Am Sonntag, dem 18.09.2022 endete das diesjährige Klimacamp der BI Saaletal in Gimritz. Ein breites Programm mit Workshops, Vorträgen, Diskussionen, Musik und Kunst schloss mit einer Demonstration zur Autobahn-Baustelle bei Friedrichschwerz.
Das mittlerweile um die 500 Mill. € teure Bauprojekt der A 143 sieht sich im Moment mit einer Art "neuer Knappheit" konfrontiert. Baumaterialien und Energieträger steigen rasant im Preis oder sind schlicht nicht lieferbar. Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums verkündete am 01.09.2022 in der Mitteldt. Zeitung eine Verschiebung der Baufertigstellung auf unbestimmte Zeit. Am Teilstück der A 143 zwischen der A 14 und Bennstedt soll es nun ganz langsam weitergehen. Doch die Anwohner wollen nicht ewig auf Baustellen leben.
Die Arbeiten an der Talbrücke bei Benkendorf werden durch Materialengpässe verzögert, es fehlt u. a. an Asphalt. Grünbrücken und Grünspangen benötigen kaum Asphalt und können wohl mit wenig Problemen weitergebaut werden. Der Landschaftstunnel „Porphyrkuppen“ südlich von Gimritz kann weiter vorgetrieben werden, Nachschub an Treib- und Schmierstoffen vorausgesetzt. Die Saalequerung bei Schiepzig ist eine einzige große Baugrube, siehe Webcam der DEGES:
https://www.deges.de/projekte/projekt/vde-13-a143/
Die Betonkonstruktionen der Brücken sollen wohl demnächst begonnen werden, ob die riesigen Glasröhren dann geliefert werden können, steht in den Sternen. Das größte Problem ist z. Z. die Stabilisierung des Baugrunds bei Bennstedt. Bis 1939 wurde dort in den Gruben „Sophie“ und „Eintracht“ Braunkohle im Tiefbau gewonnen. Die Hohlräume reichen bis in 60 m Tiefe und wurden kaum verfüllt. Nun sollen die Hohlräume mit einer Zementsuspension geschlossen und die Verfüllungen verdichtet werden. Die Kosten einer ersten Ausschreibung erschreckten die DEGES so sehr, dass sie gleich eine zweite Ausschreibung ankündigte.
Möglich erscheint, dass das Teilstück zwischen Bennstedt und Salzmünde auf Jahre hinaus unvollendet bleibt. Eine "Ertüchtigung" der Landstraße L 173 als Umleitungsstrecke soll wohl gerade geprüft werden, was Dauerstress für die Anwohner in Bennstedt, Köllme, Benkendorf, Salzmünde und Schiepzig bedeuten würde.
Perspektive düster
Die Teilnehmer des Gimritzer Protestcamps fordern weiterhin Baustopp, Rückbau und Verkehrswende. Politisch finden sie dabei wenig Unterstützung, juristisch steht noch eine Klage nach EU-Recht offen, die allerdings keine aufschiebende Wirkung hätte. Die EU-Richter könnten zwar die Zerstörung von Schutzgütern untersagen, aber nicht die Richtung nationaler Verkehrswege-Planung vorgeben.
Wer das Problemprojekt A 143 persönlich in Augenschein nehmen möchte, dem sei ein Ausflug empfohlen – mit dem Fahrrad oder von Halle aus mit den stündlichen Überland-Bussen: mit der Linie 330 bis Gimritz, über die Saale mit der Brachwitzer Fähre und mit der Linie 306 von Salzmünde zurück – oder umgekehrt.
Kunze, Conrad: Deutschland als Autobahn: Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus. Bielefeld 2022.
Sieferle, Rolf Peter: Rückblick auf die Natur: Eine Geschichte des Menschen und seiner Umwelt. Lüdinghausen 2020.
"Aber EU-Richter können den Bauplan aufheben und damit wäre es ein sofortiger Baustopp, der Weiterbau wäre untersagt und im Falle einer schon fertigen Straße, deren Betrieb."
Die Aussichten dafür sind mikroskopisch klein, was auch mehrere Umweltverbände so sehen.
"Die EU-Richter könnten zwar die Zerstörung von Schutzgütern untersagen, aber nicht die Richtung nationaler Verkehrswege-Planung vorgeben."
Ja, eine Verkehrswende können sie nicht vorschreiben. Aber EU-Richter können den Bauplan aufheben und damit wäre es ein sofortiger Baustopp, der Weiterbau wäre untersagt und im Falle einer schon fertigen Straße, deren Betrieb.