Es ist nicht zu übersehen: KRIEG liest man überall in der Stadt, KRIEG …
Am 6. November 2015 hat im Landesmuseum für Vorgeschichte die Ausstellung „KRIEG. Eine archäologische Spurensuche“ begonnen. Es war der 383. Jahrestag der Schlacht von Lützen.
Ganz verheeret
„Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!“, heißt es in Andreas Gryphius‘ Sonett „Tränen des Vaterlandes“ (1636). Der Dreißigjährige Krieg (1618- 1648) hat die Bevölkerung Deutschlands um ein Drittel reduziert, ganze Landstriche wurden entvölkert. Eine der wichtigsten Schlachten war die von Lützen (1632). In den Jahren 2006 bis 2011 untersuchten Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie das Schlachtfeld und bargen ein Massengrab mit den Skeletten von 47 Soldaten, 2.700 Bleikugeln, Waffen und Ausrüstungsteile. All das und dazu Informationen über Geschichte und Verlauf dieses Krieges erwarten den Besucher in den zentralen Räumen der Ausstellung. Berichtet wird zudem vom furchtbaren Elend der Bevölkerung, aber auch von dem der Heere: Verlumpt und krank vegetierten die Söldner in Feldlagern unter unsäglichen Bedingungen, sie hungerten und starben meist nicht auf dem Schlachtfeld, sondern an Mangelernährung oder Krankheiten. Sie plünderten auch, um zu überleben.
Haus und Land muss man verteidigen
Verheeren meint, so der Duden, „mit einem Heer überziehen“. Heere gibt es, seit Kriege von oder in Staaten oder staatsähnlich organisierten Gesellschaften geführt werden. Erste Zeugnisse für kriegerische Auseinandersetzungen, so zeigt der historische Exkurs zum Thema Krieg, stammen aber schon aus vorstaatlicher Zeit. Dabei legen die Funde nahe, dass es einen Zusammenhang
zwischen dem Sesshaftwerden des Menschen und der Zunahme von Kriegen gibt: Aus ziehenden Wildbeutergruppen wurden sesshafte und Besitz sammelnde Bauerngesellschaften. Deren gute und stabile Ernährungssituation ließ die Bevölkerung wachsen, mehr Land wurde gebraucht und musste – durch Urbarmachung oder durch Raub – gewonnen und (gegen Räuber) verteidigt werden. Der relative Überfluss in diesen Gesellschaften führte dabei nicht nur zu sozialen Ungleichheiten, sondern auch zu Differenzierung und Arbeitsteilung, die es erlaubten, größere Menschengruppen für das Entwickeln und Herstellen von Waffen und das Führen von Kriegen freizustellen.
Krieg ist Teil der Kulturgeschichte
Seit es Zeugnisse für die kulturelle Entwicklung der Menschen gibt, gibt es auch Zeugnisse für kriegerische Auseinandersetzungen. Sigmund Freud: „Interessenkonflikte unter den Menschen werden also prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt entschieden. So ist es im ganzen Tierreich, von dem der Mensch sich nicht ausschließen sollte; für den Menschen kommen allerdings noch Meinungskonflikte hinzu, die bis zu den höchsten Höhen der Abstraktion reichen […].“ (In einem Brief an Albert Einstein, 1932) Aus der Primatenforschung ist bekannt, dass es bei Revierkonflikten zwischen einzelnen Horden von Schimpansen, den dem Menschen am nächsten verwandten Primaten, auch zur Tötung von Tieren kommt, vor allem dann, wenn eine Horde deutlich überlegen ist und auf isolierte Männchen oder Kinder der unterlegenen Horde trifft. Meist enden die Auseinandersetzungen damit, dass die überlegene Schimpansengruppe das Revier der Verlierer übernimmt.
Für den Menschen finden sich die ältesten Belege für das kriegerische Austragen von (Revier)Konflikten in der Altsteinzeit. Für die Mittelsteinzeit lassen sich vor allem für Gebiete, wo die Sesshaftwerdung vorangeschritten war, vermehrt Verletzungen an Menschen belegen, die durch menschliche Gewalteinwirkung (z.B. mit Keulen) zustande gekommen sind. Als im Neolithikum Angehörige von Hirten- und Bauernkulturen aus dem Vorderen Orient nach Mitteleuropa einwanderten, brachten sie, so legen die Funde nahe, auch den Krieg mit. Aus Jagdwaffenwurden neue und „effiziente“ Waffen zur Menschentötung entwickelt, in der Bronzezeit trat das Schwert als Kriegswaffe und Machtsymbol seinen Siegeszug an. Belegt ist auch die Entstehung einer eigenen Kaste von Kriegern. Beide, Waffen und Krieger, erfuhren im weiteren Verlaufe der Geschichte höchste, ja kultische Verehrung.
Können wir („ewigen“) Frieden?
Das vergangene Jahrhundert war für Mitteleuropa eines des Krieges. Seit siebzig Jahren haben wir hierzulande das große Glück, im Frieden zu leben, einem Frieden, der erst ein Nachkriegsfrieden war und dann ein Kalter Krieg und jetzt ein demokratisch zementierter Vertrags- und Bündnisfrieden. Wir haben uns sehr an ihn gewöhnt. Doch ist der Krieg ja damit nicht aus der Welt. Immanuel Kant hat in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden“ (1752) vorgeschlagen, einen „Friedensbund“ zu bilden, der alle Kriege auf immer zu endigen“ suche. Freilich gelte es etwas aufzubieten gegen die „Bösartigkeit der menschlichen Natur“, will sagen gegen die destruktiven Aspekte unserer Aggressivität, gegen unsere Gewaltbereitschaft. Das tief in unsere kollektive und individuelle Psyche eingeschriebene Verhaltensmuster, dass soziale (wirtschaftliche, ideologische, religiöse) Interessenkonflikte „prinzipiell“ mit Gewalt gelöst werden können, muss dafür „geschleift“ werden.
Frei von Gewalt …
… denken, reden, handeln. Das muss man üben, üben und immer üben, denn der Krieg hat tiefe Spuren in allen Aspekten unserer Kultur hinterlassen. Wie alt und mächtig sie sind, zeigt diese Ausstellung.
Marianne Heukenkamp
KRIEG. Eine archäologische Spurensuche
6. November 2015 - 22. Mai 2016
Di bis Fr 9:00 -17:00 Uhr
Sa, So und Feiertage: 10:00 -18:00 Uhr
Landesmuseum für Vorgeschichte
Richard-Wagner-Str. 9
06114 Halle