Gesetze selber auf den Weg bringen anstatt sie von Regierungen und Lobbyisten sich vorsetzen zu lassen? Seit 17 Jahren ist Werner Küppers für diese Vision mit dem OMNIBUS für Direkte Demokratie in Deutschland unterwegs. Beim letzten Stopp in Halle redeten wir mit ihm.
Herr Küppers, wie kann der OMNIBUS zu Ihnen und wie kamen Sie zum OMNIBUS ?
Der Künstler Joseph Beuys war ein ganz wichtiger Impulsgeber für diese Arbeit. Ich hatte das Glück, ihm 1972 zu begegnen. Damals auf der documenta 5 hatte er die Frage der Demokratie in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Das war der Ausgangspunkt. 30 Jahre später bin ich dann wieder mit dem OMNIBUS und mit dem Verein 'Mehr Demokratie e.V.' in Berührung gekommen, und auch mit Beuys' engstem Mitarbeiter Johannes Stüttgen.

Der Omnibus im Jahr 2018 vor der Ulrichskirche zu Halle
Und dann im Jahr 2000 hat dieser Omnibus seine Jungfernfahrt in Thüringen gemacht, wo es damals das erste Volksbegehren in den neuen Ländern gab. Weil ich jemand bin der gern wirksam in das Geschehen eingreift, wurde mir bewusst, dass ich diesen Omnibus fahren könnte. Und ich muss sagen dass ich sehr gern in den neuen Bundesländern unterwegs bin. Wenn man aufmerksam hinschaut, kann man sehen, was die Arbeit im Vergleich zum Konsum für eine Bedeutung in der DDR gehabt hat. Das war ein ganz anderes Größenverhältnis, auch wenn es heutzutage immer mehr nur noch um Konsum geht.
Ja, das ist die Rolle, die man den neuen Bundesländern zugeschrieben hat und das ist ja auch nachhaltig schiefgegangen, wie die Wahlergebnisse im Osten zeigen. Sie kommen gerade aus dem Norden von Sachsen-Anhalt, aus Stendal. Wie ist es ihnen dort ergangen?
Ich war zum ersten mal in den 17 Jahren ganz alleine unterwegs. Das bedeutete, dass ich in Stendal ein ziemlich gutes auch qualitatives Ergebnis hatte weil da wirklich Gespräche zustande gekommen sind.
"Wenn sie Demokratie als quantitatives Phänomen sehen, dann bedeutet ja '51 schlägt 49' eine Metapher für Krieg."
Es geht ja hier einerseits um Unterschriftensammlung, was etwas Quantitatives ist. Wenn sie aber Demokratie ausschließlich als quantitatives Phänomen sehen, dann bedeutet ja '51 schlägt 49' eine Metapher für Krieg. Ich will aber auf etwas anderes hinaus und möchte breitbandig in Kontakt treten mit den Menschen. Und nach meiner Erfahrung ist es gut für meine Arbeit, wenn alles ein bisschen ruhiger abläuft und der Konsum nicht so im Vordergrund steht, wenn auch gewachsene Strukturen da sind wie eben in Stendal.
Die Forderung nach direkter Demokratie und Volksabstimmung wird momentan von vielen Seiten aufgegriffen, von den Piraten zum Beispiel oder der neuen Partei 'DiB'. Wir haben aber auch die Rechtspopulisten, die das Wort Volksabstimmung aufs Plakat schreiben. Für welches Demokratie-Modell steht nun genau dieser OMNIBUS ?
Sie müssen auch den Verein 'Mehr Demokratie e.V., unsere Schwesterorganisation mit hinzurechnen. Das ist die Bewegung für direkte Demokratie, die jetzt seit über 30 Jahren an diesem Thema arbeitet und die natürlich auch das meiste Wissen darüber hat.
"Wir haben gegen den zähen Widerstand der Parteien in jahrzehntelanger Arbeit erreicht, dass auf der Bundeslandebene und auf der Gemeindeebene gesetzliche Regelungen für Abstimmungen existieren."
