Warum sind Humusböden so wichtig für unsere Ökosysteme, unsere Ernährung und unser Klima? Welche Kräfte sind für den weltweiten Rückgang dieser grundlegenden Ressource verantwortlich und wie hat sich die landwirtschaftliche Nutzung in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Schnelle, verständliche und übersichtliche Antworten auf diese wichtigen Fragen gibt eine aktuelle populärwissenschaftliche Publikation – der bislang 3. Bodenatlas, herausgegeben von der Böll-Stiftung, Nabu, Institute for Advanced Sustainability Studies und der Le Monde Diplomatique. Anfang Juli wurde das Dokument auch in Halle vorgestellt.
Ungefähr 50 Menschen waren bei sommerlicher Hitze in den Hörsaal XV des Melanchtonianums der MLU gekommen, um an der Vorstellung des Bodenatlas und der anschließenden Diskussion teilzunehmen.
Auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung und des WissenschaftsCampus Bioökonomie waren als Referenten Martina Hoffmann ( NaBu ) und der international renommierte Bodenkundler Prof. Bruno Glaser ( MLU Halle-Wittenberg )anwesend. Zunächst stellte Martina Hoffmann in einer Kurzübersicht einige eindrucksvolle Kapitel und Grafiken vor. Dabei betonte die regionale Naturschutz-Aktivistin, dass der Atlas ein wichtiges Projekt ist, mit dem geopolitischer Druck auf die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ausgeübt werden kann uns sollte. Von Bodenerosion, so Hoffmann, sei der Saalekreis genau so betroffen wie andere Regionen in der Welt. Die Probleme seien so dringend, dass die UN das Jahr 2015 zum Jahr des Bodens ausgerufen habe.
Forderungen zur Rettung des Bodens
Die Herausgeber des Bodenatlas haben selbst als Schlussfolgerung ihrer Erkenntnisse einige zentrale Forderungen im Schlussteil veröffentlicht. Dazu zählen etwa die weltweite Stärkung der Landrechte von Kleinbauern, agrarpolitische Reformen der EU, eine gesetzliche Reduzierung der Flächenversiegelungen oder eine Drosselung von EU-Nahrunsmittelimporten.
In der Disskussion war vor allem Prof. Glaser von der MLU Halle stark gefragt, der zunächst erläuterte, dass das Thema Humus ein wissenschaftlicher Streitpunkt ist und die Meinungen stark auseinandergehen. Obwohl es weltweit 55.000 Studien über Humus gebe, herrsche beispielsweise immer noch Uneinigkeit in der Frage, inwieweit intensive mineralische Düngung sich tatsächlich negativ auf die Humusbildung auswirke.
Eindrucksvoll zeigte der Experte die entscheidende mögliche Rolle der Humusböden bei der Abfederung der Klimaprobleme auf. Denn Humus ist in der Lage, fossilen Kohlenstoff aus der Luft zu binden und so die Erderwärmung zu verlangsamen. Professor Glaser hielt auch mit seiner persönlichen Meinung nicht hinterm Berg, dass er einzig einen Verzicht auf weiteres Wachstum für einen Lösungsansatz der Probleme hält.
Eigenverantwortungsvolles Handeln statt machtloser Politik
Weiterhin hob Prof. Glaser die Bedeutung des Selber-Tuns für den nötigen Wandel hervor, weil die Machtverflechtungen von Agrarlobby und Politik die Hoffnungen auf Veränderungen von oben als aussichtslos erscheinen lassen. Als positives Beispiel nannte er die Entwicklungen in der Modellregion Kaindorf in Österreich. Dort sei es den Menschen gelungen, auf freiwilliger Basis miteinander neue regionale Wirtschafstkreisläufe zu etablieren, die auf Nachhaltigkeit und Resilienz basieren. Im Gegensatz zu hiesigen Zuständen herrsche dort in der Steiermark eine Aufbruchsstimmung, von der man auf der dort jährlich stattfindenden Humuskonferenz viel spüren könne. „Wenn wir alle so leben“, so sein Fazit “dann brauchen wir keine Politik mehr.“
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