Am 8. März hat die Europäische Kommission die Abstimmung über die geplante Neuzulassung von Glyphosat verschoben, weil abzusehen war, dass es keine Zustimmung zum Plan der Neuzulassung bis 2031 geben würde. Bis Mitte des Jahres muss eine Entscheidung getroffen werden, denn Ende Juni läuft die bislang gültige Zulassung aus.
Seit den 70er Jahren wird Glyphosat weltweit eingesetzt. Inzwischen ist es das am meisten verwendete Herbizid, in Deutschland werden jährlich rund 6.000 Tonnen ausgebracht.
Weltchampion der Ackergifte
Glyphosat ist überall … auf unseren Äckern und in unseren Gärten, in aller Munde und Urin, wie das privat finanzierte Forschungsprojekt Urinale www.urinale.de ergab. In Deutschland sind derzeit 93 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zugelassen. Diese werden in der konventionellen Landwirtschaft (Ackerbau, Obstbau und Weidewirtschaft), bei der Unkrautbekämpfung auf Bahndämmen und im Gartenbau verwendet.
Nicht nur der Wirkstoff selbst, sondern besonders auch sein Abbauprodukt AMPA und der Zusatzstoff Polyethoxylated tallowamine (POEA) sind giftig, die letzten beiden gelten sogar als noch gefährlicher.
Was es nutzt
Seinen Siegeszug konnte das Mittel nicht zuletzt deshalb antreten, weil es eigentlich als weniger schädlich gilt als andere Pestizide (Obergriff für Pflanzenschutzmittel, der Herbizide und Biozide einschließt), denn aufgrund seiner hohen Bereitschaft zur Anlagerung an Bodenmineralien wird es nur in relativ geringem Maße ins Grundwasser ausgewaschen. Glyphosat hat andere, weitaus giftigere Substanzen ersetzt und es begünstigt die konservierende Bodenbearbeitung, die den Bodenaufbau schützt und die Bodenerosion stark einschränkt.
Das Totalherbizid wird über die grünen Pflanzenteile aufgenommen und führt dann zum Absterben der Pflanzen. Es muss also ausgebracht werden, bevor die eigentliche Saat keimt, sofern es sich nicht um resistente Pflanzen handelt, zu denen z. B. gentechnisch verändertes Soja oder Mais gehören.
Verwendet wird es auch zur sogenannten Sikkation, einem Verfahren der Ernteerleichterung, wenn etwa in verregneten Sommern das Getreide auf dem Felde zu verfaulen droht. Der Erntezeitpunkt kann dann willkürlich festgelegt werden, indem Glyphosat ausgebracht wird, die noch grünen Getreidepflanzen absterben und das Getreide in der nächsten Regenpause geerntet werden kann.
Was es schadet
Aufgrund der hohen Mengen von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln finden sich der Stoff und sein Abbauprodukt doch im Boden und Wasser. Eine Vielzahl von Lebewesen kommt damit in Berührung.
Es gibt nicht längst nicht nur resistente (entsprechend gentechnisch manipulierte) Nutzpflanzen, sondern auch resistente Unkräuter, sie sog. Superunkräuter. Sie breiten sich rapide aus, denn sie treffen auf den „bereinigten“ Feldern weder auf Konkurrenz noch auf Fressfeinde. Um sie zu vernichten, werden immer mehr Herbizide verwendet: die Dosen steigen und, hilft Glyphosat nicht, wird zusätzlich auf andere Mittel zurückgegriffen, was zu den gefürchteten Chemikaliencocktails führt.
Die WHO hat Glyphosat als gesundheitsgefährdenden Stoff klassifiziert. Es gilt als Krebs erregend und Erbgut schädigend. Inzwischen wurden Grenzwerte festgelegt. Glyphosat darf in Deutschland nur noch vier Mal im Jahr eingesetzt werden.
Was kommt nach Glyphosat?
Sollte die Entscheidung der EU-Kommission aufgrund der Ablehnung von ausreichend vielen EU-Ländern gegen eine Neuzulassung fallen – die nächste Beratung dazu findet wahrscheinlich am 18. Mai statt –, dann muss ein Ersatz her. Die konventionelle/industrielle Landwirtschaft kommt aufgrund ihrer intensiven Produktionsbedingungen nicht mehr ohne Pestizide aus. Schnell müsste also ein neue Mittel gefunden, d.h. entwickelt werden. Ob das dann „besser“ ist?
Pflanzenschutzmittel sind Gifte. Bei dem, was sie leisten sollen, können sie nur hochgiftig sein.
Die Diskussion zeigt, dass die Glyphosat-Frage die Frage nach dem Fortbestand der industriell betriebenen Landwirtschaft ist. Hoffentlich wird diese Frage auch so klar gestellt. Sonst diskutieren wir in fünf Jahren über das nächste Gift.
Marianne Heukenkamp
Informationen
das BfR zu den Gesundheitsrisiken von Glyphosat
http://www.umweltinstitut.org/themen/landwirtschaft/pestizide/glyphosat.html