Für das von uns vertretene Modell haben wir uns mit Verfassungsjuristen und Schweizer Freunden zusammengetan. Wir haben ja gegen den zähen Widerstand der Parteien jetzt in jahrzehntelanger Arbeit erreicht, dass auf der Bundeslandebene und auf der Gemeindeebene überall gesetzliche Regelungen für Abstimmungen existieren. Die sind in allen Bundesländern unterschiedlich und man muss auch sagen unterschiedlich schlecht, weil sie nirgendwo wirklich anwendungsfreundlich sind. Das liegt daran, dass die Parteien das fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Und das wird es auch niemals geben wenn wir da auf die Parteien warten.
Als Wahlbürger habe ich keine Möglichkeit, die gewählten Kandidaten wieder abzuberufen, wie es zum Beispiel in einer Rätedemokratie vorgesehen wäre, geschweige denn eigene Gesetze einzubringen. Wie gestaltet sich nun die Mehr-Demokratie von 'Mehr Demokratie e.V.'?
Unser Vorschlag sieht ein dreistufiges Verfahren vor, bestehend aus Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Dabei geht es immer nur um Sachfragen. Der Ausgangspunkt ist immer ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf, mit dem sich jeder auf den Weg machen kann. Dazu muss man natürlich andere Menschen finden und ein Aktionsbündnis bilden. In der Volksinitiative müssten dann 100.000 Stimmen gesammelt werden. Diese bedingen, dass der Bundestag sich mit diesem Vorschlag auseinandersetzen muss und der Initiative auch ein Rederecht einräumen muss. Und an dieser frühen Stelle findet auch eine sogenannte Verfassungsprüfung statt, die dann alle Verfahren die jetzt den Menschenrechten oder dem Grundgesetz widersprechen, an der Stelle beenden würde.
Wie ginge es dann weiter und welche Rolle hätte dabei das Parlament?
Wenn das Parlament den Vorschlag nicht übernimmt, kann die Initiative das Volksbegehren starten und das ist dann die Frage an alle Bürger gerichtet: Findet ihr diese Frage bedeutsam und wollt ihr darüber entscheiden? Und in dem Moment wo eine Million Bürger mit ihrer zertifizierten Unterschrift sagen dass sie ein Thema wichtig finden soll es am Ende auch zum Volksentscheid kommen. Das Parlament kann bei Ablehnung dazu auch einen Gegenvorschlag zur Abstimmung stellen.
"Es gibt ein Wahlgesetz, das die Wahlen regelt, aber es gibt bis heute keinen Abstimmungsgesetz, was die Abstimmungen regeln würde."
Zwischen Volksbegehren und Volksentscheid sind noch einmal 6 Monate Zeit wo das Thema diskutiert werden kann. So schafft man überhaupt die Voraussetzung für demokratisches Handeln. Diese Fähigkeit wäre eigentlich die vornehmste Aufgabe von Schule, den mündigen Bürger hervorzubringen. So kann man praktisch Demokratie erlernen. Da will auch niemand an die Macht, da geht es nicht um Personen da geht es nicht um Einzelinteressen.
Gibt es ein erfolgreiches Beispiel aus anderen Ländern, die an dieser Stelle weiter sind als wir in Deutschland?
Ich habe jetzt ein ganz schönes Beispiel erlebt mit der Volksabstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen, die in der Schweiz stattgefunden hat. Der Daniel Häni, der das gestartet hat, ist ein guter Freund von mir und der beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema BGE. Vor fünf Jahren hat er gedacht, jetzt ist die Zeit gekommen, ich möchte das mal hier in die Gesellschaft einbringen, und dann haben die wunderbare Aktionen gemacht. Die Schweizer haben ein Verfahren, was bei uns Volksbegehren heißt, das heißt bei denen Volksinitiative. Am Ende haben 26% mit Ja gestimmt, und das Ergebnis was er sich gewünscht hat ist um mehr als das Doppelte übertroffen worden.
