Grü­ne Stadt Part I

Ein biss­chen grüner/ Durch den neu­en Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Wie­gand ist Bewe­gung in die kom­mu­na­le Umwelt­po­li­tik gekom­men. Doch Prio­ri­tät haben ande­re Berei­che - und Geld fehlt natür­lich auch.

„Als Ober­bür­ger­meis­ter wer­de ich …“ – auch zum Bereich Umwelt hat­te Bernd Wie­gand (par­tei­los) im Wahl­kampf eini­ge Punk­te zusam­men­ge­schrie­ben: Kli­ma­schutz, stär­ke­re Betei­li­gung von Umwelt­ver­bän­den, Erwei­te­rung von Grün­flä­chen, eine Aus­leih­sta­ti­on für Elek­tro­fahr­rä­der – so etwas. Nichts, was ein­ge­fleisch­te Umwelt­schüt­zer jubeln gelas­sen hät­te, aber immer­hin mehr, als die ande­ren im Pro­gramm hat­ten – abge­se­hen vom Grü­nen- Kan­di­da­ten Oli­ver Paulsen.

Auch des­we­gen dürf­te Wie­gand, der im Wahl­wer­be­clip freund­lich-dyna­misch durch Hal­le radel­te, knapp die Wahl gegen CDU­Mann Bern­hard Bönisch gewon­nen haben. Umwelt­po­li­tik als Züng­lein an der Waa­ge. Knapp ein hal­bes Jahr nach Amts­an­tritt des par­tei­lo­sen Hoff­nungs­trä­gers fällt die Zwi­schen­bi­lanz in Sachen kom­mu­na­ler Umwelt­po­li­tik immer­hin gemischt aus. Zwar hat Wie­gand schon eini­ge grü­ne Duft­mar­ken gesetzt. Der gro­ße Wurf in Sachen Umwelt ist aber vor­erst wohl nicht zu erwar­ten, denn Wie­gand ist Prag­ma­ti­ker und hat zur Zeit etli­che ande­re Baustellen.

Zum Bei­spiel die eige­ne Ver­wal­tung. Bis heu­te kämpft Wie­gand mit den Fol­gen sei­ner ad-hoc-Umwäl­zung am ers­ten Amts­tag. Per­so­na­li­en lan­den regel­mä­ßig vor Gericht, und auch, dass er Oli­ver Paul­sen, den frü­he­ren Grü­nen-Vor­sit­zen­den in Hal­le, vom Kon­tra­hen­ten um das OB-Amt zum engs­ten Mit­ar­bei­ter im Rat­haus gemacht hat, ist nach wie vor umstrit­ten. Den Grü­nen hat der Move Paul­sens an die Schalt­he­bel im OB-Büro – Paul­sen ist jetzt Grund­satz­re­fe­rent – durch­aus schon den einen oder ande­ren Erfolg beschert. Doch ob Paul­sen die Agen­da des OB nach­hal­tig auf grün trim­men kann, bleibt abzuwarten.

Dabei konn­te Paul­sen hin­ter den Kulis­sen durch­aus schon eini­ges errei­chen. Das Kli­ma­schutz­kon­zept der Stadt avan­cier­te über Nacht vom rei­nen Infor­ma­ti­ons­pa­pier zur har­ten Beschluss­vor­la­ge im Stadt­rat. Wofür Grü­ne und Lin­ke lan­ge umsonst gekämpft hat­ten, mit Ansa­ge des neu­en OB ging es ganz schnell. Der Rat ver­pflich­te­te die Ver­wal­tung, kon­kre­te Maß­nah­men zum Kli­ma­schutz zu prü­fen und wenn mög­lich anzu­ge­hen. Wel­che der Pro­jek­te aller­dings umge­setzt wer­den, hängt vom Geld ab. Ähn­li­ches Bei­spiel: Mit­glied­schaf­ten der Stadt in Ver­ei­nen und Ver­bän­den – ein über­sicht­li­cher Pos­ten im Haus­halt. Am Ende lan­ger Debat­ten blie­ben nur noch vier übrig, bei denen gespart wer­den soll­te, dar­un­ter Hal­les Mit­glied­schaft im glo­ba­len Kli­ma­schutz­bünd­nis Cli­ma­te Alli­an­ce (1500 Euro Jah­res­bei­trag) und das Unab­hän­gi­ge Insti­tut für Umwelt­fra­gen e.V. (Ufu, 5000 Euro). Auch die­se Vor­la­ge zog die neue Ver­wal­tungs­spit­ze ersatz­los zurück. Klei­ne grü­ne Erfolge.

