Auch die Gründerszene von Halle ist im Wandel. In diesem Sommer startete hier eine Internetplattform für stilvolle Upcycling-Produkte. Diese Bewegung bevorzugt die Verwendung von vermeintlichen Abfallmaterialien. Jörg Wunderlich traf die Macher in der Galerie Rauminhalt, wo es eine erste Schau zum Anfassen und kennenlernen gab.
Welche Materialien verwendet Ihr für Eure Produkte und woher bezieht Ihr Eure "Rohstoffe"?
Ludwig: Unser derzeit wichtigstes Material ist farbiges PVC-Meshgewebe von alten Werbebannern. Die hängen ja ein paar Wochen und werden danach normalerweise eingelagert oder weggeschmissen von den Firmen. Und wir machen aber Liegestühle, Taschen oder Lampenschirme daraus. Wir suchen aus den Reststücke Motive aus. Dadurch werden das dann handgefertigte Unikate.
Juri: Diese Lampengestelle hier sind so entstanden, dass ich einen ganzen Packen alter Zollstöcke gefunden habe, dieschon durch viele Handwerkehände gegangen sind. Die haben sich eifach angeboten als Gelenke. Und der Holzhocker dort ist aus eimem alten Balken von einem Spielplatz.
"Supermüll" ist ja nicht nur für Eure Produkte gedacht. Wer darf denn bei Euch Produkte verkaufen und wie kann man sich anmelden?
Ludwig: Es ist eine offene Plattform und jeder, der bei uns etwas einstellt, gehört dazu. Neue Leute können sich mit Fotos und ihren Produkttexten einfach bewerben. Gerade haben wir den ersten wirklich externen Produzenten aufgenommen. Und vor kurzem hatten wir eine Anfrage von einer Schmuckdesignerin. Deren Rohstoff sind alte Patronenhülsen. Das ist auch "Umnutzung" in unserem Sinne.
Gibt es so etwas wie ein klasssisches Buisinessmodell für Euer Projekt?
Juri: Bislang ist es eher noch eine Werbeplattform – das geschäft entwickelt sich noch. Wir haben zum Beispiel noch keinen Onlineshop. Der ist aber angedacht und soll auf Provisionsbasis funktionieren. Hier während der Ausstellung gab auch schon ein paar Verkäufe. Für ein paar Produkte wie unseren Liegestuhl hatten wir in Halle auch schon begonnen, nach Herstellern zu suchen, um damit in Serienproduktion zu gehen.
Wie kam es eigentlich zu Eurer Zusammenarbeit ? Habt Ihr Euch über das Thema Upcycling gefunden?
Juri: Wir drei haben zusammen studiert. Tom und ich haben eine eigene Werkstatt, wo wir schon früher Projekte gemacht haben die in die Richtung gingen. So kam es, dass wir gesagt haben, lass uns doch eine Plattform realisieren.
Wie neu ist denn Eure Idee für so eine spezialisierte Plattform ?
Ludwig: Das Thema ist nicht neu und man findet auch woanders im Netz upcyvcling-Produkte. Die Frage haben wir uns auch gestellt, ob wir unsere Sachen nicht einfach dort einstellen sollen, aber dann käme ja dieser Upcycling-Gedanke und die hochwertige Gestaltung nicht so zur Geltung, auf die wir wert legen.
Bislang scheint es ja noch eine kleine Nische zu sein, oder habt Ihr das Gefühl, das könnte etwas für die Masse werden?
Juri: Ich denke schon. Man sieht es bei den alten Fahrrädern, dass sich viele Leute lieber ein altes holen und das dann lieber fahren als ein Baumarktrad, was in Taiwan hergestellt wurde. Man merkt schon, dass sich Leute etwas Echtes haben wollen, etwas Altes, Wertiges, was eine Geschichte hat.
Ludwig: Da kommt ja auch die öffentliche Wahrnehmung für die absichtlich begrenzte Lebensdauer von neuen Produkten hinzu. Ältere Produkte, Dinge, die jetzt noch da sind, die haben ja offensichtlich überlebt. Die haben ja die Qualität, dass sie auch halten. Da brauchen wir nicht mehr viel Geld ausgeben in der Hoffnung, das wir auch etwas Gutes bekommen. Ja, und das transportieren wir in die neue Zeit.
Woher kommt dieses Bewusstsein für das Handwerkliche bei Euch – habt Ihr Handwerkesberufe erlernt?
Ludwig: Ich komme ursprünglich aus Franken und habe zuerst Dekorentwerfer und Porzellanmaler in Selb gelernt. Das war eine gute Grundlage für das Designstudium.
Juri: Ich habe Maschinenbau studiert vor dem Designstudium, aber ohne Abschluss, weil ich gemerkt habe, dass mir das zu theoretisch und auch zu technokratisch ist. Mir fehlte das Ästhetische dabei das Gestalterische.