Am 7. und am 8. Oktober war in der Theatrale (Waisenhausring 2) das arabisch-deutsche Theaterstück “Paradies und Eroberung” zu sehen.
Die Probleme drängen ...
Sprengstofffund in der Wohnung eines Syrers Chemnitz, die AfD inzwischen drittstärkste Partei in Deutschland, Zehntausende unbearbeitete Asylanträge, verschärfte Integrationsregeln im neuen Integrationsgesetz … es scheint, als ob wir keinen guten Umgang miteinander pflegen könnten …
Wir haben sie nach Deutschland eingeladen aus humanitären Gründen: Rund 600.00 syrische Flüchtlinge sind seit Beginn des Krieges nach Deutschland gekommen.
Was fangen wir bloß miteinander an?
Genau das ist das Thema in “Paradies und Eroberung”, exemplarisch dargestellt von jungen zwei Schauspielern: Der junge Deutsche: Gefangen im Käfig seiner Gewohnheiten geht er zwanghaft immer dieselben Wege, alles muss in Ordnung sein, Änderungen sind nicht zulässig, bis, ja bis er Besuch erhält von dem jungen Syrer. Erst nimmt er ihn gar nicht zur Kenntnis, dann nur äußerlich: Seine Frage „Woher kommst du?“ hält den Besucher auf Distanz, in der Fremde.
Steiniger Weg der Annäherung
Es folgen schwierige Annäherungsversuche: Sie erfinden sterotypisierte Geschichten übereinander, denn in ihnen wird der andere fassbarer als in der direkten Begegnung. Die Geschichten erweisen sich als Weg aufeinander zu und führen in einen Begegnungsraum. In diesem einigen sich die beiden auf Spielregeln für den vorsichtigen Umgang miteinander. „Demokratie“ heißt das Zauberwort, das der Deutsche dem Syrer, dem Fremden, als Hauptregel entgegenhält. Wie schön, denkt die Rezensentin erleichtert, da hätten wir doch mal was Zuverlässiges. Aber da ist die Regel auch schon wieder in Frage gestellt, denn schnell erweist sie sich als starr, als verschleierndes Mittel für Vorherrschaftsstreben: Im Stück geht es um das Sofa, das beide sich teilen müssen. Schließlich wird um selbiges gekämpft. Der Kampf endet unentschieden, beide Kämpfer liegen erschöpft am Boden und finden endlich in einem gemeinsamen Gefühl und Wort zueinander: Hunger heißt es.
Zum WIR
Schön und sehr anrührend – das deutsch-arabisch gut gemischte Publikum (fifty-fifty) war sichtlich bewegt: „Ja, SO sind wir.“ Es gibt es also doch, das WIR, nachdem beide Seiten auf der Suche waren und sind.
Kritik der Rezensentin
- Sympathiesteuerung mittels Stereotypisierung: Der junge Syrer bringt den „Wind of Changes“ in die deutsche Routineexistenz und ist natürlich viel netter, lockerer und freier als der trostlose Deutsche in seiner neurotischen Zwanghaftigkeit.
- Frauen? Fehlanzeige. Sie kommen wie so oft nur in der Narration über die Geschichte(n) der Männer vor. Als entführte Schwestern im Theaterstück. Als Opfer systematischer Vergewaltigungen oder in der Kombination „Frauen und Kinder“ in sonstiger Berichterstattung …
Nach dem Theater gab es im Welcome Treff Raum für Gespräche zwischen ZuschauerInnen und Schauspielern und zwischen Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen.
Zum Stück
Darsteller: Soubhi Shami, Emanuele Peters
Regie und Dramaturgie: René Kalauch
Szenografie und Kostüme Amer Okdeh
Konzept und Projektleitung: Jonas Kowalski
Eine Produktion von Complicité in Kooperation mit LOFFT – DAS THEATER und Blühende Landschaften. Gefördert von der Stadt Leipzig, Kulturamt.
Die Theaterabende wurden organisiert von dem Aktionstheater Halle e.V. und der Arabischen Oase.
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