Nach öffentlicher Kritik an sinnfreien „Ein-Euro-Jobs“ sind inzwischen auch „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ entstanden, die ein gewisses Niveau erreichen – mehrere davon im Umweltbereich. Dass die Weiterbildungs-möglichkeiten für „Ein-Euro-Jobber“ mit dieser durchaus erfreulichen Entwicklung nicht Schritt halten, durfte ich am eigenen Leibe erfahren:
Im Herbst 2012 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Nutztiergartens Reideburg eine Ein-Euro-Maßnahme „Natur und Umwelt“ aus der Taufe gehoben. Zwangsweise wurde ich dort eingewiesen. Nach anfänglicher Skepsis entwickelten die 20 Teilnehmer der „Maßnahme“ ganz erstaunliche Ideen und Konzepte für die Fläche. Die wissenschaftliche Unterfütterung fehlte ein wenig, aber die könnte man ja günstig per Weiterbildung hinzuerwerben – dachte nicht nur ich.
Ein Mekka zeitgemäßer Umweltpädagogik ist zweifellos Karlsruhe. Die dortige Pädagogische Hochschule hat mit NaDiQuAk (Naturwissenschaftliche Didaktik – Qualifikationslehrgang für AkademikerInnen) eine angesehene Bildungsmarke etabliert, für deren Absolventen Arbeitslosigkeit ein Fremdwort sein soll. Akademiker bin ich und rief auch dort an. Mein Anliegen fand Zustimmung, nur müsste ich mich um einen Teil der Finanzierung selbst kümmern. Die Teilnehmer müssten einen drei- bis vierstelligen Betrag selbst mitbringen, was Jobcenter in Berlin und Hessen auch auf beharrliches Nachfragen hin lockermachen. In den anderen Bundesländern mag man diese Ermessensentscheidung nicht treffen. Um mein Anliegen dem halleschen Jobcenter nahezubringen, rief ich bei dessen Callcenter an. Nach mehreren Versuchen hatte ich endlich einen automatischen Anrufbeantworter erreicht und sagte meinen Spruch auf. Eine Woche später rief mich eine Callcenter-Mitarbeiterin an und ließ sich alles noch einmal erklären.
Weitere zwei Wochen später rief eine Frauenstimme mit unterdrückter Rufnummer bei mir an: Ich bräuchte nicht zu kommen, es handele sich um ein Zusatzstudium, was das Jobcenter nicht fördern könne. Mit Engelsgeduld erklärte ich der anonymen Dame, dass es sich um einen modularen berufsbegleitenden Lehrgang handele, mit wenigen Präsenz-Veranstaltungen an Wochenenden, der größte Teil werde online und im Fernunterricht absolviert. Schließlich konnte ich der Dame auch ihren Namen entlocken: Es handelte sich um Frau R., meine zuständige Fallmanagerin, die mir schließlich doch noch eine Audienz gewährte.
Im nach weiteren drei Wochen angesetzten Gespräch leistete ich wieder Überzeugungsarbeit, doch der Chef der Dame meinte, der Lehrgang sei nicht zertifiziert und damit nicht förderfähig – Ende im Gelände. Dank Bundes-Bildungsprämie und privater Ersparnisse konnte ich die Summe doch noch aufbringen.
Die Pädagogische Hochschule hat inzwischen das Prüfungsverfahren kostenlos gemacht und auch für Teilnehmer des Grundlehrgangs geöffnet, so dass sogar ich die Chance habe, ein echter „NaDiQuAker“ zu werden. Inhaltlich wird nichts zurückgenommen, nur haben jetzt auch Arme diese – nun ja – Aufstiegschance: sozusagen als „Bildungsschnorrer“ doch noch an den Segnungen Merkelscher Bildungsgerechtigkeit teilzuhaben.
Dietmar Sievers