Einmal im Monat verwandelt sich der Kirchsaal der methodistischen Gemeinde im Zentrum von Halle in einen Hort der besonderen Hoffnung. Es geht um ein Leben nach dem vorhersagbaren technischen Tod der Dinge. Denn was immer einen Staubsauger, Kaffeeautomaten, Radiorecorder oder Computer aus der Bahn werfen mag - es kann geholfen werden und diese Hilfe muss nichts kosten. Reparieren statt wegwerfen - so einfach lautet die erstaunlich wirksame frohe Botschaft, die im Repair Cafe gelebt wird.
Werde ich einen Lötkolbenhelden treffen?
Samstag nachmittag zur besten Kaffeezeit mache ich mich mit zwei Notebooks auf den Weg in die Schulstraße, eines davon mit defekter Stromversorgung und das andere mit einem schlechten Bildschirm. Werde ich einen Lötkolbenhelden treffen, der mir meinen sonderbaren Wunsch erfüllen kann, aus zwei schlechten einen guten Computer zu zaubern?
Am Eingang werde ich von einem älteren Gemeindemitglied freundlich aber bestimmt in Empfang genommen und über die Veranstaltung belehrt. Ich fülle einen Reperaturzettel aus und verzichte per Unterschrift auf Schadensersatzforderungen. Keine Schönheit ohne Gefahr - soviel ist mir auch klar.
Drinnen geht es bereits hoch her. Mehrere Experten, davon einer im Blaumann, kümmern sich um das rätselhafte Innenleben eines häuslichen Kaffeeautomaten. Zwei Stühle weiter beobachtet eine junge Mutter die Wiedergeburt ihres Hightech-Alleskochers. In der Ecke schraubt ein großer Mensch an einem kleinen rosa Küchenradio herum. Insgesamt fünf Technikhelfer kümmern sich um ihre Schäfchen. Außer dem warten eine Nähinsel, eine Bastelstrecke, ein Beratungstisch und ein großartiger Kuchenbasar auf Besucher. Manche Menschen kommen offenbar nur zum Kuchenessen, Klönen, Hosen ausbessern oder Stempelschneiden hier her. Andere wie ich haben ein handfestes technisches Anliegen.
Ein bisschen gerate ich ins Schwitzen
Nachdem ich zwischen zwei Kuchenstückchen einem jungen Mann aus Syrien den Inhalt eines Jobcenter-Schreibens erläutert habe, werde ich vom Herrn im Blaumann angeprochen. Er hält meinen Reperaturauftrag in der Hand und stellt Profi-Werkzeug auf den Tisch. Als ich ihm meine Pläne offenbare, schickt er doch lieber seinen Sohn, der sich als Systemadministrator für die Mikrotechnik berufen fühlt. Auch gut! Ein bisschen gerate ich ins Schwitzen, als sich zunächst noch jemand anderes an meinem Computer zu schaffen macht. Es ist ein zehnjähriger Junge, der unter Aufsicht meines Helfers in Wahnsinnstempo meinen Laptop aus seiner Verkleidung schält. Wir kommen gerade noch mit dem Schraubensortieren hinterher.
Ich weiss dass ich jetzt tapfer sein muss. Aber die Respektlosigkeit des Nachwuchses steckt an: Ich schnappe mir einen Schraubendreher und lege selbst mit Hand an. Als dann schließlich der Gemeindepfarrer Pastor Gerisch himself mit Hand anlegt, als wir das Display entfernen, erlebe ich so etwas wie eine erlösende Kraft der Gemeinschaft. Da kann doch nichts mehr schiefgehen!
Operation gelungen!
Immer wieder gibt es Pausen, denn mein Expertenengel ist gefragt und wird häufig abgerufen um an anderen Tischen Rat zu geben. Die Reperaturzeit ist mit zwei Stunden knapp bemessen, und niemand wird mit seinem Problem im Regen stehen gelassen.
Irgendwann ist es auch für mich soweit: Geschafft und erwartungsvoll drücke ich den Startknopf und der Patient beginnt wieder zu atmen - mit gestochen scharfem Display und funktionierender Strombuchse. Operation gelungen! Was macht es da schon, dass am Ende nicht mehr alle Schrauben der Verkleidung zusammenpassten.....
Das "Repair Cafe" Halle wird rein ehrenamtlich von den Gemeindemitgliedern der evangelisch-methodistischen Kirche organisiert. In anderen Städten sind ähnliche Initiativen an Personalmangel bereits wieder eingegangen. Möge in Halle das Licht nicht so schnell ausgehen!
Repair Cafe Halle - an jedem ersten Samstag im Monat 15 - 17 Uhr
Schulstraße 9A, 06108 Halle (Saale)