Schüsse und Artilleriegeräusche überschallen den Marktplatz in Richtung der Eisessenden. Die Störung des friedlichen sonntäglichen Lebensalltags ist Absicht. Die Protestveranstaltung des Halleschen Friedensbündnisses vom 15. Juni richtete sich gegen den in Deutschland neu eingeführten „Nationalen Veteranentag“ für aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten. Dieser wurde am letzten Sonntag erstmals begangen, nachdem seine Einführung 2023 vom Bundestag beschlossen wurde.
In den Augen der Protestierenden ist dies ein zweifelhafter Gedenktag, der sich nahtlos einreiht in die stufenweise voranschreitende Militarisierung der Gesellschaft. Bundesweit hatten Friedensorganmisationen dagegen mobilisiert und zu Protesten aufgerufen. Anstelle eines militärischen Veteranentages forderte das Hallesche Friedensbündnis in einer Presseerklärung einen zivilen Gedenktag für die Opfer von Kriegen, für die “Verstümmelten, Traumatisierten, Getöteten und alle anderen Leidtragenden von Krieg und militärischer Gewalt“.
Der Platz für Mahnwache und Infostand gegenüber dem Stadthaus ist bewusst gewählt. Dort haben 25 Stadträte nach der letzten Sitzung Grußbänder für deutsche Soldaten unterzeichnet. Die sind derzeit vor allem an der NATO-Ostgrenze gefährlich hochgerüstet stationiert. Auch der neue Oberbürgermeister Alexander Vogt gab als oberster ziviler Repräsentant seine Unterschrift und ein Grußwort. „Das gehört definitiv nicht zu seinen Aufgaben“ kommentiert ein Protestierender. Erst vor kurzem erinnerten Aktive des Friedesnsbündnissen den neuen OB daran, dass sein Vorgänger Bendt Wiegand mit der Stadt Halle der Initiative "Mayers for peace" beigetreten sei.
Die Grußbandaktion von Halleschen CDU-Politikern hat einen Beigeschmack von „Heimatfront“-Symboliken, wie sie in kriegführenden Staaten zur Erhöhung der Kampfmoral eingesetzt werden. Und offenbar vereint sie auch nahtlos Fraktionen, die sich sonst in Haushaltfragen politische Schaukämpfe liefern oder Brandmauern gegeneinander errichten. So wünscht Alexander Raue von der AfD eine „gesunde Heimkehr“ und sein Fraktionskollege Donatus Schmidt erbittet „Gottes Schutz und Segen“ hinzu. Gleich darüber grüßen Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner von der CDU („mit Dank und Respekt“) und seine Parteifreundin Claudia Schmitt. In der Mitte sagt Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt Danke. Dazu passend dann „Kameradschaftliche Grüße im Namen der gesamten CDU-Fraktion Halle (Saale)“ .
Die Protesttaktivisten kommen aus Halle, dem Saalekreis und Leipzig. Es sind Mitglieder und Unterstützer des BSW darunter, weiterhin von attac, DFG-VK, Students for Palestine oder der SDAJ. „Ich bin hier, weil ich meinen Enkeln sagen will, dass ich etwas getan habe gegen den Irrsinn“ , antwortet Susanne Kirchner aus Halle auf die Frage, warum sie gekommen ist. Neben ihr steht der ehemalige Kriminalist Jürgen Stenker, der auch ein Protestschild dabei hat und die Lage kurz zusammenfasst: „Noch nie seit 1945 war die Kriegsgefahr so groß wie heute“.