"Seit 1949 steht im Artikel 20: 'Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus'. Da ist überhaupt nicht die Rede von Parteien."
Es ist ihnen gelungen damit global ein Thema zu setzen, weil es war in Tokio, in New York, in London auf den großen Schirmen zu sehen. Nur die deutschen Medien haben das mal wieder nicht geschnallt und haben geschrieben „Schweizer Grundeinkommens Initiative krachend gescheitert“. Das ist eben genau von der falschen Seite betrachtet.
Was müsste denn nun geschehen, um dieses Modell in der politischen Wirklichkeit zu verankern? Müssten wir den jetzigen Bundestag dazu bringen eine entsprechende Grundgesetzänderung vorzunehmen?
Nein, keine Grundgesetzänderung, sondern einen grundgesetzlichen Auftrag zu erfüllen, denn das Recht steht schon da und ich bin fassungslos dass wir das als Bürger nicht begreifen. Seit 1949 steht im Artikel 20: 'Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus'. Da ist überhaupt nicht die Rede von Parteien. Und dann geht es weiter: 'Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt', Das steht da gleichwertig nebeneinander. Es gibt ein Wahlgesetz, das die Wahlen regelt, aber es gibt bis heute keinen Abstimmungsgesetz, was die Abstimmungen regeln würde.
Nun hat ja Joseph Beuys als Initiator die Grünen mitbegründet. Welche parlamentarische Kraft trägt denn diese Idee heute in den Bundestag? Gibt es überhaupt einen Abgeordneten der da das so vertritt?
Die Grünen waren damit angetreten, aber die haben eben wie ein absurdes Theaterstück vorgeführt, was die Sachzwänge bei einer Partei sind. Die haben Belgrad bombardiert. Das muss man sich mal vorstellen. Eine Partei muss nach dem Machterwerb streben und dem wird alles andere untergeordnet. Alle Parteien, die keine Macht Option haben, also Piraten und Linkspartei, haben eins zu eins diesen Vorschlag übernommen. In dem Moment wo die eine Machtoption haben ist es damit vorbei. Das sind die Mechanismen. So läuft das mit den Parteien.
"Solange die direktdemokratische Praxis nicht auf Bundesebene nicht geregelt ist, kommen wir an die bedeutsamen Fragen überhaupt nicht heran."
Auf der anderen Seite gibt es eine ganz lebendige direktdemokratische Praxis auch in Deutschland Denn es gab schon über 7.000 Bürgerbegehren in den Städten und Gemeinden, und es gab auch mehrere hundert Initiativen für landesweite Volksabstimmungen, die Themen aufwerfen die dringend angefasst werden müssen. Nur solange das auf der Bundesebene nicht geregelt ist kommen wir an die bedeutsamen Fragen überhaupt nicht heran.
Nun sitzt mit der AfD eine rechte Partei im Bundestag, die tatsächlich das Thema 'Volksabstimmung nach dem Schweizer Modell' als eine Hauptforderung im Programm stehen hat. DiB - eine andere Partei aus der Mitte, die das gefordert hat, ist mit 0,5% draußen geblieben. Haben die Rechtspopulisten trotz allem das Potential zumindest das Thema zu vertreten, oder bewirken sie das Gegenteil - indem sich alle Demokraten davor erschrecken und wieder das alte Schreckgespenst vom 'Pöbel' fürchten?
Ja das ist das ist die Problematik. Ich habe mich sehr über diese Plakate geärgert, weil ich sehe überhaupt keinerlei glaubhaften Ansatz und noch nicht mal Grundwissen über direkte Demokratie bei der AFD. Die sind mit dem Thema nur auf Stimmenfang gegangen. Und auf der anderen Seite ist ja immer mehr zu beobachten dass das Wählen zum Selbstzweck erklärt wird.
