Nachdem die EU-Generaldirektion Umwelt im März 2015 verlangte, eine Alternativroute zur geplanten Autobahn A 143 zu prüfen, untersuchen nun Planer eine Ausweichvariante im nördlichen Saalekreis. Aber auch die 10 km längere Ausweichvariante würde große Zerstörungen anrichten."Alternativprüfung im Raum Dobis - Wettin" nennt die federführende DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) dies auf ihrer Webseite. Denn genau weiß man nur, dass die Ausweich-Variante zwischen Dobis und Wettin hindurch führen soll. Die Magdeburger "Volksstimme" veröffentlichte eine grobe Skizze, die die beabsichtigte Streckenführung erahnen lässt.
Ausweichststrecke führt durch Naherholungsgebiete
Danach soll die A 143 ab der bereits fertiggestellten Abfahrt Bennstedt relativ gerade in Richtung Nordwesten geführt werden. Bei Köllme durchschneidet sie die Salzwiesen im Salzatal und schrammt nördlich an der Laweke vorbei. Zwischen Beesenstedt und Zörnitz schwenkt die Trasse nach Norden, überquert südlich oder nördlich von Kloschwitz die Saale und meidet wahrscheinlich die unberechenbare Bergbau-Folgelandschaft nördlich von Wettin. Dadurch führt die Trasse relativ nahe an Dobis, Dössel und Domnitz entlang bis zur Autobahn A 14, wo sie nahe der jetzigen Anschlussstelle "Wettin-Löbejün" eingebunden würde. Neben dem insgesamt beeinträchtigten Landschaftsbild sind zwei Gebiete mit großem Konfliktpotenzial zu erkennen. Einmal im Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) „Salzatal bei Langenbogen“, wo einmalige Salzwiesen, Gewässer und Gewässer-Randstreifen in Gefahr sind. Dann im Raum Kloschwitz, wo ein bis vier landschaftstypische und teilweise geschützte Erosionstäler von der Überbauung bedroht sind. Akut gefährdet ist der Kloschwitzer Grund, bei einer Saalequerung nördlich von Kloschwitz würden auch das Flächen-Naturdenkmal (FND) Mordgrund und das Stengelsholz (2 x FND) in Mitleidenschaft gezogen, teilweise auch die Kühlbachschlucht bei Zörnitz (FND). Auch Bodendenkmäler wie die mittelalterliche Kloschwitzer Wallburg gilt es zu schützen.
Flora, Fauna und Tourismus im Saaletal bedroht
In wohl allen genannten Erosionstälern sind seltene Pflanzen heimisch, geschützte Greifvögel brüten, auf südexponierten Hanglagen befinden sich Trocken- und Halbtrockenrasen. Das FND Erdfälle im Stengelsholz ist durch Auslaugung von Zechstein-Salzen entstanden. Ein Autobahnbau würde den jetzigen Charakter des Salzspiegeltales von Kloschwitz als attraktivem Erholungsgebiet stark beeinträchtigen. Solequelle, Kneipp-Kuranlage, Wanderwege, Naturschönheiten, Zeltplatz, Bootsanleger, das Kirschblütenfest, die einzige geöffnete Gaststätte weit und breit würden mit täglich mindestens 40000 vorbeirasenden Fahrzeugen und ihren Abgasen konfrontiert. Auch an anderen Abschnitten der Ausweichtrasse gilt es, Geschützte Landschaftsbestandteile (GLB) wie die Schachthalden bei Wettin, die Zechsteinhügel und die Kupferschiefer-Halden bei Dobis der Nachwelt zu erhalten. Kleinflächige Schutzgebiete nicht zu vergessen, wie das FND Kalkacker am Nikolausberg bei Köllme mit seinen seltenen Acker-Wildpflanzen oder den GLB Nasswiesen nördlich von Müllerdorf an der Laweke.
Notwendigkeit des A143-Ausbaus fragwürdig
Wichtig ist, sich nicht auf einen Variantenvergleich nach dem Sankt-Florians-Prinzip einzulassen -- Verschon mein Haus/Zünd' andere an --Porphyrkuppen und Muschelkalkhänge gegen Salzwiesen und Erosionstäler. Aus verkehrstechnischer Sicht gibt es keinerlei Notwendigkeit für den Weiterbau einer Westumfahrung Halles, wie im vorigen Jahr ein Gutachten im Auftrag der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bewies. Die hallesche störung berichtete darüber.
Dietmar Sievers
Literatur
- Binnenlandsalzstellen im Schutzgebietssystem Natura 2000 des Landes Sachsen-Anhalt. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, Sonderheft, Halle 2012.
- DEGES Projektseite Nr. 13 http://www.deges.de/Projekte/VDE-Strasse/VDE-Nr.-13-A-38-Goettingen-Halle-und-A-143-Westumfahrung-Halle/
- Ebel, Friedrich u. Robert Schönbrodt. Geschützte Natur im Saalkreis, Halle 1984-1991.
- Geoportal des Saalekreises http://www.saalekreis.de/de/geoportal-saalekreis.html
- Voigt, Sebastian; Astrid Grüttner, Maud von Lampe, Götz Meister und Matthias Stöck (Hrsg.). Landschaften von europäischer Bedeutung im Unteren Saaletal. calendula - hallesche umweltblätter, Sonderheft, Halle 2001.
- Schmidt, Jens. EU verlangt weitere Untersuchungen. Volksstimme Magdeburg, 06.03.2015, S. 1
Fotos: Saale bei Kloschwitz (oben), Salzwiesen (unten), Dietmar Sievers
Die "Alternativroute" kann man wohl nur noch als komplett "krank" bezeichnen. Das hat schon etwas von systematischer Zerstörung, zumal im Bereich Kloschwitz gerade ein paar zarte Andeutungen von Tourismus spürbar sind und das Saaletal hier seine schönsten Stellen aufweist. Die A143 ist eine komplett überflüssige BAB, soweit die Saalequerung betroffen ist. Offensichtlich hat man in Sachsen-Anhalt nichts dazu gelernt. Die alten "Konzepte", die alten Sprüche und wie immer werden die Hoffnungen, die mit der A143 verbunden sind und die als willkommener Propagandatopos herhalten müssen, nicht erfüllt werden. Die A20 ist warnendes Beispiel.