Schüler wollen Leistungsanforderungen erfüllen, um dafür belohnt zu werden. Teamer einer Projektwoche wollen zum freien Denken anregen. Ein Erfahrungsbericht.
Lernen SchülerInnen am Gymnasium denken oder gar philosophieren? In dem Sinne, dass sie gemeinsam mit ihren Lehrern brennende Lebensfragen in dieser globalen Welt aufspüren und ihnen nachgehen? Wenn wir als Teamer des länderübergreifenden Jugendbildungsprojektes „DenkWege zu Luther“ von Schulen eingeladen werden, um mit Jugendlichen das Philosophieren zu üben, stoßen wir oft an die Grenzen unseres Schulsystems.
Zum Auftakt des Lutherdekaden-Themenjahres 2016 „Reformation und Eine Welt“ folgten wir diesmal dem Ruf von Ralf Walzebok. Er gestand uns, dass er seine Lehrer energisch bearbeitet hatte, bis sie bereit waren, uns Philosophen ihre Neuntklässler für die letzte Schulwoche (25. bis 29. 1.) vor den Winterferien abzutreten. Vielleicht hatten ihnen unsere Themen imponiert, die wir den Jugendlichen in Form von vier Arbeitsgruppen vorschlugen. Eine fragte nach der Bedeutung von Menschlichkeit seit der Reformation bis heute; eine andere nach dem Zusammenhang zwischen Kriegen und Religion; eine dritte nach dem „Blut, das an unseren Handys klebt“; und die vierte wollte gemeinsam mit den jungen Leuten lebenswerte Visionen für unsere geschundene Eine Welt entwickeln.
Vorab hatte Martina Franz, unsere Koordinatorin von der AG „Schule und Bildung“ vom LISA (siehe Kasten), den Neuntklässlern aus Querfurt die Frage vorgelegt: „Was interessiert euch, wenn ihr an den Zustand der heutigen globalen Welt denkt?“ Aus ihren Antworten entwickelten wir unsere Angebote. Denn wer mit Jugendlichen philosophieren will, benötigt das als Grundlage, was ihnen in der Schule meist abtrainiert wird: eine intrinsische Motivation zum Lernen.
Gymnasiasten wie Leistungssportler
Anfangs war es also für die meisten Teilnehmenden der Projektwoche sehr ungewohnt, unsere Impulse aufzunehmen und darüber selbstständig ins Fragen und Nachdenken zu kommen. Einige der Schülerinnen beschwerten sich, dass sie nichts lernen würden, dass zuviel Freiheit im Seminar herrsche oder dass wir diejenigen, die keine Lust zum Diskutieren hatten, nicht dazu zwingen würden. Wir wiederum saßen abends im Team beisammen und schüttelten die Köpfe über diese jungen Menschen: Wie genau sie uns „auf's Maul schauten“, um herauszubekommen, welche Antwort wir wohl hören wollten. Die „Gymnasiasten“ erinnerten uns an Sportler, bei denen nicht das Denken, sondern die hart erarbeitete körperliche Leistung zählt. Wir aber wollten mit ihnen einen Denkweg gehen - in Freiheit vom Zwange und sogar vom Ziele.
Spielerischer Ausstieg gelang
In der Visions-AG, die ich begleitete, brach das Eis ab Tag drei. Die Neuntklässler entwickelten spielerisch eigene Wirtschaftsunternehmen, an denen sie ihre eigenen Gelüste auslebten und zugleich entdeckten, wie schwierig es ist, aus den kapitalistischen Logiken auszusteigen. Diese Selbsterkenntnis der Jugendlichen war - neben dem befreiten Umgang, den wir miteinander pflegten – ein philosophischer Denkakt, den keine Note ermessen oder gar erzwingen kann.
Tanja Täubner
2017 wird die Reformation 500 Jahre alt. Das länderübergreifende Jugendbildungsprojekt „DenkWege zu Luther“ wird von den beiden evangelischen Akademien Sachsen-Anhalt und Thüringen getragen, um Jugendlichen ab der 9. Klasse im Rahmen der Lutherdekade Reformationsthemen auf philosophische Art und Weise nahe zu bringen.
Die Auftaktwoche zum Thema „Reformation und Eine Welt“ der „DenkWege zu Luther“ am Querfurter Gymnasium wurde in Kooperation mit der AG „Schule und Bildung“ des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) und der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands organisiert.
Tanja Täuber gehört zum „DenkWege“-Team.
www.denkwege-zu-luther.de/
www.facebook.com/dwl2017