Die Blockade des Naziaufmarsches in Halle am 1. Mai war ein voller Erfolg. Darauf kann das breite Bündnis Halle-gegen-Rechts stolz sein. Es hat jede Spaltung vermieden und statt dessen im gemeinsamen Ziel verschiedenste Kreise vereint.
So haben sich weder DGB noch SPD an der Antifa gestört noch umgekehrt. Während die einen im Rahmen legaler Demonstrationen geblieben sind und verschiedene Routen der Nazis belegten, gelang es dem Antifa-Bündnis „nice to beat you“ die verbleibenden Routen durch Sitzblockaden dicht zu machen. Von zwei angemeldeten Demozügen bogen große Gruppen am Riebeckplatz und in der Höhe vom Lutherplatz ab und machten sich selbstständig. Sie haben die Sitzblockaden in der Merseburger Straße und in der Rudolf-Ernst-Weise-Straße gemacht, womit die Route der Neonazis vollständig blockiert war.
Reichlich Unterstützung erhielten die Antifas aus Leipzig und Berlin. Unerlässlich war auch die Rede von Oberbürgermeister Wiegand, der an diesem 1. Mai geglänzt hat als Politiker, der sich mit Herzblut für seine Stadt einsetzt. Nicht nur stand ihm die rote Jacke hervorragend, er fand auch deutliche Worte, dass Halle nicht will, dass die Nazis 2017 im Mai oder sonst wieder laufen. Die Polizei verhielt sich entsprechend zurückhaltend und versuchte nicht den Nazis den Weg freizuräumen - mit Schlagstöcken und den Wasserwerfern wäre das machbar gewesen.
Angekündigt war der größte derartige Aufmarsch am 1. Mai in Deutschland mit ungefähr 1000 Teilnehmer*innen. Tatsächlich kamen aber nur rund 400, vielleicht schon abgeschreckt von den gut organisierten Gegenprotesten. Das letzte Mal hat Halle 2011 sehr Ähnliches erlebt, als rund 1000 sehr gewaltbereite Neonazis auch an einem 1. Mai durch die Stadt zogen. Das Bündnis Halle gegen Rechts war damals bei weitem nicht so gut aufgestellt. Auch ein Bürgermeister, der so klare Worte findet, fehlte.
Warum die Nazis den 1. Mai überhaupt nutzten ist nur scheinbar paradox. Schon seit vielen Jahren werden linke Forderungen und selbst ein grundsätzliche Kritik am Kapitalismus von den Rechten übernommen. Allerdings ist ihre Antwort nur oberflächlich systemkritisch, am Ende läuft es immer auf eine Antwort hinaus, die Ausländer, die Migranten, die Linken, die Juden und das Finanzkapital seien Schuld an der Misere der Deutschen. Die Deutschen teilen sich nach deren Ideologie nicht mehr auf in Hausbesitzer und Mieter, in Kapitaleigner und Arbeiter, in Chefs und Minijobber sondern sind angeblich eine wohlige Volksgemeinschaft. Aus diesem Grund wurde der erste Mai von der NSDAP im Jahr 1933 zum Feiertag erklärt, und eben darum wollen sich die Nazis auch heute bei den Arbeiter*innen anbiedern. Deren Bedürfnis nach einem Schuldigen wächst je härter die Lebensumstände sich entwickeln. Bei steigenden Lebenshaltungskosten und sinkenden Reallöhnen erhalten die Nazis leider Zulauf. Darum hat die neu gegründete interventionistische Linke Halle mit dem Spruch zur Demo aufgerufen: Antikapitalismus heißt Antifaschismus. Denn ein Blick ins Parteiprogramm des parlamentarischen Arms der Neonazis, der AfD, zeigt, dass dort ein knallharter und nochmals verschärfter Kapitalismus gefordert wird. Allerdings keine neoliberaler, sondern ein neoautoritärer. So hat es die NSDAP gemacht, und es gilt nach wie vor, die rassistische und völkische Systemkritik der Nazis zu entlarven.
Lange Zeit galt, was in der Gründungserklärung von Halle-gegen-Rechts zu lesen ist, dass Halle eine der wenigen ostdeutschen Städte ohne organisierte Nazistrukturen ist. Das stimmt leider nicht mehr. Mit dem Thor-Steinar-Laden in der kleinen Ullrichstraße und der Brigade Halle gibt es diese nun. Dazu kommt die Szene der sogenannten Identitären. Das sind junge Rechte, meist aus einem studentischen Milieu oder höherer Bildung. Ihre Methoden sind entsprechend verfeinert - sie sind derzeit noch am aktivsten in Facebook und im Internet. Ihre Forderungen sind jedoch so offen rassistisch, frauenfeindlich und fremdenfeindlich, dass sich selbst die AfD bisher von ihnen offizielle fernhält. Halle ist seit rund einem Jahr eine Hochburg der Identitären geworden. Umso glänzender ist der Sieg der Zivilgesellschaft, des Bündnisses, und der Antifas für ein weltoffenes, liberales und antifaschistisches Halle am 1. Mai gewesen.
Zetkin