Als Kern­punkt der wie­gan­dschen Umwelt­po­li­tik dürf­te aber bis­lang das neue Dienst­leis­tungs­zen­trum (DLZ) Kli­ma­schutz zäh­len. Es ist Teil der Umstruk­tu­rie­rung der Ver­wal­tung. Ange­sie­delt beim Bei­geord­ne­ten Uwe Stäg­lin (Bau­en und Umwelt), soll es zen­tra­ler Ansprech­part­ner für Bür­ger und Unter­neh­men in Umwelt- und eben Kli­ma­schutz­fra­gen sein. Doch die Arbeit im DLZ beginnt gera­de erst. Die Lei­ter­stel­le ist zum Zank­ap­fel zwi­schen Wie­gand und der neu­en schwarz rot-gel­ben Koali­ti­on im Stadt­rat gewor­den. Die vier DLZ-Mit­ar­bei­ter sol­len aber nicht nur für die Bür­ger da sein, son­dern auch in Stäg­lins Dezer­nat hin­ein­wir­ken. Dort fin­det er näm­lich statt, der Kampf von Stadt­grün gegen Asphalt, von Natur­schutz­aspek­ten gegen Bau­an­trä­ge. Umwelt­amt, Bau­en, Ver­kehr, ÖPNV, Grün­flä­chen – alles ist unter einem Dach ver­eint, auch nach Wie­gan­ds Refor­men. Bis­lang ging der Kampf, auch der Dyna­mik des Gel­des fol­gend, zuguns­ten gro­ßer mit vie­len För­der­mit­teln geför­der­ter Infra­struk­tur­pro­jek­te aus.

Bei­spiel Hal­le­scher Osten: Hun­der­te Bäu­me sind dort im Zuge von Stra­ßen­sa­nie­run­gen gefällt wor­den. Umwelt­in­itia­ti­ven wie der Akti­ons­kreis Hal­le­sche Auen­wäl­der oder die Initia­ti­ve Pro Baum pro­tes­tie­ren seit Jah­ren, erfolg­los. Unter OB Bernd Wie­gand durf­ten sie nun ein­mal fünf Minu­ten lang in einer offi­zi­el­len Sit­zung reden – ein Zuge­ständ­nis ohne Wir­kung: Die Bäu­me fie­len weiter.

Dass auch das Umwelt­amt der Stadt in Umwelt­fra­gen hart­lei­big sein kann, zeig­te kürz­lich eine Recher­che zum Koh­le­kraft­werk Schko­pau vor den Toren der Stadt. Es gehört zu den 40 umwelt­schäd­lichs­ten Indus­trie­an­la­gen in Euro­pa, bläst neben jähr­lich fünf Mil­lio­nen Ton­nen CO2 auch mas­sen­haft gif­ti­gen Fein­staub in 200 Metern Höhe in die Luft. Green­peace hat­te im Früh­jahr sta­tis­tisch errech­net, dass der Eon-Mei­ler für 76 Todes­fäl­le und tau­sen­de Erkran­kun­gen in Euro­pa ver­ant­wort­lich ist. Offen­bar nur nicht in Hal­le. Die Stadt hat kei­ne Erkennt­nis­se oder Ver­mu­tun­gen zu detail­lier­ten Umwelt- und Gesund­heits­ri­si­ken durch das Kraft­werk. Es arbei­te, so heißt es aus dem Umwelt­amt, auf dem moderns­ten Stand der Tech­nik. Und wei­ter: „Grund­sätz­lich kön­nen wir es uns nicht leis­ten, nach dem Aus­stieg aus der Atom­ener­gie­ge­win­nung auch noch auf Koh­le­kraft­wer­ke zu ver­zich­ten.“ Die­ser Aspekt hat­te in der Fra­ge gar kei­ne Rol­le gespielt.

Obers­te Prio­ri­tät hat der­zeit für Wie­gand der Haus­halt 2014. Ob dort die Schwer­punk­te grü­ner gesetzt wer­den, bleibt abzu­war­ten. Es soll ein Spar­haus­halt wer­den. Was an einer Stel­le hin­zu­kommt, muss, so ist Wie­gan­ds kla­re Ansa­ge, an einer ande­ren ein­ge­spart wer­den. So bleibt dem OB viel­leicht erst ein­mal nur, sich wei­ter wenigs­tens sym­bo­lisch einen grü­nen Touch zu ver­pas­sen. Wie­gand fährt gern mit der Stra­ßen­bahn zur Arbeit. Und eine sei­ner ers­ten Anschaf­fun­gen war ein kleinerer,weniger kli­ma­schäd­li­cher Dienstwagen.

Foto: Schö­ne neue Welt/ Hei­de Süd Blick auf Neustadt/ Mai 2013 Streifinger

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