Wis­sen­schaft­ler haben wich­ti­ge Bestand­tei­le eines DIY-Toi­let­ten­häus­chens mit inte­grier­ter Mikro­biel­ler Brenn­stoff­zel­le unter­sucht. Das Klo­häus­chen selbst wur­de dabei nicht geför­dert. Um nun ihren Kot nicht von zu Hau­se mit­brin­gen zu müs­sen, fan­den sie die Leip­zi­ger Fir­ma Öko­lo­cus GmbH als Spon­sor einer ent­spre­chen­den Loka­li­tät. Die Elek­tro­den aus unter Luft­ab­schluss ver­kohl­ter Well­pap­pe waren von ihrer Leis­tung her unschlag­bar. Auch die vor­her ange­zwei­fel­te Urin­be­hand­lung der Katho­den stei­ger­te die Elek­tro­nen-Aus­beu­te erheb­lich. Um die ästhe­ti­sche Her­aus­for­de­rung in Gren­zen zu hal­ten, arbei­te­te man mit künst­lich ange­misch­tem Urin. Dadurch konn­te auch gleich noch die kata­ly­ti­sche Wirk­sam­keit der drei Bestand­tei­le natür­li­chen Urins ver­gli­chen wer­den (Harn­stoff, Krea­ti­nin und Harnsäure).

Das Pro­blem der Zer­set­zung von Dräh­ten im kor­ro­si­ven Medi­um konn­te nur durch den Ein­satz von Pla­tin­dräh­ten gelöst wer­den, die unter Armuts­be­din­gun­gen ger­ne mal gestoh­len wer­den. Wei­te­re Lang­zeit-Ver­su­che wer­den fol­gen. Auch die Eig­nung der eLa­tri­ne für Power-to-Gas-Lösun­gen als MEC (Micro­bi­al Elec­tro­ly­sis Cell) soll unter­sucht wer­den, wobei über­schüs­si­ger Strom aus Solar- und/oder Wind­kraft ins brau­ne Medi­um gelei­tet wird und dort Methan frei­setzt - wozu frei­lich zusätz­li­che Reak­ti­ons­räu­me not­wen­dig wer­den. Ins­ge­samt ein fas­zi­nie­ren­des For­schungs­ge­biet, das ent­schei­dend für die Ener­gie­lö­sun­gen der Zukunft wer­den könnte.

Ben­net­to, H. P.; Electri­ci­ty genera­ti­on by micro­or­ga­nisms. Bio­tech­no­lo­gy Edu­ca­ti­on Vol.1, No 4, pp. 163-168, 1990.

Der Schü­ler Jagenteufel

Öko­lo­cus GmbH

MFC's in Instructables.com

Jörg Kretz­sch­mar, Sebas­ti­an Riedl, Robert Keith Brown, Uwe Schrö­der und Falk Har­nisch. eLa­tri­ne: Les­sons Lear­ned from the Deve­lo­p­ment of a Low-Tech MFC Based on Card­board Elec­tro­des for the Tre­at­ment of Human Feces. Jour­nal of The Elec­tro­che­mi­cal Socie­ty, 164 (3) H3065-H3072 (2017)

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