Alt­rei­fen-Pyro­ly­se in Tro­tha vor dem Baustart?

Am Diens­tag, dem 30.09. lud die Bür­ger­initia­ti­ve „Gesun­des Tro­tha“ zu einer Infor­ma­ti­ons-Ver­an­stal­tung in die Grund­schu­le „Hans Chris­ti­an Ander­sen“ an der See­be­ner Stra­ße ein.

Den Fra­gen von etwa 150 inter­es­sier­ten Bür­ger stell­ten sich Flo­ri­an Her­zog (Geschäfts­füh­rer der Pyro­ly­tech GmbH) und Ulrich Bohn von einem Wit­ten­ber­ger Inge­nieur­bü­ro, das mit der Erar­bei­tung des Antrags für das Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens beauf­tragt war. Ver­tre­ter der Stadt Hal­le und des Lan­des­ver­wal­tungs­am­tes als Geneh­mi­gungs­be­hör­de glänz­ten durch Abwe­sen­heit. Drei Stadt­rä­te waren prä­sent: Bern­hard Bönisch (CDU), Wolf­gang Aldag (Grü­ne) und Tom Wol­ter (Mit­bür­ger). Letz­te­rer mode­rier­te auch die Versammlung.

Eini­ger­ma­ßen unver­ständ­lich begann Pyro­ly­tech-Geschäfts­füh­rer Flo­ri­an Her­zog mit der Bemer­kung, er hät­te bis­her nicht gewusst, dass es eine Bür­ger­initia­ti­ve in Tro­tha gäbe. Dabei soll­te man sich doch schon vor Gericht begeg­net sein und auch die Online-Peti­ti­on der BI dürf­te bekannt sein. Dann wur­de ein alter Image­film der Pyro­lyx AG zur in Tro­tha vor­ge­se­he­nen Tech­no­lo­gie gezeigt. Die Fir­ma Pyro­ly­tech GmbH will im Novem­ber 2014 den ers­ten von zwei Reak­tor­strän­gen in Betrieb neh­men, in dem Gum­mi­gra­nu­la­te aus Alt­rei­fen unter Luft­ab­schluss erhitzt wer­den. Dabei soll, neben Pyro­ly­se­gas- und -öl, auch ein kom­ple­xer fes­ter Rück­stand gewon­nen wer­den, der neben Indus­trie­ru­ßen auch vie­le ande­re Zuschlag­stof­fe ent­hält, die mehr oder weni­ger zufäl­lig in den jeweils zer­schred­der­ten Alt­rei­fen ent­hal­ten sind. Der Rück­stand soll "Pyro­lyx-Car­bon-Black" oder „Pyro­ly­tech-Car­bon-Black“ genannt wer­den und ist für die Her­stel­lung hoch­wer­ti­ger Mar­ken­rei­fen eher unge­eig­net. Bewor­ben wer­den die Rück­stän­de des­halb auch als Farb­pig­men­te und Füll­stof­fe in Kunst­stof­fen und als Bin­de­mit­tel zum Auf­fan­gen aus­ge­lau­fe­ner Alt­öle. Das Ver­mark­tungs­ri­si­ko sol­len eh die Lizenz­neh­mer des Ver­fah­rens tra­gen, welt­weit will der Anla­gen­bau­er 60 bis 100 die­ser Alt­rei­fen-Pyro­ly­se­an­la­gen verkaufen.

In der nun fol­gen­den Dis­kus­si­on kam mehr­fach die Fra­ge auf, war­um an der Errich­tung der Pyro­ly­se-Anla­ge in einem Wohn­ge­biet fest­ge­hal­ten wird. Ängs­te vor Gift­stof­fen in der Luft und einem erhöh­ten Krebs­ri­si­ko wur­den geäu­ßert, zwei Wohn­blö­cke und eine Alten­pfle­ge-Ein­rich­tung lie­gen in unmit­tel­ba­rer Nähe, eine Kin­der-Krebs­sta­ti­on auf dem ande­ren Saa­le­ufer. Auch der neue Anla­gen-Stand­ort ist immer noch Hoch­was­ser-gefähr­det. Ein Mit­glied der Bür­ger­initia­ti­ve "Bür­ger für Kröll­witz" sorg­te sich um sin­ken­de Grund­stücks­wer­te. Wegen der Lage im Tal­kes­sel ist mit län­ge­ren Ver­weil­zei­ten der Gift­stof­fe zu rech­nen, erhöh­te Lärm- und Ver­kehrs­be­las­tun­gen sind zu erwar­ten. Ein­ma­li­ge Natur­schutz­ge­bie­te und das Schul-Umwelt­zen­trum Fran­zig­mark befin­den sich im Ein­fluss­be­reich der geplan­ten Anlage.

