Kommentar zu OLG Urteil: Todeszonen/ „Straße“ ist nur noch ein Euphemismus um Gemeinnutz vorzutäuschen: Das OLG Schleswig Holstein schreibt vor ein paar Wochen in einem Urteil, in dem es einer Fahrradfahrerin, allein aus der Tatsache der Straßenbenutzung, eine Mitschuld an einem „Autounfall“ gibt. (Autounfall ist auch ein Euphemismus, versuchter Totschlag wäre passend):
Es bestehe zwar keine Helmpflicht, so das Gericht, Fahrradfahrer seien jedoch im Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt und würden von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden. Außerdem könne „nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird".
http://www.adfc.de/news/mitverschulden-ohne-fahrradhelm-adfc-kritisiert-urteil?p_p_nr=3
Nach dem heutigen Erkenntnisstand sind aber Fahrradhelme nutzlos oder sogar gefährlich, wie Studien aus Kanada und Australien beweisen. Der Fahrradhelm ist einerseits ebenso eine Beschwichtigung und dient andererseits als Stigma des todgeweihten Menschenopfers, der sich zu seiner „Schuld“ öffentlich bekennt.
In einem Artikel auf http://www.zeit.de/auto/2013-06/auto-verkehr-unfalltote-historisch/ lesen wir:
[...] Der Opfer wurde wie gefallener Soldaten gedacht. Gedenkmärsche für die verlorenen Kinder wurden abgehalten, Mahnmale aufgestellt, Antiautovereine gegründet. Zeitungen wie die St. Louis Star verglichen das Automobil mit dem Gott Moloch, dem im Altertum die Ammoniter im Tausch gegen Wohlstand ihre Kinder opferten. [...]
Bis in die 1930er Jahre hinein wurden Unfallfahrer des Totschlags angeklagt und gegebenenfalls entsprechend verurteilt. [...]
Schon bald entwickelte einer der führenden Köpfe von Motordom, der PR-Fachmann E. B. Lefferts, einen genialen Plan, der die Stimmung in der Bevölkerung drehen sollte [...]
Als wichtigste Komponente dieser Argumentationsumkehrung erfand Motordom den Kampfbegriff Jaywalking.[...] bezeichnet das illegale Überqueren einer Straße [...]
Heute ist das Trauern um die Menschenopfer tabu. Wir trauern stündlich im Radio um die am freien Fluss gehinderten Autos. In dieser Ideologie können Menschen (o. Tiere, Pflanzen, Dinge), im öffentlichen Raum nur, legal: Frachtgut, oder illegal: Hindernisse, von Autos sein. So kann es auch keinen Verein geben der sich um die Gewaltopfer der Autos kümmert, sie sind ja wie oben vom OLG festgestellt illegal (Hindernisse) im öffentlichen Raum! Ich habe schon öfter „Unfallopfer“ (Euphemismus) befragt: sie reden ungern darüber und wenn, dann beschwichtigen sie selbst und lehnen ab Opfer zu sein und fangen gar an sich selbst Schuld zu geben.
Wenn der Soldat um sein Gegenüber beginnt zu trauern, hört er auf und kehrt um. Wenn die Gesellschaft beginnt um die Gewaltopfer der Autos zu trauern, dann hat das Töten und Verstümmeln ein Ende.
Auch von Interesse zu diesem Thema ist die Verfassungsbeschwerde gegen den Automobilismus vom autofrei leben! e.V.:
http://www.autofrei.de/index.php/so-geht-autofrei/autofrei-wohnen/typologie-autofreier-wohngebiete/2-uncategorised/79-verfassungsbeschwerde
Paul-Robert Löser
Foto: Mit und ohne Helm unterwegs/ ADFC/Jens Lehmkühler