Mah­nen­de Appel­le der Frie­dens­be­we­gung am 3. Okto­ber in Ber­lin und Stuttgart

Es hät­te ein wirk­sa­mes Lebens­zei­chen der deut­schen Frie­dens­be­we­gung wer­den kön­nen. Denn mehr als 500 Orga­ni­sa­tio­nen und Frie­dens­grup­pen hat­ten bun­des­weit unter dem Mot­to „Nie wie­der kriegs­tüch­tig!“ zu gemein­sa­men Pro­test­kund­ge­bun­gen in Ber­lin und Stutt­gart auf­ge­ru­fen. Gekom­men waren nur weni­ge Zehntausende.

Brei­tes­tes Bünd­nis seit Golfkriegen

Ob das nun am kom­plet­ten Tot­schwei­gen in der Vor­be­richt­erstat­tung der "Leit­me­di­en" lag, an den übli­chen mora­li­sie­ren­den Distan­zie­run­gen oder an einer zuneh­men­den Resi­gna­ti­on und Demo-Müdig­keit im Zusam­men­hang mit einem Lan­gen Wochen­en­de zu Beginn der Herbst­fe­ri­en­zeit, mag dahin­ge­stellt blei­ben. Fakt ist trotz­dem: Ein solch brei­tes Frie­dens­bünd­nis hat es seit den Golf­krie­gen nicht mehr gege­ben: Frie­dens­or­ga­ni­sa­tio­nen wie der deut­sche Frie­dens­rat, das Netz­werk Frie­dens­ko­ope­ra­ti­ve oder IPPNW Deutsch­land, lin­ke und pazi­fis­ti­sche Par­tei­en, christ­li­che und gewerk­schaft­li­che Ver­bän­de, dar­un­ter DGB und ver.di, aber auch Attac und Ärz­te ohne Gren­zen, femi­nis­ti­sche, inter­na­tio­na­lis­ti­sche, anti­mi­li­ta­ris­ti­sche, anar­chis­ti­sche und anti­fa­schis­ti­sche Grup­pen sowie zahl­rei­che wei­te­re loka­le Initia­ti­ven und Bünd­nis­se betei­lig­ten sich an dem >> Auf­ruf. Zu des­sen Kern­for­de­run­gen gehör­ten Hoch­rüs­tungs­stopp und Dia­log­be­reit­schaft, ein Nein zur Wehr­pflicht, Mili­ta­ri­sie­rung und Kriegs­wirt­schaft, ein Ver­zicht auf das Recht des Stär­ke­ren und ein Fest­hal­ten an der UN-Char­ta, eine Kehrt­wen­de der deut­schen Nah­ost­po­li­tik im Gaza-Krieg, ein Bei­tritt zum Atom­waf­fen­ver­bots­ver­trag sowie Asyl für Kriegs­ver­wei­ge­rer und -betroffene.

In der gegen­wär­ti­gen Pha­se der Kon­fron­ta­ti­on und Eska­la­ti­on betra­ten Red­ne­rin­nen und Red­ner die Büh­ne, wel­che für die Rück­kehr zu Ver­hand­lun­gen und eine gemein­sa­me Sicher­heits­po­li­tik stark machen, dar­un­ter der SPD-Abge­ord­ne­te und ehe­ma­li­ge Innen­mi­nis­ter von Schles­wig-Hol­stein Ralf Steg­ner, die ehe­ma­li­ge EKD-Rats­vor­sit­zen­de Mar­got Käß­mann, der BSW-Gene­ral­se­kre­tär Chris­ti­an Leye oder aus USA per Video der ehe­ma­li­ge UN Son­der­be­auf­trag­te Jef­frey Sachs.

Von geschür­ter Kriegs­angst zur Vorkriegsstimmung

Mar­got Käß­mann begann ihre Rede auf dem auf dem Stutt­gar­ter Schloss­platz mit einem Zitat von Inge­borg Bach­mann. Die Geschich­te leh­re "andau­ernd, doch sie fin­det kei­ne Schüler“.
Kurz und knapp lis­te­te sie die ver­ant­wor­tungs­lo­sen Ent­glei­sun­gen deut­scher Spit­zen­po­lit­ker auf: einen Regie­rungs­chef Merz, der mal eben ver­laut­bart, dass Deutsch­land „nicht mehr im Frie­den“ sei, einen Außen­mi­nis­ter Wade­phul, der eine ewi­ge Feind­schaft mir Russ­land beschwört, einen "Lieb­lings­po­li­ti­ker" Pis­to­ri­us, der zur Kriegs­er­tüch­ti­gung bläst und einen Hard­li­ner Kie­se­wet­ter, der mit dem Aus­ru­fen des NATO Span­nungs­falls nach Arti­kel 4 die nächs­te Eska­la­ti­ons­stu­fe zün­den will. So wer­de "Kriegs­angst geschürt und Vor­kriegs­stim­mung erzeugt", kon­sta­tier­te die Theo­lo­gin nüch­tern und wir­kungs­voll. Für die deut­sche Frie­dens­be­we­gung in der Tra­di­ti­on von Wolf­gang Bor­chert aber müs­se die Ant­wort „Nein“ sein, rief sie den 15.000 ver­sam­mel­ten Men­schen zu.

