Begeg­nung mit Frem­den - Gedan­ken zur Krise

Die der­zei­tige poli­ti­sche Kri­se stellt sich immer mehr auch als Kri­se der Medi­en­ge­sell­schaft her­aus. Schlag­worte mit Signal­cha­rak­ter bestim­men und pola­ri­sie­ren die öffent­li­che Mei­nung. Dif­fe­ren­zierte Zwi­schen­töne gehen dadurch unter. Ver­lo­ren geht vor allem der offe­ne Dis­kurs, das Gespräch als Basis des Mit-Ein­an­der. Unse­re Gesell­schaft darf aber nicht in ein Stamm­tisch- und in ein Regie­rungs­tisch-Lager zer­fal­len. Aus die­sem Grund ver­öf­fent­li­chen wir in einer Serie 'Gedan­ken zur Krise'.

Frem­den begegnen...

von Sieg­fried von der Heide

Seit Anfang Okto­ber sind sehr vie­le, meist jun­ge, Frem­de in Hal­le ange­kom­men. Fast alle kom­men nicht hier­her um zu arbei­ten, wol­len und wer­den aber für eine län­ge­re Zeit in Hal­le blei­ben. Sie lie­gen also „auf den Taschen“ der Stadt und der Steu­er­zah­ler. In klei­nen und grö­ße­ren Grup­pen tau­chen sie im Stadt­bild auf und schau­en sich ihren neu­en Wohn­ort an. Dabei sind sie weder lei­se noch unauffällig.

Für die einen Ange­kom­me­nen wer­den gros­se Par­ties ver­an­stal­tet. Sie wer­den dazu ange­hal­ten ihren Wohn­sitz in die­ser Stadt anzu­mel­den und bekom­men dafür ein Will­kom­mens­pa­ket mit Gut­schei­nen für Thea­ter, Oper, den Zoo und so wei­ter. Sie stär­ken den „Bil­dungs­stand­ort Hal­le“. Wenn erfor­der­lich kommt der Staat (wir also) voll­stän­dig für ihren Lebens­un­ter­halt auf. Für die ande­ren dage­gen wer­den kei­ne Fei­ern aus­ge­rich­tet, maxi­mal „Begeg­nung“ ermög­licht. Sie wer­den "ein­quar­tiert", sie brau­chen und bekom­men Essen und Klei­dung. Sie sind auf Spen­den ange­wie­sen. Wenn sie ihren ers­ten Wohn­sitz in Hal­le anmel­den, sind sie ein Pro­blem. Wenn wir über Bil­dung für Sie reden, dann mei­nen wir Sprach­un­ter­richt. Sie bekom­men Sachleistungen.

Wie kann das eigent­lich sein: Die einen Frem­den sind will­kom­men, die ande­ren machen uns Angst. Wor­an machen wir das eigent­lich fest? Gibt es „Frem­de“ und „Frem­de­re“? Hat Methu­sa­lix recht: Ich habe nichts gegen Frem­de, vie­le mei­ner Freun­de sind Frem­de, aber
die­se Frem­den sind nicht von hier!

Wenn sich Flücht­lin­ge unter­ein­an­der prü­geln ist das eine Bedro­hung. Wenn jede Knei­pen­schlä­ge­rei (auch Stu­den­ten schla­gen mal zu) in den Medi­en Erwäh­nung fän­de, wie wür­den unse­re Nach­rich­ten dann aus­se­hen? Wenn Flücht­lin­ge kri­mi­nel­le Hand­lun­gen bege­hen.... die­sen Satz kann jeder selbst ergänzen.

Zwi­schen Aggres­si­on und Zuwendung

Woher kommt unse­re Angst? Aus der Erfah­rung kann sie nicht her­rüh­ren. Alle Ein­wan­de­rungs­wel­len, die Deutsch­land je erlebt hat, haben die­sem Land mehr Pro­spe­ri­tät und mehr Viel­falt gebracht.
Klar, Angst ist irra­tio­nal, Angst denkt nicht, schon gar nicht nach. Angst ist, dass wis­sen wir von Freud, ein über­le­bens­wich­ti­ger Trieb, neben Aggres­si­on und Lie­be. Bei einem Teil unse­rer Bevöl­ke­rung schlägt Angst in Aggres­si­on um, bei einem ande­ren Teil in Zuwen­dung, sprich Lie­be. In bei­den Rich­tun­gen gibt es mas­si­ve Aus­schlä­ge, sprich Anschlä­ge oder Plüsch­tie­re zur Begrüssung.
Für die einen ist unser christ­li­ches Abend­land von „Über­frem­dung“ bedroht, kom­men Isla­mis­ten und ande­re gefähr­li­che Frem­de hier­her die, wenn sie sich hier erst­mal fest­ge­setzt haben, „machen was sie wol­len“ (Zitat aus einem Inter­view im DLF). Wie ver­werf­lich: „Machen was sie wol­len“ das gehört sich doch nicht für den Bewoh­ner eines demo­kra­ti­schen Staa­tes. Für die ande­ren kom­men arme, hilf­ls­be­dürf­ti­ge Men­schen ins Land um die „man“ sich unbe­dingt küm­mern muss. „Machen was sie wol­len“ fällt also schon wie­der aus. Geküm­mert wird sich wie um klei­ne Kin­der. Essen, schla­fen, ler­nen. Näh­men wir uns etwas Angst, diese
frem­de­ren Frem­den könn­ten uns das eige­ne Den­ken wie­der beibringen.

Kri­ti­scher Dia­log wäre etwas anderes

Heu­te wird PEGIDA ein Jahr alt. Eine gut orga­ni­sier­te klei­ne Grup­pe von poli­ti­schen Akti­vis­ten instru­men­ta­li­siert die Angst der Men­schen für ihre Zwe­cke. Die Teil­neh­men­den wer­den inzwi­schen ein­deu­tig in die „Rech­te Ecke“ gestellt. Das hilft, man muss sich nicht mehr damit aus­ein­an­der­set­zen. „Und wenn ich dann mer­ke das jemand sym­pa­thi­siert, dann distan­zie­re ich mich und will die­sen Men­schen dann nicht mehr sehen.“ (Zitat: eine Akti­vis­tin in der Flücht­lings­hil­fe im DLF). Geschafft. Die Ziel­stel­lung von Extre­mis­ten ist grund­sätz­lich die Pola­ri­sie­rung inner­halb einer Gesell­schaft. Sie haben ihren Mac­cia­vel­li gelernt. Tei­le und herr­sche. Kri­ti­scher Dia­log wäre etwas ande­res. Kri­ti­scher Dia­log setzt vor­aus das man sich sei­ner Argu­men­ta­ti­ons­grund­la­ge sicher ist und die eige­nen Argu­men­te für stark, sprich dis­kus­si­ons­fä­hig hält. Wer Angst hat ist nicht gleich rechts und wer gegen Frem­den­feind­lich­keit auf­tritt nicht zwangs­läu­fig ein Men­schen­freund. Mei­nungs­aus­tausch geht heu­te so:

Du kommst mit dei­ner Mei­nung her­ein und gehst mit mei­ner Mei­nung wie­der hin­aus. Schade.

 

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