Gleich hinter der Berliner Brücke beginnt eine andere Welt: Eine Kugel Eis kostet hier 70 Cent, und der Quadratmeter noch 5 Euro. Wir sind in Freiimfelde, ein Stadtviertel in Halle-Ost. 3000 Menschen leben hier, jeder vierte davon ist jugendlich, Kinderarmut und Migrant*innenanteil höher als deutlich höher als anderswo in der Stadt. Und es ist der dynamischste Stadtteil, was Bevölkerungswachstum, Zuzug junger Familien und bürgerschaftliches Engagement angeht.
Zur Eröffnung von Halles erstem Bauspielplatz sind mehr als 30 große und kleine Menschen gekommen. Eine Familie wohnt erst ein paar Tage in Freiimfelde und nutzt die Gelegenheit, hier ihre Nachbarn kennenzulernen. Es duftet nach Waffeln, Kaffee und Kirmeskuchen. Ein paar Kinder zimmern und bemalen große Buchstaben aus Bauholz. B – A – U – S – P.. Von einem Erdhügel erklingen Live-Chancons: „Wenn ich mir was wünschen dürfte“...
Nadine, Mutter und Anwohnerin, engagiert sich im Projektteam. „Im Moment haben wir nur ein mal in der Woche geöffnet, montags von 14-18 Uhr. Wir sind noch in der Etablierungsphase. Später, wenn Stellen und Aufsicht finanziert sind, wird das mehr.“
Kinder planen und bauen selbst
Erste Holzbauten sind aber schon entstanden. Cora ist 10 Jahre jung und hat sich einen eigenen Klettertum mit Leiter gebaut. Ihr Opa, von Beruf Schmied, kümmert sich gerade um die Rutsche die da noch fehlt. Sie gehört zu den 10 Kindern zwischen 3 und 13, die schon regelmäßig herkommen. „Die Kinder planen und bauen hier selber – wir sind nur da um zu helfen. Bauspielplätze haben keinen TÜV und müssen unter Aufsicht gestellt sein.“, erklärt Jo (37) , ein Grundschulpädagoge aus Leipzig, der seit 10 Jahren dort ein ähnliches Projekt begleitet. Sein Verein KiWest e.V., für den er arbeitet, ist nun auch in Freiimfelde als Träger aktiv. Das Konzept ist um 1968 in Westberlin entstanden und hat sich von dort aus in Westdeutschland verbreitet - und nach 1989 dann auch im Osten, erzählt Jo weiter.
Teil eines Bürgerparks-Areals
Eine flatternde Wimpelkette grenzt das 450 Quadratmeter große Bauspielplatz-Areal provisorisch von der übrigen Brache ab, auf der nun ein Bürgerpark nach Ideen der Anwohner*innen entsteht.
Schotter für einen Bolzplatz ist schon gewalzt, erste Beete der Nachbarschaftsgärten angelegt, und ein selbstgemauerter Pizzaofen ist regelmäßig Mittelpunkt bei Arbeitsfesten.
„Jetzt ernten wir die Früchte der langen Vorarbeit.“ sagt Elena vom Bauspielplatzteam, die seit sechs Jahren in Halle lebt und mit einem Gartenkunstprojekt gerade ihr Kulturpädagogik-Studium abschließt. Unzählige Planungs- und Sponsoren- und Flächennutzungsrunden habe es seit Oktober mit den Beteiligten des Projektes gegeben. Das sei so intensiv, als ob man ein neues Wohnhaus bauen würde´, erzählt die Multiaktivistin aus der Innenstadt, die sich auch im Hasi-Verein und in der Stadtgarteninitiative florapolis engagiert.
"In der Hafenstraße sieht die Welt anders aus.“
Elena ist froh über das Erreichte in Freiimfelde, wo viele Nachbarschaftsinitiativen mit der Stadt auf Augenhöhe ihr Viertel entwickeln und wandeln. Sie befürchtet aber, dass dies nur so etwas wie ein Ausnahme-Vorzeigeprojekt ist. „Es gab halt auch einen großen Pott mit Geld, der nur hier ausgeschüttet wurde. In der Hafenstraße sieht die Welt ganz anders aus.“ Dort hätten Investoren alle Brachen aufgekauft. Angestammtes Gewerbe wie eine Autowerkstatt aber auch Soziokulturprojekte wie die Rockstation müssten nun weichen. Elena und die anderen wirken nicht so, als würden sie sich mit dem Erreichten allzu schnell zufrieden geben. Das (Stadt)leben ist eine Baustelle!
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