Gesichtsverlust/ Künst­ler­haus 188/ aktua­li­siert am 20. Mai '14

*** aktua­li­siert am 20. Mai 2014: Stel­lung­nah­me des AKI zur Ableh­nung des Abbruchs des Böll­ber­ger Wegs 188/ Abriss des Künst­ler­hau­ses 188- GRÜNE begrü­ßen ver­wei­ger­te Geneh­mi­gung durch die obers­te Denk­mal­schutz­be­hör­de. Die Pres­se­mel­dun­gen fin­det ihr unten***

Gesichts­ver­lust

Auch eine Stadt hat ein Gesicht zu ver­lie­ren. Die Stadt Hal­le hat ihres ohne vie­le Brand- und Bom­ben­wun­den durch die Zeit­läuf­te und den letz­ten Krieg gebracht, bis in die acht­zi­ger Jah­re des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts war die his­to­ri­sche Alt­stadt noch fast voll­stän­dig erhal­ten. Nach 1987 wur­de sie zu gro­ßen Tei­len ver­nich­tet und durch eine gesichts­lo­se Innen­stadt­be­bau­ung ersetzt. 100 Jah­re frü­her muss­ten die klei­nen, krum­men alten Häu­ser in der ehe­ma­li­gen Vor­stadt Glau­cha, einem Armen- und Arbei­ter­vier­tel, schön­ge­sich­ti­gen Wohn­häu­sern im Grün­der­zeit­stil wei­chen. Aus die­ser Zeit stammt auch das Haus Böll­ber­ger Weg 188, am Süd­west­rand Glauchas: die Wein­gär­ten­schu­le. Das als Schu­le von Anton Kre­ke ent­wor­fe­ne, 1892/93 gebau­te und bis in die 1980er Jah­re auch als Schu­le genutz­te Gebäu­de ist DER Blick­fang an der öden und deso­la­ten Ecke Tor­stra­ße, Glaucha­er Stra­ße, Böll­ber­ger Weg. Blick nach Nor­den: die fla­che Bara­cke eines Kin­der­gar­tens, die zer­stör­te Glaucha­er Stra­ße mit ihrer ent­blöß­ten Ost­sei­te, Indus­trie­rui­nen und die DDR-Beton­wohn­burg auf der West­sei­te. Blick nach Süden: Bra­che, das Obdach­lo­sen­heim, die Invest­rui­ne des Sport­pa­las­tes. Nichts, wo das Auge ver­wei­len möch­te. Gäbe es nicht die­ses Haus, in des­sen Gestal­tung noch der Geist unse­res gro­ßen Vor­zei­ge­bau­meis­ters Schin­kel (der hat den unver­putz­ten Klin­ker in Deutsch­land hof- und salon­fä­hig gemacht) weht: eine schön geglie­der­te Klin­ker­fas­sa­de in freund­li­chen, war­men Far­ben, gro­ße Seg­ment­bo­gen­fens­ter, die viel Licht in die hohen Räu­me las­sen – einst­mals in die Klas­sen­zim­mer der Volks­schu­le, ab 1985 in die Ate­liers und Werk­stät­ten der Künst­le­rIn­nen im Künst­ler­haus 188. Wenn das Haus fällt und einer lang­wei­li­gen Stra­ßen­bahn­tras­se wei­chen muss, dann erlei­det das Gesicht unse­rer Stadt eine böse, unheil­ba­re Ver­let­zung. Und es wird ärmer, lang­wei­li­ger. Pass auf dein Gesicht auf, Diva!

Mari­an­ne Heukenkamp
P.S. Das schö­ne Erfurt hat­te das­sel­be Pro­blem mit den För­der­mit­teln für die Stra­ßen­bahn und hat dafür eine Lösung ohne Abris­se gefun­den. Es geht.

Foto: Strei­fin­ger

Das Künst­ler­haus 188. ehem. Wein­gär­ten – Ein Buch für den Erhalt des his­to­ri­schen Gebäudes/ Ende ver­gan­ge­ne Woche hat der Hasen­ver­lag in Hal­le ein Buch her­aus­ge­bracht, wel­ches sich mit der Bau­ge­schich­te des „Künst­ler­hau­ses 188“ und der damit ver­bun­den Sozi­al­ge­schich­te des Glaucha­er Vier­tels beschäftigt.“Für immer Feri­en? Das Künst­ler­haus 188. 120 Jah­re Wein­gär­ten­schu­le” von Die­ter Dol­g­ner, Hans-Chris­ti­an Riecken und  Simo­ne Trie­der. Das Vor­wort haben Enga­gier­te des Arbeits­kreis Innen­stadt, Hen­ryk Löhr und Chris­ti­an Feigl, geschrieben...

