Wo kann man die Auswirkungen der kapitalistischen Ausbeutung von Grund und Boden deutlicher erleben als in Irland? Was bleibt von wildromantischer Natur übrig , wenn es keine staatlichen Regeln gibt, der Privatisierung Einhalt zu gebieten?
Der Großteil der Landfläche Irlands besteht mittlerweile aus Weidefläche für Schafe und Rinder. Selbst ausgewiesene, markierte Wandergebiete kommen nicht ohne Schafe aus. Somit ist man vergebens auf der Suche nach natürlicher Vegetation. Auf nassen Flächen, auf denen die Beweidung wenig sinnvoll ist, wird Torf gestochen. Dieses Torfstechen ist allen Einwohnern erlaubt zur Brennstoffgewinnung. Von dieser Regelung machen die Bewohner im Norden Irland leider auch rege Gebrauch. Das Ergebnis ist eine aufgerissene Landschaft, in der riesige Flächen durch tiefe Gräben, aufgestapelte Torfstücke und weiße Plastiksäcke dominieren. Der Umgang mit Kunststofffolien allgemein ist recht traurig. Zum Beispiel Folie, welche für die Umhüllung von großen Heuballen verwendet wird, ist leider allgegenwärtig. Überall an den Straßenrändern flattern Reste dieser schwarzen Folie. Weggeworfene Plastikverpackung ebenso.
Kaum mehr öffentliche Flächen
Doch zurück zum Ausverkauf des Bodens. Öffentliche Bereiche sind sehr schwer zu finden. Es gibt einige Strände, an denen keine "private" - Schilder prangen. Aber auch hier gelangt man in der Regel nach wenigen Kilometern an die nächste Grenze. Nicht anders ist es mit den wenigen Wäldern Irlands beschaffen. Selten gibt es ausgeschilderte Wege, die der Öffentlichkeit erlaubt werden. Oft sind dann zwei Drittel der Rundwege asphaltierte Straßen. Selbst in Reiseführern ausgewiesene Landschaftsgärten haben nur wenige Tage im Jahr öffentlichen Zugang.
Nicht verwunderlich dadurch ist, dass sich selbst in Tourismus-Informationsstellen kaum Mitarbeiter finden lassen, welche mit eigenen Wandererfahrungen Gebiete in der Nähe kennen und empfehlen können. Ebenfalls wenig verwunderlich ist, dass an den Startpunkten von Wanderungen , sogenannten " walkloops" oft Platz für maximal zwei PKW vorhanden ist. Diese Startpunkte zu finden gestaltet sich oft sehr schwer, da auf den engen Straßen sehr zügig gefahren wird und Ankündigungen per Hinweisschilder eher die absolute Ausnahme sind.
Auch die "Cliffs of moher" sind privat
Selbst die wohl weltbekannten Klippen "cliffs of moher" welche jährlich von etwa 1,5 Milionen Besuchern besichtigt werden, sind von privatem Besitz eingezwängt. Den Besuchern gestattet man einen Weg von ca. einem Metern Breite für beide Laufrichtungen. Bei einer Länge von etwa 10 Kilometern gestaltet sich die Wanderung als wenig entspannend. Platz zum Verweilen, Setzen und Genießen ist nicht vorgesehen. Bänke gibt es nicht eine. Außer man missachtet die Hinweise der extremen Gefahr am Klippenrand und verlässt den Weg in Richtung Abgrund. Dann kann man sich im Gras niederlassen und die Beine über dem Abgrund baumeln lassen. Die angrenzende Weidefläche auf der Landseite, auf der sich wenige Rinder befinden, reicht Kilometer weit ins Land.
Auf den Straßen des Landes finden sich neben Autos, Radfahrer, Fußgänger, Jogger und Reiter ein. Fußwege, ob neben der Straße oder abseits existieren nicht. Jede Fortbewegung vollzieht sich als unendliche Reise zwischen grünen Wänden, gleich grünen Tunneln. Denn zwischen Straßen und den einzelnen Grundstücken befinden sich Hecken über die man selten drüber schauen kann.
Neuer Blick auf heimische Ressource Land
Somit wird in keinem, von mir bisher besuchtem Land deutlicher, wohin Kapitalistische Besitzverhältnisse führen. Für Menschen ohne Besitz und für Natur ist kein Platz mehr. Jeder Quadratmeter wird wirtschaftlich ausgebeutet. Grotesk, wenn man bedenkt, dass der Nutzen für diese Opfer billiges Schaf- und Rindfleisch für Europa ist. Von den unzähligen glasklaren Bächen und Flüssen kann man kaum etwas erleben ohne Schilder privat zu missachten und die Weidefläche einfach zu betreten. Ein unsicheres Gefühl wird man dabei nicht ablegen, da Fleischrinder oft auch aus Bullengruppen bestehen.
Nach einer derartigen Reise lernt man die Großzügigkeit öffentlicher Flächen im eigenen Land sehr zu schätzen. Dank der Naturschutzverbände sind hierzulande noch immer Naturschutzgebiete Oasen für Natur und Mensch. Hoffentlich bleibt das auch so.
Von aktiven Mitgliedern sind örtliche Naturschutzvereine ja leider nicht überfüllt. Dort leisten oft nur wenig Aktive die ganze Arbeit. An dieser Stelle möchte ich all diesen Aktivisten sehr danken.
Steffen Neubert, Mitglied im NaBu Halle
Foto oben: © Mathias Klingner / pixelio.de