Phantastik-Serie aus Halle/S. Schon zum fünften Mal schickt der Hallesche Autor Wilko Müller jr. sein Fräulein Schmidt auf Abenteuerreise. Und immer gilt es, ganz „zeitnah“ die Welt zu retten. Der erste Band erschien 2011, als vermeintliche Maya-Prophezeiungen zum Weltuntergang die Medien füllten.
In „Fräulein Schmidt und die Maske der Mona Lisa“ reisen Antiquar Franz Wichowski und seine geringfügig Beschäftigte Lisa Schmidt nach Mexiko, um sich persönlich dem Unheil entgegen zu stellen. Dabei entpuppt sich das Fräulein als mayanische Mondgöttin Ixchel und die Götter in der Pyramide ähneln biederen Videospiel-Monstern, die mit genretypischer Gewaltanwendung in ihre Schranken gewiesen werden.
2012 macht sich das göttliche Fräulein auf „die Suche nach Atlantis“, dessen Eingang bald auf einer ukrainischen Schwarzmeer- Insel gefunden wird. Im Höhlen- Labyrinth kommt es wieder zu Schwert-Geschnetzel und Ballerei, das Böse unterliegt erwartungsgemäß.
Im 3. Band gönnt Wilko Müller seinen Figuren einen Rückblick in die Renaissance und ins Jahr 2000. In „Fräulein Schmidt und die Reise nach Mexiko“ rettet die göttliche Rasselbande noch ohne buchhändlerischen Beistand und ganz friedlich die Computer-Welt vor dem Jahr-2000-Bug.
In Band 4 erkundet Fräulein Schmidt im Jahr 2013 „das Geheimnis der Pyramiden“. Der Arabische Frühling hat Ägypten erfasst, gleichzeitig sind westliche Forscher dabei, in der Cheopspyramide ein Tor zur Dimension der altägyptischen Götterwelt zu öffnen. Wichowski und Schmidt können das Schlimmste gerade noch verhindern, der verrückte Mayagott Kukulkan wird zu Hackfleisch verarbeitet. Der Antiquar erweist sich hierbei als Hohepriester der Göttin, die zur Leitgottheit des marktradikalen Zeitalters aufsteigt.
Mitte 2013 beunruhigen Syrienkrise und Edward Snowdens Enthüllungen die Welt. In Band 5 machen sich Göttin und Buchhändler auf die Suche nach Massenvernichtungswaffen in Schurkenhand: Fräulein Schmidt und das Schwert des Feuerriesen. Das Schwert Surtalogi, das laut Edda den Weltenbrand entfachen soll, ist verschwunden. Schlimmer noch, ein supergeheimer US-Geheimdienst spioniert die globalisierte Götterwelt aus. Die Spur des verschwundenen Schwerts führt in die Unterwelt, aber in welche? Für eine mittelamerikanische Gottheit kann es nur die neunstufige mexikanische Hölle Xibalbá sein. Die oberste Etage dieser Hölle ist heute mit bestialisch stinkenden Abfällen und Plastikmüll verunreinigt, doch es gibt keine Spur von deren Einwohnern. Die zweite Stufe ist eine Eishöhle, in der fremde Shoggothen Ärger machen, jene unangenehmen Dienerkreaturen des Lovecraftschen Tentakelmonsters Cthulhu. Um nicht zu viel zu verraten, sei nur noch angedeutet, dass es Müllers Helden auch diesmal wieder gelingt, per Videospiel- artiger Schnetzelei die Welt zu retten.
Wenn es anders wäre, hätten wir es wohl schon gemerkt? Insgesamt ist Müllers Buchreihe unterhaltsam geschrieben und fundiert, was Mythologie, Geschichte und Geographie betrifft. Politisch ist sie wohl von so etwas wie Schwejkscher Schläue durchzogen: der Katastrophen-Kapitalismus im Sinne Naomi Kleins wird nicht beim Namen genannt, die gewollten Katastrophen werden aber regelmäßig verhindert und ihre klassenmäßigen Träger als Entscheider kaltgestellt. Doch in der Realität sollte man sich nicht darauf verlassen.
Dietmar Sievers