Dazu ein Audio­bei­trag auf lokal.radiocorax.de/das-kuenstlerhaus-188-ehem-weingaerten-ein-buch-fuer-den-erhalt-des-historischen-gebaeudes/

Stel­lung­nah­me des AKI (Arbeits­kreis Innen­stadt e.V.) zur Ableh­nung des Abbruchs des Böll­ber­ger Wegs 188 vom 21. Mai 2014

Dass Kul­tus­mi­nis­ter Ste­phan Dor­ger­loh den Abriss der ehe­ma­li­gen Wein­gär­ten­schu­le am Böll­ber­ger Weg 188 abge­lehnt hat, ist eben­so erfreu­lich wie fol­ge­rich­tig. Das Denk­mal­schutz­ge­setz des Lan­des Sach­sen-Anhalt sieht nicht vor, intak­te Bau­denk­ma­le – zumal in öffent­li­cher Hand – zu opfern, um mit aus­ge­klü­gel­ten Plan­spie­len För­der­gel­der zu kas­sie­ren. Erschre­ckend war die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der die Stadt­ver­wal­tung, Tei­le des Stadt­ra­tes, die HAVAG und der Betrei­ber­ver­ein des Künst­ler­hau­ses davon aus­gin­gen, nach Belie­ben über das Denk­mal ver­fü­gen und einen bemer­kens­wert brei­ten Bür­ger­pro­test igno­rie­ren zu kön­nen. Nun ist ein respek­ta­bles Zei­chen gesetzt, das kul­tu­rel­le Erbe ernst zu neh­men. Statt das Schei­tern ihrer Tak­tik zu bekla­gen, soll­ten alle Betei­lig­ten jetzt nach geset­zes­kon­for­men Lösun­gen suchen. Wenn der Wil­le da ist, wird sich sowohl eine prak­ti­ka­ble Ver­kehrs­füh­rung als auch ein trag­fä­hi­ges Nut­zungs­kon­zept für das Bau­denk­mal ent­wi­ckeln las­sen. Der Arbeits­kreis Innen­stadt begrüßt die Ent­schei­dung zum Erhalt des 188 sehr und freut sich auf eine kon­struk­ti­ve Dis­kus­si­on zur Zukunft des Hau­ses sowie des Böll­ber­ger Weges.

Hen­ryk Löhr/ Chris­ti­an Feigl

Pres­se­mit­te­lung vom 20. Mai 2014: Abriss des Künst­ler­hau­ses 188 - GRÜNE begrü­ßen ver­wei­ger­te Geneh­mi­gung durch die obers­te Denkmalschutzbehörde.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hal­le set­zen sich seit lan­gem nach­drück­lich für die denk­mal­ge­schütz­te frü­he­re Wein­gär­ten­schu­le ein. Immer wie­der haben wir eine ernst­haf­te Prü­fung der Mög­lich­kei­ten für deren Erhalt gefor­dert. Die jetzt erfolg­te Ver­wei­ge­rung der Abriss­ge­neh­mi­gung für das Künst­ler­hau­ses 188 durch die obers­te Denk­mal­schutz­be­hör­de begrü­ßen wir daher ausdrücklich.

Der Stadt­vor­sit­zen­de Dr. Sebas­ti­an Kra­nich erklärt dazu: "Der Denk­mal­wert die­ses Bau­werks steht außer Fra­ge. Es ist nicht irgend­ein altes Haus, auf das Hal­le leicht­hin ver­zich­ten könn­te. Mit sei­ner qua­li­täts­vol­len Archi­tek­tur prägt es das auf­stre­ben­de Glaucha­vier­tel." Und wei­ter: "Der mehr­heit­lich von CDU, SPD und FDP im Stadt­rat gefäll­te Beschluss zum Abriss ist jetzt gestoppt. Dar­über freue ich mich mit allen Hal­len­se­rin­nen und Hal­len­sern, denen die frü­he­re Wein­gär­ten­schu­le am Her­zen liegt."

Stadt­rat Chris­ti­an Feigl (Mit­glied im Pla­nungs­aus­schuss) ergänzt: "Ich freue mich sehr über die uner­war­tet kla­re Ent­schei­dung des Lan­des­ver­wal­tungs­am­tes. Die so über­nom­me­ne denk­mal­schüt­ze­ri­sche Ver­ant­wor­tung ist nach den vie­len in der lan­gen Dis­kus­si­on vor­ge­brach­ten Argu­men­ten zum Schutz des Hau­ses und zu denk­ba­ren ver­kehr­li­che Alter­na­ti­ven fol­ge­rich­tig. Nun geht es in der Tat dar­um, dass ich alle Betei­lig­ten an den gefor­der­ten Run­den Tisch set­zen und aus­lo­ten, wie ein Aus­bau des Böll­ber­ger Wegs unter den Bedin­gun­gen des Stadt­bahn­pro­gramms bei gleich­zei­ti­gem Erhalt die­ses wert­vol­len Gebäu­des mög­lich wird."

Dr. Sebas­ti­an Kranich/ Stadtvorsitzender
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hal­le (Saa­le)

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