Es tut sich doch etwas in Sachen fahrradfreundliche Stadt. Der Stadtrat hat im Oktober 2013 ein neues Radverkehrskonzept beschlossen, dass bis 2025 gelten soll. Das alte Konzept stammt aus dem Jahr 1995 und ist Schuld daran, dass es überhaupt so viele Radwege in Halle gibt. Dass die in den letzten Jahre nur noch vor sich hin bröckeln ist nicht zu übersehen, gut also, dass es ein neues Konzept gibt. Doch was steht eigentlich drinnen? Zunächst wird richtig bemerkt, dass noch viel zu tun ist. Auch das 1995er Konzept wurde nur in wenigen Teilen umgesetzt. So ist nun immer noch vorgesehen, lange und durchgehende Fahrradachsen durch die Stadt zu schaffen: Neustadt-Altstadt-Reideburg, Silberhöhe-Altstadt, Ammendorf-Hauptbahnhof-Altstadt, Seeben-Trotha-Altstadt, Heide Süd-Paulusviertel.
Auch soll es das Fahrradparkhaus am Bahnhof geben und bessere Beschilderung. Schon 2009 hat der Stadtrat beschlossen, bis 2014 Eintausend moderne Fahrrad-Stellplätze in der Stadt zu schaffen.Das lässt hoffen. Außerdem geplant sind Griffe an Ampeln, zum festhalten, Pumpstationen und eine Werbekampagne für den Umstieg vom Auto aufs Rad. Nicht ganz einleuchtend ist die Verzögerung beim geplanten Leih-Rad-System (Das ist wie Teilauto, nur für Fahrräder). Das soll eine große Station am Bahnhof haben, beim geplanten Fahrradparkhaus. Wie viele andere Städte zeigen, lebt so ein Leihradsystem aber gerade von vielen kleinen dezentralen Stellplätzen. Man möchte das Rad ja nicht immer abgeben, wo es ausgeliehen wurde, sondern vielleicht nur vom Markt nach Hause fahren oder andersherum. Es heißt, dass es für das Leih-Rad-System kein Fördergeld vom Bund gebe. Das ist Quatsch, denn Anbieter wie die Bahn und Nextbike verdienen durchaus Geld mit dem Verleih. Nextbike wünscht sich üblicherweise zumindest die ideelle Unterstützung der Stadt, bevor investiert wird. Da hapert es anscheinend noch...
Was fehlt: Gefahrenstellen werden nicht sofort entschärft.
Im Konzept fehlt gänzlich die Entschärfung von Gefahrenstellen. Viele Menschen trauen sich gar nicht aufs Rad oder fahren nur wenige Strecken, weil ihnen Ecken wie das Steintor oder die Straßenbahnschienen an der Kröllwitzbrücke oder am Rannischen Platz zu gefährlich sind. Gerade hier könnte sofort viel erreicht werden. Es wäre schön, würden sich die VerkehrsplanerInnen nicht vor den anspruchsvollen Aufgaben drücken.
Was noch fehlt: ein Ziel.Viele Städte haben sich hohe Ziele gesteckt. Zum Beispiel bei erneuerbarer Energie wollen sich manche Städte bis 2025 mit 100% Ökostrom ihres eigenen Stadtwerks versorgen. Die Fahrrad Hauptstadt und Großstadt Kopenhagen hat eine Fahrradquote von 37%. In Halle sind es 13%, trotz besseren Wetters und kleineren Entfernungen. Dem halleschen Fahrradkonzept 2025 fehlt ein Ziel. Es könnte heißen, bis 2025 sollen 50% der Kurzstrecken im Sommer mit dem Rad zurückgelegt werden. Oder 25% der Hallenserinnen sollen dauerhaft Rad fahren. Das wäre ambitioniert. Statt dessen gibt es überhaupt kein Ziel, den Radanteil zu erhöhen, weder ein ambitioniertes noch ein laues, gar keins.
