Der traditionsreiche Gasthof „Goldene Rose“ in Halles Rannischer Straße 19 wurde 1479 erstmalig urkundlich erwähnt und war lange ein schlichter Ausspannhof für Salzhändler und Kutscher. Aber auch als Wohnhaus, Bierverlag, Hufschmiede und Klubhaus eines DDR-Kombinats diente das geräumige mittelalterliche Gebäude. Weniger bekannt ist, dass auch Buchdrucker, Verleger und Buchhändler hier ihren Handwerken nachgingen.
Dreyhaupts Chronik vermeldet, dass im Jahre 1731 Johann Christian Hendel senior „die Rose für seine Zwecke gebrauchte“. Johann Christian Hendel begann seine berufliche Laufbahn als ein einfacher Setzergeselle. Nachdem im Jahre 1717 der Druckereibesitzer Johann Jacob Krebs gestorben war, machte dessen Witwe Hendel zum Faktor ihrer Druckerei und heiratete ihn wenig später. Die Druckerei lief nun unter Hendels Namen weiter und es wurde „manches erbauliche Tractätgen und Disputationes berühmter Männer gedruckt, auch ein Disputationsladen wurde alhier angeleget“. Auch Unterhaltungsliteratur befand sich in reichlicher Auswahl und erfolgreich im Angebot.
1760 wurde die „Goldene Rose“ für Hendels Druckerei zu eng, man zog an einen anderen Standort. Der Drucker Johann Gottfried Trampe kaufte die „Goldene Rose“ und vertrieb dort zunächst unspektakuläre „Gevatter-, Hochzeits- und Patenbriefe sowie Schreibebriefe“. Wachsende Konkurrenz veranlasste Trampe, nach neuen Geschäftsfeldern Ausschau zu halten. Dabei stieß er auf das Naturselbstdruck-Verfahren, das schon Leonardo da Vinci in seinem „Codex atlanticus“ verwendet hatte.
Durch Vermittlung des Erfurter Hochschullehrers Andreas Elias Büchner lernte Trampe den jungen Mediziner und Botaniker Johann Hieronymus Kniphof kennen, der bereits in Zusammenarbeit mit dem Erfurter Drucker Johann Michael Funcke Kräuterbücher im Naturselbstdruck-Verfahren veröffentlicht hatte. Trampe eignete sich dieses Druckverfahren rasch an und entwickelte es weiter. Von 1757 bis 1764 erschien dann in Halle das mehrteilige Werk „Botanica in originali“ von Johann Hieronymus Kniphof.
Beim Naturselbstdruck-Verfahren werden Pflanzen oder Pflanzenteile auf einer Unterlage angeordnet und deren Oberfläche dünn mit Druckerfarbe bestrichen. Unter Druck wird dann auf einem geeigneten Papierbogen ein exaktes Abbild der entsprechenden Pflanze erzeugt. Da sich die pflanzlichen Vorlagen rasch abnutzen, sind von einem Exemplar immer nur wenige Drucke möglich. Deshalb musste bei der Produktion einer größeren Auflage eine entsprechende Menge gleichartigen Pflanzenmaterials zur Verfügung stehen.
Hierbei erwies sich der Druck in der Saalestadt als vorteilhaft. Kniphof lobte, dass „die Gegend um Halle einen besondern Vorzug in Absicht seltener Pflanzen hat, welche daselbst in einer von der gütigen Natur geschenkten vortheilhaften Abwechselung der Äcker, Gärten, Wiesen, Sümpfe, Bäche, Flüsse, Wälder, Felsen, Berge und Thäler wild wachsen; so daß man schwerlich an einem andern Orte in Teutschland in einem so geringen Umfange so viele verschiedene Arten von Vegetabilien zusammen antreffen wird. Wollte man alle besondere Arten der Pflanzen, welche in einer Entfernung von ohngefähr drey Meilen um Halle herum wachsen, zusammen rechnen, so würden solche gewiß über 1000 ausmachen.“ Auch Algen, Moose und Farne wurden abgedruckt. Das Waisenhaus Glaucha stellte von Missionaren übersandte Rot- und Braun-Algen aus Südost-Indien zur Verfügung, beschrieben als „Horn-artige See-Pflanzen, so auf der Küste Coromandel gesammlet worden, und noch nirgends im Abdruck vorhanden sind“.
Teilweise wurden die Drucke koloriert, „wodurch dieselben der äusseren Farbe nach der Natur noch ähnlicher werden, ob es gleich nicht zu leugnen ist, daß bey manchen saubern Abdrücken die zärteste Struktur, und die substilesten Adern und Fäserchen durch das Illuminiren überstrichen und unsichtbar gemacht werden“, wie Kniphof selbstkritisch anmerkte. Bezeichnet und angeordnet wurden die Pflanzen in „Botanica in originali“ nach der damals noch neuen binären Nomenklatur Carl von Linnés.
Kollegen und Kritiker lobten „eine bis dahin nicht gekannte Detailtreue bei den Pflanzendarstellungen“. Die „Botanica in originali“ gilt als modernste Pflanzendarstellung ihrer Zeit und brachte die damals besten Abbildungen mit ausführlichen Pflanzen-Beschreibungen zusammen. Noch heute spielt dieses Werk in der Botanik eine Rolle, etwa bei der Erforschung der Entwicklung von Nutzpflanzen.
Bald kamen bei Trampe weitere Kräuterbücher im Naturselbstdruck-Verfahren heraus, wobei besonders die „Ectypa vegetabilium“ von Christian Gottlieb Ludwig Erwähnung verdienen. Da die Erweiterung von Druckerei und Verlag in der „Goldenen Rose“ um 1770 nicht mehr möglich war, bedeutete der wirtschaftliche Erfolg auch für Trampe den Umzug an einen neuen Standort. In der „Goldenen Rose“ wurden Privatwohnungen und eine Hufschmiede eingerichtet.
Dietmar Sievers