"Jemand der nicht wählen geht der kann gute Gründe haben, denn die Verantwortung bleibt ja bei uns."
Es kam ein Kinospot, made in Germany, nette wogende Kornfelder und sowas und ich weiß nicht wer das finanziert hat, Der Spot sagte: „Geht bloß wählen!“ und so nebenher hat er noch gegen die AFD gehetzt. Das finde sehr heuchlerisch auch von den sogenannten Volksparteien dass die dann auch Menschen ausgrenzen von vornherein. Das ist das Gegenteil von Kommunikation - und da werden doch diese Fronten aufgebaut. Und wenn man den Ton betrachtet mit dem über Pegida und über AFD gesprochen wird dann kommt da für mich eine Selbstgerechtigkeit und Menschenverachtung raus. Jemand der nicht wählen geht der kann gute Gründe haben, denn die Verantwortung bleibt ja bei uns. Also wenn wir uns für vier Jahre entmündigen, dann fallen alle Handlungen die durch die Gewählten veranlasst werden auf uns zurück und wir müssen auch die Konsequenzen tatsächlich tragen.
Sie werden jetzt nach Pegidaland fahren, wo es 30-40 Prozent AfD-Wähler gibt. Wie bereiten sie sich innerlich darauf vor? Ich lese aus ihrem Gebaren dass sie das als emanzipativen Prozess sehen und dass sie das ganz vorurteilsfrei transportieren werden..
Als ich mit dem Omnibus losgefahren bin wurde ich gewarnt vor den Neuen Bundesländern. Da wurde gesagt, da wirst Du gleich von den Nazis angegriffen. Es ist überhaupt nicht passiert. OK, in Bautzen ist der Bus mal angeschmiert worden und in Meißen hat mal jemand eine Scheibe eingeworfen, aber insgesamt ist da gar nichts passiert und ich fürchte mich auch nicht davor. Ich denke immer, die Menschen die zu Pegida gehen, die können nur nicht so aalglatt daherreden, aber sie wissen dass ihre Interessen mit Füßen getreten werden. Aber es gibt immer diese Objektivierungsfalle. Und in dem Moment, wo sie von Flüchtlingen sprechen, sind sie im Endeffekt zu jeder Unmenschlichkeit bereit.
"Als ich mit dem Omnibus losgefahren bin wurde ich gewarnt vor den Neuen Bundesländern."
Wenn aber fragen was ist denn analog im Vollkontakt von Mensch zu Mensch passiert, da könnten Sie hier einen positiven Roman schreiben. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle unmittelbar sehr empathisch und hilfsbereit auf die sogenannte Flüchtlingskrise reagiert. Und mit Gesetzen kann man da sowieso nichts machen, das ist wie eine Naturgewalt. Wenn man eine positive Haltung zu seinen Mitmenschen hat, grundsätzlich, dann brauchen wir nichts zu fürchten. Insofern habe da keine besonderen Befürchtungen, und ich bin irgendwie eher gespannt was passiert weil mir gelingt das auch immer mehr.
( Interview: Jörg Wunderlich, Frank-Uwe Neis )
... außer daß ich Werner Küppers Argumente und das Thema wichtig und unterstützenswert finde, ist mir aufgefallen, daß ich von seinem Stopp in Halle im Vorfeld gar nichts erfahren hab.
Nun will ich nicht behaupten, daß ich alle Veranstaltungs-Quellen verfügbar hab und gewissewnhaft ohne Lücke verfolge, aber ...
Außerdem sind (öffentlich zugängliche) Treffs oder Veranstaltungsankündigungen für die Goldene Rose für mich schlecht und gelegentlich gar nicht zu finden.
Für alle, die in die Breite wirken wollen - was würde sich denn als "zentrale Termin-recherche-quelle" eignen?
Oder seid Ihr alle mit dem Zustand rundrum glücklich und sowieso ausgelastet ?
Horst aus Halle