BI "Gesun­des Tro­tha" mit eige­nen Untersuchungsergebnissen

Dirk Lin­de­mann, Geschäfts­füh­rer der Hafen Hal­le GmbH, ergriff das Wort, warb aber mehr für den Saa­le­aus­bau, als dass er Aus­kunft über die Vor­ge­schich­te der umstrit­te­nen Ansied­lung gab. Mit­glie­der der Bür­ger­initia­ti­ve "Gesun­des Tro­tha" haben ihre eige­nen Unter­su­chun­gen über die zu erwar­ten­den Immis­sio­nen gif­ti­ger und krebs­er­re­gen­der Schad­stof­fe am Stand­ort ange­stellt. Sie rech­nen mit einem Aus­stoß von jähr­lich ca. 21,9 kg Queck­sil­ber und 7,4 kg Form­alde­hyd, dazu kom­men noch etwa 700 kg des beson­ders krebs­er­re­gen­den Arsenik und 800 Ton­nen Schwe­fel pro Jahr. In einer von der Bür­ger­initia­ti­ve in Auf­trag gege­be­nen toxi­ko­lo­gi­schen Stel­lung­nah­me wer­den auch Gefah­ren durch poly­zy­kli­sche aro­ma­ti­sche Koh­len­was­ser­stof­fe (PAK), Nitro­py­re­ne, Dioxi­ne und Fura­ne the­ma­ti­siert, eine Aus­brei­tungs­rech­nung für die­se wird ange­mahnt. Auch die Schorn­stein­hö­he ist mit 25 m so nied­rig gewählt, dass sie kaum die benach­bar­ten alten Getrei­de­si­los über­ragt. Ein­fa­che Zel­lu­lo­se-Fil­ter sind dort vor­ge­se­hen, wo eine Rauch­gas­wä­sche Stand der Tech­nik wäre.

Nie­mend will Zah­len nennen

Die gegen­wär­tig bean­trag­te Kapa­zi­tät der Anla­ge fällt mit 1,1 t/h klei­ner aus als die ursprüng­lich geplan­ten 3 t/h Alt­rei­fen­gra­nu­lat, dadurch konn­ten die Schad­stoff­wer­te so klein gerech­net wer­den, dass sie die jewei­li­gen Grenz­wer­te unter­schrei­ten. Der Aus­bau der Anla­ge auf eine Kapa­zi­tät auf 3 t/h soll in einem zwei­ten Inves­ti­ti­ons­schritt erfol­gen. Das Lan­des­ver­wal­tungs­amt hat bei sei­ner Geneh­mi­gung die klein gerech­ne­ten Wer­te zu Grun­de gelegt. Kon­kre­te Zah­len woll­te jedoch auch auf mehr­fa­che Nach­fra­ge nie­mand nennen.

Im Lan­des­ver­wal­tungs­amt hält man eine Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung für nicht nötig: weil “durch das genann­te Vor­ha­ben kei­ne erheb­li­chen nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen zu befürch­ten sind”. Doch die Durch­füh­rung einer Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung ist eine Ermes­sens­fra­ge. So wird z. B. gera­de für die Repa­ra­tur des Wan­der­we­ges Hexen­stieg im Har­zer Bode­tal eine umfang­rei­che Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung erar­bei­tet, obwohl dort kaum Umwelt­schä­den zu erwar­ten sind.

Vom Land Sach­sen-Anhalt wur­de gefor­dert, die För­der­mit­tel-Ver­ga­be (20 bis 25%) an die Durch­füh­rung einer Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung zu bin­den. Auch die Grü­nen im Stadt­rat wur­den kri­ti­siert: "Die Frö­sche hucken sie über die Stra­ße, aber die Men­schen inter­es­sie­ren sie nicht!", äußer­te eine Anwoh­ne­rin. Zum unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Bau­start wur­den robus­te Pro­test-Absich­ten geäu­ßert, auch Weg­zugs­plä­ne waren zu hören. Mode­ra­te­re Kräf­te set­zen immer noch auf eine poli­ti­sche Lösung: dem Inves­tor sol­len "Gol­de­ne Brü­cken" in einen Che­mie­park sei­ner Wahl gebaut wer­den. Wenigs­tens dem Land­tags-Abge­ord­ne­ten Bern­hard Bönisch schien letz­te­res sym­pa­thisch zu sein.

openpetition.de/petition/online/keine-krebsausloesenden-abgase-verhindert-die-altreifenverwertungsanlage-am-hafen-halle-trotha

Foto: Diet­mar Sievers








 

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