Gespräch zwischen PennyParker (PP) und Sheendar Yousef (SY)
Oft wird sie erzählt, die Geschichte von Menschen, die aus Angst vor Verfolgung und aufgrund zahlreicher Bedrohungen ihrer Heimat den Rücken zukehren. Dabei sind die Geschichten so vielseitig, wie die Menschen selbst. Oft wird aus der Flucht vor Repression eine neue Unterdrückung geboren. Wir müssen diese Geschichten erzählen, uns austauschen und uns gegenseitig helfen.
So beginnt auch die Geschichte von Sheendar Yousef, einem syrischen Journalisten. Es ist die Geschichte einer Flucht. Was Sheendar erlebt hat, beschreibt er wie folgt:
SY: Ich komme aus Syrien, bin Kurde und Mitglied der Partei Yekiti (Partiya Yekiti Demokrat a Kurd li Suriye) und im kurdischen Schriftstellerverband. Schon bevor der Krieg ausbrach, wurde meine Partei von der PYD (Partiya Yekitîya Demokrat - Partei der Demokratischen Union) und dem Assad-Regime unterdrückt und wir hatten keine Rechte. Ich wollte über die PYD und das syrische Regime schreiben. Deshalb wurde ich verfolgt. Als ich es trotzdem tat, wurde ich verhaftet und das schon lange bevor der Krieg überhaupt begann.
Die PYD ist keine demokratische Partei
PP: Die Verfolgung von Menschen durch die Partei der Demokratischen Union wurde jüngst im AmnestyReport2017 aufgegriffen. Dabei wurden Verstöße durch die Autonomiebehörde unter Leitung der PYD bekannt, die neben der Rekrutierung von Kindersoldaten auch die Zerstörung von Häusern ziviler Personen und die Verfolgung von Mitgliedern des Nationalrates der Kurden thematisiert. Kannst Du uns etwas über die PYD erzählen?
SY: Die PYD ist Mitglied in der Koalition des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel mit ideologischer Nähe zur PKK in der Türkei. Sie strebt einen demokratischer Konförderalismus an. Ihr militärischer Arm ist die bewaffnete kurdischen Miliz YPG/YPJ. Auch HumanRightsWatch kritisierte die PYD wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle und die totalitären Alleinherrschaft der PYD im Norden Syriens.
Die PYD lässt keine Partei neben sich zu, sie wollen die einzige Partei bleiben, gerade in Rojava. Deshalb haben sie auch diese militärische Macht, währenddessen wir gar keine Waffen besitzen. Wir, also die Partei Yekiti, gehören zum Kurdischen Nationalrat (SNC). Der SNC ist eine Koalition von 14 kurdischen Parteien in Syrien, die sich für eine dezentralisierte Regierungsform und die verfassungsrechtliche Anerkennung der kurdischen Minderheit einsetzt. Während die PYD daran glaubt, unsere Rechte nur mit Waffengewalt sichern zu können, glauben wir an den Dialog, also die Diskussion und den Austausch in der Politik als Mittel in unserem Kampf um Befreiung.
Bürokratiekrieg
Als in Syrien der Krieg ausbrach, flüchteten Millionen von Menschen in die Länder, in denen der Krieg weit entfernt schien. Sie wussten nicht, dass in diesen Ländern ein ganz anderer Krieg gegen sie geführt würde. Es ist ein Krieg gegen die Humanität und er wird mit den Mitteln der Bürokratie geführt.
PP: Wie kamst Du nach Deutschland und was war der Auslöser?
SY: Im Oktober 2015 habe ich Syrien verlassen und bin über die Türkei nach Griechenland gereist, um dann weiter über Mazedonien, Serbien, Kroatien und schließlich über Österreich nach Deutschland zu gelangen, da mein Bruder hier lebt und studiert.
Träume aus Papier
SY:Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich zunehmend Probleme hatte, meine Meinung in Syrien frei zu äußern. Ich war ein kurdischer Journalist in Syrien, der seine Meinung nicht aussprechen durfte. Als ich in Deutschland ankam, dachte ich, man würde mir hier zuhören und mich als Menschen respektieren. Denn ich bin hier her gekommen, um zu schreiben und meine Meinung zu sagen, aber ich erlebte die Ankunft ganz anders. Ich merkte, dass ich erst einmal den Kampf mit der Bürokratie aufnehmen musste, bevor ich hier meine Meinung sagen konnte. Die harte Realität, dass es in Deutschland viel mehr Bürokratie gab als in Syrien, erlebte ich wie einen Alptraum. Meine Träume waren voll von Papieren - Asylanträgen, Aufenthaltsgenehmigungen, Streitfällen, Genehmigungen.
PP: Und wie hast Du das Verfahren, um Asyl zu bitten, hier empfunden?
SY: Zum Beispiel die Anhörung. Der Richter saß da, hörte mir zu und ich fühlte mich wie in einem Theaterspiel, in dem die Rollen vorher verteilt wurden, nur ich hatte vorher kein Skript erhalten. Es ist ein Spiel mit der Humanität und diese spielen sie damit tot. Sie verstehen nicht, dass ich nicht hier bin, um zu spielen, sondern um ein neues Leben anzufangen und mich zu beteiligen. Sie verstehen nicht, dass mein Leben davon abhängt hier zu bleiben und auch nicht, was es heißt, verfolgt zu werden.
So suche ich am Ende nach einem Land, dass Menschen respektiert und sie nicht für ihre Politik benutzt, wie es hier der Fall ist. Ich weiss nicht, ob es so ein Land gibt, aber ich suche danach. Zuerst einmal politisch mit einer Kampagne für Rojava. Der Kampf ist für mich noch lange nicht vorbei, aber er bleibt gewaltlos.
#NoFlyZone4Rojava
Sheendar Yousef, geb. 1984, ist ein kurdischer Schriftsteller aus Syrien, der zur Zeit in Halle lebt.
Titelbild: CC BY 2.0-licensed photo by Newtown Graffiti.