Halles innerstädtischer Baumreichtum ist in der jüngsten Vergangenheit bereits stark reduziert worden. Nach dem Steintorplatz, vielen Alleebäumen und dem Gelände am ehemaligen Landesverwaltungsamt soll es nun den Friedemann-Bach-Platz treffen. Ein Kommentar von Rodney Thomas.
Der Friedemann-Bach-Platz könnte mit seinen jungen und erwachsenen Bäumen der beste und schönste Platz in Halle werden, wenn er Menschen statt igendwelchen Parkplätzen gewidmet wäre. Doch bald wird er zerstört und die Bäume werden gerodet werden. Ein weiterer toter Platz entsteht in der Mitte unserer Stadt.
Im Gegensatz zu anderen Abholzungen und grauenhaften Stadtumbauprojekten, die immer überraschend im Stadtrat auftauchten, sagen wir Ihnen hier und heute frühzeitig Bescheid: Die Stadt hat vor, Halles "Jardin du Luxembourg" auszulöschen.
Normalerweise erfährt man in Halle erst von einer möglichen planerischen Schandtat, wenn die Räder von Stadtplanung und Verwaltung einen weiteren städtischen Schatz schon fast überrollt haben. Dann kommt häufig erbitterter Widerstand. Man sammelt Unterschriften, schreibt Flugblätter, geht zur Bürgerfragestunde in den Stadtrat. Meist ist es aber zu spät. Der Rat beschließt – und dann ist es auch schon vorbei. So aber nicht in diesem Fall! Können Sie sich vorstellen, diesmal derartige Verteidigungsmaßnahmen VOR der planerischen Zerstörungsankündigung im Rat einzusetzen?
1997 beschloss der Stadtrat zwei Planungsdokumente – ein „Verkehrspolitisches Leitbild der Stadt Halle“ und die „Verkehrskonzeption Altstadt“. Beide sind vermeintlich heute immer noch als Leitbilder gültig. Das „Verkehrspolitische Leitbild“ beschreibt eine Stadt, die eine Abnahme von Fahrgästen in öffentlichen Verkehrsmitteln und einen starken Zuwachs von Autoverkehr registrierte. Trotzdem formulierte die Stadt das Ziel, eine autoarme Altstadt zu schaffen.
Das damalige Planungsamt verstand, dass es sich mit einer Bundesverkehrspolitik, die Autos entgegenkommt und unterstützt, beschäftigen muss. Gleichzeitig hatte das damalige Planungsamt genügend Einblick und Weisheit zu verstehen, dass Halles historische Struktur nicht zu den Bedürfnissen des Automobilismus passt: „Leidtragender derartiger Zustände ist u.a. der historische Altstadtkern. Die über Jahrhunderte gewachsene Baustruktur ist hier kaum in der Lage, den Anforderungen einer autogerechten Stadt zu entsprechen.“
Jahre vergehen ...
Erste Änderungen zur Verkehrspolitik wurden in einem Vortrag am 23. März 2011 von Herrn Moebius aus dem Planungsamt vorgestellt. Das Publikum konnte nicht wissen, dass der Inhalt dieses Vortrages die Verkehrskonzeption der Altstadt wesentlich verändert hat. Diese Änderungen kamen einseitig vom Planungsamt. Ein neuer Begriff wurde verwendet: Parkraumbewirtschaftung. Ausgewogenheit und Weisheit der Altstadtverkehrskonzeption von 1997 wurden aufgegeben. Jetzt wurde der stadtpolitische Weg zu einem generellen Entgegenkommen gegenüber der Automobilität bereitet.
Ein Altstadtplan der im März 2011 veranstalteten Werkstatt mit dem Titel „Sanierungsbedarf öffentlicher Raum“ wies den Friedemann-Bach-Platz als „abhängig von finanziellen Sonderzuweisungen“ aus.
Der neue Begriff „Ruhender Verkehr“ wurde in November in der Broschüre „Grundsätze der Verkehrsorganisation in der Altstadt“ ergänzt: „Daher muss mittels anderer Maßnahmen versucht werden, das weiterhin gültige Ziel der Verkehrsberuhigung in der historischen Altstadt zu erreichen.“
Im Juli 2012 erschien ein Integriertes Strategiepapier zur Stadtentwicklung Halle 2025. Die Stadt will den grünen Altstadtring erweitern und mit dem Grün am Fluss zusammenschließen. Der Friedemann-Bach-Platz ist ein wichtiges und wesentliches Kettenglied in diesem Grüngürtel.