Die Finanzierung: Eine große Mogelpackung gegen das Rad
Und dann die große Krux, das liebe Geld. Schon 1995 hat die Stadt beschlossen, dass der Radverkehr soviel Geld erhält, wie der Anteil der RadfahrerInnen. Das waren damals 10% RadfahrerInnne und sind 2013 13% gewesen. Wer die halleschen Radwege kennt, kann schon fragen, wo da 10 - 13 Prozent der gesamten Straßen-Erhaltungs-Ausgaben der Stadt stecken sollen. Des Rätsels Lösung, oder genauer gesagt, der Belzebub steckt im Detail. Theoretisch will die Stadt die Radfahrer entsprechend ihres Anteils fördern. Praktisch wurde das bisher so interpretiert, dass ja auch fast jede normale Straße von RadlerInnen befahren werden kann. Wenn also die vierspurige Trothaer Straße erneuert wird, oder in Halle Ost die ganze Straße erneuert wird, dann werden die Kosten einfach auch dem Fahrradetat in Rechnung gestellt. Kein Wunder dass der dann ratz fatz leer ist und für die Sanierung der Radwege Null Euro übrig bleiben. Da hätte die Stadt auch beschließen können, nur 0,00001 % des Verkehrsbudgets für den Radverkehr auszugeben. Das wäre immerhin ehrlich gewesen. Das Radkonzept 2013 sieht das Problem auch ein, will aber wenig daran ändern. Besser schon, wenn Fördermittel gewonnen werden könnten. Ach ja, die Fördermittel. Da hoffen wohl einige Menschen in der Stadtverwaltung, dass ein Krösus kommt und irgendwer anders für neue Radwege aufkommt. Hauptsache der Straßenetat wird nicht angetastet...
...das ginge auch anders, Tiefbauamt
Wie wäre es mit einer anderen Rechnung, liebes Tiefbauamt. Jeder sanierte und neugebaute Kilometer Radweg ersetzt so und so viele Autofahrten durch Fahrradfahrten. Weil nämlich mehr Menschen Lust haben, aufs Rad umzusteigen, wenn es bequemer ist. Die Abnutzung der Straße durch ein Rad ist unendlich viel kleiner als durch ein Auto. Jedes durch ein Rad ersetzte Auto spart also Geld für den Erhalt der Straße, die nun länger hält. Die 13% aus dem Straßenhaushalt können also vollständig in fahrradspezifische Ausgaben fließen, weil damit der Erhalt der Autostraßen verbilligt wird. Jeder Euro in die „Autostadt“ zum Beispiel in Parkplätze und Parkhäuser zieht mehr Verkehr nach sich. Mehr Autoverkehr heißt mehr Erkrankungen der Atemwege, Unfälle, Krankenhaus-Aufenthalte, sauren Regen der die Fassaden kaputt macht. Ein Euro in den Autoverkehr zieht Folgekosten nach sich. Ein Euro in die „Fahrradstadt“ senkt die Kosten an anderer Stelle. Der Auto-Etat sollte deshalb den Fahrrad-Etat quer-finanzieren, nicht andersherum.
Die 13% Finanzierung muss erstritten werden
Halle lebt von den teils guten Radwegen aus den 90er Jahren als es, kaum zu glauben, richtig Schwung in der Stadtverwaltung gab. Der ist verflogen und die Stadt radelt schon lange von der Substanz. Mehr als einmal beklagt die Radkonzeption 2025, dass es keine Fördermittel vom Bund gab. Aber für ein Radkonzept, dass so vorsichtig und ambitionslos daherkommt, gibt es zu Recht kein Fördergeld. Natürlich sind das alles einzeln betrachtet gute Dinge die da im Radkonzept 2025 stehen. Sie gehen aber nicht über die Pläne von 1995 hinaus und mehr als das, sie lassen keine.
Vision für eine Fahrradstadt erkennen.
Das Trierer Manifest, das Vorbild Kopenhagen, die Berliner Tempo 10 Zone, die Idee einer weitgehend autofreien Innenstadt werden nicht einmal erwähnt. Und das Finanzierungskonzept ist tatsächlich ein Nicht-Finanzierungskonzept. Ich höre schon die Kommentare im Stadtrat und im Halle-Spektrum: es ist kein Geld da, was sollen wir machen, der Geist war ja willig aber die Kasse ist schwach (bestückt). Richtig ist, es ist kein Biss und keine Vision da. Damit ernsthaft etwas vom Fahrradkonzept 2025 umgesetzt wird, muss weiter für die 13% Finanzierung gestritten werden. Und wenn diese Stadt einmal eine Vision für eine Fahrrad-Fuß-Tram-Stadt haben sollte, dann wird sie nicht aus dem Stadtrat gekommen sein.Alles muss man selber machen, und frau auch. Zum Beispiel in der halleschen Critical Mass. Die ist zu finden unter Facebook und auch unter www.fahrraddemo.de.
Conrad Kunze hat sich für die Critical Mass in Halle engagiert und schreibt im Blog und in der Facebook-Gruppe.
Das Fahrradkonzept der Stadt steht hier online:
http://www.halle.de/de/Leben-Gesellschaft/Verkehr/Planung/Radverkehr/Radverkehrskonzeptio-06654/