Attrak­tiv und unreif

Zu einer Dis­kus­si­on über Hal­les Was­ser­tou­ris­mus-Kon­zept lud die Stadt­rats­frak­ti­on von Bünd­nis 90/Die Grü­nen am ver­gan­ge­nen Mitt­woch in die Kolo­na­den am Peiß­nitz­haus ein. Noch im April wol­len Pla­nungs­aus­schuss und Stadt­rat besag­tes Kon­zept abschlie­ßend beraten.

Das Papier schlägt Maß­nah­men vor, mit denen die tou­ris­ti­sche Ent­wick­lung in und an den Stadt­ge­wäs­sern wei­ter geför­dert wer­den soll. Ein­füh­ren­de Vor­trä­ge von Chris­ti­an Feigl und Diet­mar Weih­rich bemän­gel­ten feh­len­de Schwer­punkt-Set­zun­gen und die unge­nü­gen­de Zah­len­grund­la­ge des städ­ti­schen Papiers. Bis 2012 stie­gen die Gäs­te­zah­len ste­tig an, 2013 sorg­te das Hoch­was­ser für einen Ein­bruch. Die Zah­len für 2014 lau­fen gera­de erst ein, ins­ge­samt ist aber von einer posi­ti­ven Ent­wick­lung auszugehen.

Das städ­ti­sche Was­ser­tou­ris­mus-Kon­zept hat zwar kon­zep­tio­nel­le Schwä­chen, ent­hält aber auch eine kun­ter­bun­te Fül­le von Ein­zel­maß­nah­men, die in den Kolo­na­den kon­tro­vers dis­ku­tiert wur­den. Die beab­sich­tig­te Öff­nung von Wil­der Saa­le und Mühl­gra­ben für "mus­kel­be­trie­be­ne" Was­ser­fahr­zeu­ge lässt vor allem Natur­schüt­zer auf­hor­chen. Die Beräu­mung der Wil­den Saa­le von Unrat wird zwar begrüßt, aber die Nord­spit­ze der Peiß­nitz soll­te min­des­tens durch Bojen­ket­ten was­ser­sei­tig dau­er­haft gesperrt wer­den. Der neue Fähr­an­le­ger am MMZ wird von den Grü­nen mehr­heit­lich begrüßt und als einer jener "Leucht­tür­me" gerühmt, die Stadt­be­su­cher spon­tan beein­dru­cken könnten.

Den neu­en Stadt­ha­fen hin­ge­gen sehen die Grü­nen Par­tei­gän­ger am fal­schen Stand­ort, 50 wei­te­re Lie­ge­plät­ze für Kajüt- und Sport­boo­te im Sophi­en­ha­fen gin­gen wohl am Bedarf vor­bei. Auch der dort geplan­te Biwak­platz bekam eine schlech­te Pro­gno­se. Bereits jetzt beschwe­ren sich Anwoh­ner vom nörd­li­chen Ende der Hafen­stra­ße über den zu erwar­ten­den Lärm der Cam­per. Die Peiß­nitz­haus-Akti­ven hät­ten ger­ne einen Cam­ping­platz an ihrem Stand­ort, bekom­men ihn aber wahr­schein­lich nicht, weil die­ser auf dem Sand­an­ger in ein aus­ge­wie­se­nes Über­flu­tungs­ge­biet gebaut wer­den soll.

Die Stadt­ver­wal­tung will den Sophi­en­ha­fen durch eine lan­ge geplan­te Fuß­gän­ger­brü­cke an der Franz-Schu­bert-Stra­ße auf­wer­ten. Das wird auch The­ma des gleich­zei­tig im Stadt­rat zu bera­ten­den Frei­raum- und Wege­kon­zepts sein. Mit Was­ser­ta­xis könn­te man sich pro­blem­los anfreun­den. Geplan­te Slip­an­la­gen und Umtra­ge-Mög­lich­kei­ten für klei­ne­re Boo­te müss­ten auf ihre Prak­ti­ka­bi­li­tät geprüft werden.

Die Öff­nung des Mühl­gra­bens auf gan­zer Län­ge für klei­ne Boo­te und Padd­ler wird als pro­ble­ma­tisch ange­se­hen, auch weil Neu­müh­le und Stein­müh­le in Pri­vat­be­sitz sind. Unge­üb­te Was­ser­wan­de­rer wür­den beim Pas­sie­ren der Schwar­zen Brü­cke und der B80-Brü­cken im jet­zi­gen Zustand ihr Leben ris­kie­ren. Die Attrak­ti­vi­tät der Mühl­gra­ben-Stre­cke wird gese­hen, auch eine Schiff­bar­ma­chung des Mühl­gra­bens an der Stein­müh­le sei wün­schens­wert. Dafür müss­te frei­lich die Flä­che der Stein­müh­le in das "Soziale-Stadt"-Planungsgebiet ein­be­zo­gen wer­den, was z. Z. wohl nicht vor­ge­se­hen ist.

Kul­tur­ange­bo­te für Was­ser­tou­ris­ten sind immer noch dünn gesät. Dabei war die Saa­le am Gie­bichen­stein ein­mal als das "Gesta­de der Roman­tik" bekannt, mit Eichen­dorff-Bank, Jahn-Höh­le, Gra­fen-, Rit­ter-, Künst­ler-, Stu­den­ten- und Räu­ber­ge­schich­ten ohne Ende. Auch das Mar­ke­ting liegt im Argen: neue Was­ser­wan­de­rer kom­men oft­mals nur durch Mund­pro­pa­gan­da nach Hal­le. Das Stadt­mar­ke­ting kann es wohl wirk­lich nicht, um so wich­ti­ger ist die Ein­bin­dung in das Lan­des­pro­gramm "Blau­es Band", die aber auch unvoll­stän­dig und ver­al­tet daher kommt.

Ins­ge­samt schätz­ten die Grü­nen und ihre Gäs­te Hal­les Was­ser­tou­ris­mus-Kon­zept als "unreif" ein. Es dür­fe im Stadt­rat nicht ein­fach "durch­ge­winkt und dann abge­hef­tet" wer­den, son­dern müs­se aktiv wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den, eine Eigen­dy­na­mik ent­wi­ckeln usw. Die Dis­kus­si­on im Stadt­rat ver­spricht inter­es­sant zu wer­den. Seit das DuMont-Fern­se­hen die Sit­zun­gen nicht mehr über­trägt, muss man wie­der selbst hin­ge­hen: am Mitt­woch, dem 29. April, ab 14.00 Uhr im Fest­saal des Stadt­haus, Marktplatz .

Diet­mar Sievers

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