Im Dezember 2012 erschien dann das Integrierte Entwicklungskonzept Altstadt, worin die Tiefgarage am Friedemann-Bach- Platz ein zweites Mal offiziell auftauchte. Der Plan steht seitdem offenbar fest: „Der Friedemann-Bach-Platz ist ein bedeutender Baustein bei der Entwicklung des nordwestlichen Bereiches der Altstadt ... Einordnung zusätzlicher Parkmöglichkeiten, auch in einer Tiefgarage, und Gestaltungsmöglichkeiten sollen in einer Machbarkeitsstudie untersucht werden, die auch die Umgebung mit einbezieht.“
„Ziel: Parken am Altstadtring.“
Der Stadtrat bestätigte den Plan im Januar 2013. In der Niederschrift der Stadtratssitzung steht weiter: „Das Entwicklungskonzept stellt die Grundlage für die Beantragung der Fördermittel im Programm ‚Städtebaulicher Denkmalschutz für das Programmjahr 2013‘ dar.“
Während der gesamten fünf ISEK-Konferenzen für die Innenstadt zwischen Herbst 2013 und Januar 2014 hatte kein Stadtplaner die Tiefgarage erwähnt, noch hatten sie darauf hingewiesen, dass die Stadt eine Städtebauliche Denkmalschutzliste erstellt hat, die Projekte bis 2019 listet. Alle Projekte auf der Liste, einschließlich der Tiefgarage am Friedemann-Bach-Platz, waren und sind außerordentlich diskussionswürdig.
Im Januar 2014 bekam der Stadtrat vom Planungsamt die Anlagen für das Fördermittelprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“. Hier taucht erstmals der Einzelposten „Machbarkeitsstudie Fried.-Bach-Platz/ Parkplatzlösung Oper“ auf.
„Parkplatzlösung Oper“?
Der Friedemann- Bach-Platz ist weiter weg vom Opernhaus als die Hansering-Tiefgarage, die abends nie voll belegt ist. Kein Wunder. Die Öffnungszeiten sind: Montag-Freitag 6:00-21:00 Uhr, Samstag 8:00-20:00 Uhr, Sonntag und an Feiertagen: geschlossen!
Wie absurd. Hier gibt es eine schon existierende Anlage mit freien Kapazitäten, die von Opernhaus-Besuchern genutzt werden könnte - aber die Stadt will noch eine weitere Tiefgarage bauen, die außerdem weiter entfernt liegt. Und die Planung für diesen Betonneubau mit großem Betonmaul soll über Fördermittel aus einem Topf, der Denkmalschutz“ heißt, finanziert werden. Für die Öffentlichkeit wird inzwischen wieder der Spruch „Machbarkeitsstudie zur Verkehrsberuhigung am Friedemann-Bach- Platz“ verwendet. Haben Sie vielleicht auf Ihren Stadtspaziergängen in jenem Bereich rund um den Friedemann-Bach-Platz je einen Stau oder generell überforderte Straßen beobachtet?
Dank einer Anfrage der Grünen hat das Planungsamt im Juni dieses Jahres die Absurdität ihrer Vorhaben vertieft. Uwe Stäglin, Beigeordneter für Stadtentwicklung und Umwelt, antwortete: „Die Stadt Halle hat mit dem Programmjahr 2014 eine Bewilligung im Förderprogramm ‚Städtebaulicher Denkmalschutz’ in Höhe von insgesamt 3.375.000 Euro erhalten. Gegenstand der Förderung sind städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen als städtebauliche Gesamtmaßnahme in einem räumlich begrenzten Gebiet, hier Maßnahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes. Die Kommune kann auf Grund des Gesamtmaßnahmeprinzips selbst entscheiden, welches Vorhaben sie mit entsprechenden Mitteln innerhalb des Fördergebiets umsetzten möchte.“
So läuft Stadtplanung in Halle. Besuchen Sie die schönen Bäume und vor allem den prachtvollen Altbaum, der über den Friedemann-Bach-Platz herrscht. Stellen Sie sich vor, wie wunderbar der Platz als menschenorientierter Ort sein könnte. Dann nehmen Sie bitte Kontakt mit Ihrer Stadträtin oder Ihrem Stadtrat auf und fordern Sie dort ein bisschen gesunden Menschenverstand von unserem Bereich Stadtentwicklung und Umwelt ein. Denn: Das Planungsamt hat die Umwelt im Fachbereichsnamen irgendwie komplett vergessen.
Rodney Thomas
Foto: Streifinger