"Mehr Frank­reich wagen"

BSW-Gene­ral­se­kre­tär Chris­ti­an Leye gei­ßel­te auf dem Ber­li­ner August-Bebel-Platz die unver­ho­le­nen Pro­fi­te der neu­en Kriegs­in­dus­trie und ver­wies auf den Zusam­men­hang zwi­schen Krieg und der Klas­sen­fra­ge. Denn es gehe bei Krieg nie­mals um "Wir gegen die" son­dern um "Oben gegen unten", stell­te der Ex-Lan­des­chef der NRW-Lin­ken unter Bei­fall fest. Das zei­ge eine simp­le Auf­rech­nung der gewal­ti­gen Ress­sour­cen, die nach dem Fünf-Pro­zent-Beschluss nun jähr­lich in den Kriegs­sek­tor flie­ßen sol­len. Fünf Pro­zent von 4,3 Bil­lio­nen ( BIP 2024) - das sei­en 216 Mil­li­ar­den Euro, was nahe­zu der Hälf­te aller ver­füg­ba­ren Steu­er­ein­nah­men ent­spre­che. Mit die­ser Sum­me könn­te man nicht nur das deut­sche Schie­nen­netz und den gesam­ten ÖPNV auf Vor­der­mann brin­gen, so Leye wei­ter, son­dern auch noch vie­le Mil­li­ar­den in Sozia­les und Bil­dung geben. Das Land könn­te ein ande­res, ein gerech­te­res wer­den, doch anstel­le neh­me man uns die Zukunft. Der offe­ne Angriff auf den Sozi­al­staat sei die direk­te Fol­ge der Scholz­schen "Zei­ten­wen­de" und Merz­schen "Epo­chen­bruchs". Die poli­ti­schen Plä­ne dafür hät­ten in der Schub­la­de gele­gen und sei­en von SPD und Uni­on im Bun­des­tags­wahl­kampf ver­schwie­gen wor­den. In Frank­reich kön­ne man gegen­wär­tig brei­ten zivil­ge­sell­schaft­li­chen Wider­stand gegen die­se Poli­tik erle­ben. Das sei auch in Deutsch­land von­nö­ten, um einen "Herbst des Wider­stan­des" von unten anstatt eines "Herbs­tes der Refor­men" von oben.

Resi­gna­ti­on auch unter Aktivisten

Mit dabei vor Ort in Ber­lin war auch der par­tei­lo­se Frie­dens­ak­ti­vist Jan-Peter Kross (Name redak­tio­nell geän­dert) aus Hal­le. Auf die Fra­ge, war­um es nur ein ver­hält­nis­mä­ßig schwa­ches Echo auf den brei­ten Auf­ruf gab, ant­wor­te­te er, dass sich die Kräf­te bei meh­re­ren Groß­de­mos im Sep­tem­ber und Okto­ber wohl zer­teilt hätten.
Wei­ter­hin kön­ne sich ver­ständ­li­cher­wei­se auch ein Moment der Resi­gna­ti­on breit gemacht haben. Auch ihn selbst beschlei­che "trotz vie­ler guter und rich­ti­ger Wor­te der Red­ner" das Gefühl, dass mitt­ler­wei­le zwei auf­ein­an­der­ra­sen­de Züge unauf­halt­sam immer mehr Fahrt auf­neh­men. Nach dem Gip­fel in Alas­ka habe es "kei­ner­lei Ent­ge­gen­kom­men von Putin gegen­über Trump" gege­ben, nicht mal das gerings­te Zei­chen. Aus Ent­täu­schung habe die­ser nun eine Kehrt­wen­de voll­zo­gen, nach­dem er einen ech­ten Schritt auf Putin zuge­gan­gen war, ist sich Kross sicher. "Wo soll das alles hin­füh­ren?" fügt er nach­denk­lich hin­zu. Die Ant­wort gibt die Geschichte.

 

 

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