Das Paradies liegt so nahe! Einen ganzen Sommermonat lang verwandelt sich der Kunstkiosk am Reileck in ein Paradies. Die Vorübergehenden können an dessen Werden und Entstehen aktiv mittun. Ausgehend von einer eher unwirtlichen Leerstelle, einer Wüste, sind alle Gäste aufgefordert, den Ort zu beleben, zu einem Paradies zu machen. Außer dem sind alle eingeladen, dieses zu bevölkern und sich dazu fotografieren zu lassen. An fünf Aktionstagen soll das Paradies gemeinsam gestaltet werden. Verantwortliche Initiatoren der Aktion sind der Gestalter Matthias Behne und der Journalist Udo Israel. Letzteren haben wir zum Thema befragt.
Wie seid Ihr auf das Thema Paradies gekommen - hat dich das länger beschäftigt?
Der konkrete Anlass war die Frage angesichts einer Wohnungsauflösung: Was passiert eigentlich mit den Zimmerpflanzen, die Zeuge eines oder mehrerer Leben waren? Welche Geschichten könnten sie erzählen? – Zimmerpflanzen landen für gewöhnlich nicht im An- und Verkauf oder auf dem Trödelmarkt, ihr Schicksal ist meist der Weg ins Jenseits. Was wäre, wenn es einen Ort gäbe für einen Austausch? Die Assoziation zum Paradies lag nahe: Exotische Pflanzen, die sich untereinander Geschichten
zuraunen, zuzwitschern …
Über diese konkrete Vorstellung und Idee hinaus ist das Paradies ein allgemein präsentes Thema und löst auch in religiös kaum geprägten Menschen Assoziationen aus. Die gemeinsame Beschäftigung mit dem Thema anlässlich das aktuellen Projektes begann vor etwa einem Jahr. Im gemeinsamen Austausch wurde schnell deutlich, dass es trotz verschiedener individueller Erfahrungen und Hintergründe der beiden
Akteure einige Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen zum und über das Paradies gab und gibt.
Glaubst Du an oder weißt Du von universelle(n) Paradiesvorstellungen? Ist das für Dich eine mythisch-kulturelle Konstante oder so wie alles eher strictly individuell zu verstehen und dem Wandel unterworfen?
Egal in welcher Religion oder nichtreligiösen Vorstellung, das Paradies stellt immer einen idealen Ort dar. Es ist in gewisser Weise auch eine Utopie oder Sehnsucht. Je nachdem, welche kulturellen Erfahrungen und Prägungen vorhanden sind, variieren die Details in den Vorstellungen.
Insofern unterscheiden sich die Paradiese der Menschen von vor 2.000 Jahren erheblich von denen heutiger Personen. Eine global vernetzte, computeraffine Frau aus Nordamerika hat sicher andere Vorstellungen vom Paradies als ein in Ostafrika lebender Farmer.
Die Installation setzt zunächst ein paar Rahmenbedingungen, die wir für allgemeine Konstanten halten. Im Austausch mit den Besucherinnen und Besuchern lassen sich diese abgleichen: Ist das Paradies tatsächlich immer ein begrenzter Ort? Ist es ein Garten? Besteht die permanente Gefahr, vertrieben zu werden?
Wenn wir uns widersprüchliche Paarungen anschauen: Paradies vs. soziale Realität - Werbung und Kitsch - politische Utopien & Totalitarismen - Siehst Du es als dann möglich an, aus heutiger Perspektive ironiefrei Bilder zum Thema zu schaffen?
„Paradies“ ist nicht in erster Linie ein fertige Installation, sondern ein Angebot zur sozialen Interaktion, zum Austausch. Während Fotoaktionen erzählen Menschen von idealen Momenten. Mit ihrer Kleidung, Körperhaltung oder in Accessoires versuchen sie ihre Gefühle, Träume und Sehnsüchte auszudrücken und festzuhalten. Diese intimen Momente sollen nicht bewertet werden. Die aus den Fotos entstehende Installation lädt ein, sich auf die Reise zu begeben und in Details persönliche Geschichten von Hoffnung und Glück zu entdecken. Wir wünschen uns, dass unsere Gäste die Verschiedenheiten akzeptieren und die Träume und Sehnsüchte anderer ernst nehmen.
Paradies - eine Ausstellung von Matthias Behne und Udo Israel
vom 23. Juni bis 26. Juli 2018
Aktionstermine:
Tag 1 (Sa 23. Juni 2018, 14-17 Uhr): Vermessung des Paradieses
Tag 5 (Mi 27. Juni 2018, 16 Uhr): Verlesung des Paradieses
Tag 14 (Fr 6. Juli 2018, 19 Uhr): Anschauung des Paradieses
Tag 23 (So 15. Juli 2018, 17 Uhr): Beschallung des Paradieses
Tag 34 (Fr 26. Juli 2018): Vertreibung des Paradieses