Der Yasuni-Nationalpark im schwer zugänglichen Osten Ecuadors wurde 1979 ausgewiesen. Er erstreckt sich über eine Fläche von 9820 km² entlang des Flusses Yasuní, einem Nebenfluss des Napo. Eingebettet in den Park ist das Gebiet der Huaorani, das von mindestens fünf indigenen Stammesgemeinschaften bewohnt wird. 2007 wurde der Nationalpark Yasuni von der Regierung zum unantastbaren Ökosystem erklärt, in dem die unterirdischen Rohstoffe nicht gefördert werden dürften. Das allerdings unter der Bedingung, dass die internationale Gemeinschaft beitragen sollte, mindestens die Hälfte der geschätzten Einnahmen aus der Ausbeutung von bekannten Erdölreserven in einen von der UN verwalteten Treuhandfonds einzuzahlen. Würde das nicht geschehen, sähe sich die ecuadorianische Regierung gezwungen, die Förderung des Erdöls in Angriff zu nehmen. Bekannt wurde das Vorhaben unter der Kurzbezeichnung Yasuni ITT, benannt nach den drei bei Probebohrungen entdeckten Ölquellen Ishpingo, Tambococha und Tiputini. Doch auf dem Treuhandkonto gingen bis Mitte 2013 nur etwa 13 Millionen Dollar ein.
Im August 2013 kündigte Präsident Rafael Correa in einer Fernsehansprache das Pilotprojekt Yasuní ITT auf. Das Parlament stimmte zu und die Vorbereitungen für die Ausbeutung der Yasuní ITT-Ölfelder begannen. Zahlreiche Proteste aus dem In- und Ausland verhallten ungehört. In Ecuador formierte sich eine von den indigenen Völkern und Umweltorganisationen ausgehende Initiative für eine Volksbefragung. 600 000 Unterschriften werden benötigt (5% der Wahlberechtigten). Die Befragung lief im Oktober vergangenen Jahres an und dauert bis zum März 2014. Der Präsident und seine Partei setzten umgehend eine Gegeninitiative in Gang, die ebenfalls eine Volksbefragung erwirken will, um die Ausbeutung von Yasuní ITT zu legitimieren. Deren Unterschriftensammlung begann am 21. Januar. Die Erdöl-Erlöse sollen es den Kommunen ermöglichen, öffentliche Güter wie Erziehung, Gesundheit und Transport für die überwiegend armen Bevölkerung des Amazonasraumes bereitzustellen. Die öffentlichen Behörden wollen Proteste gegen die Regierungspolitik bereits im Keim ersticken. Correa spaltet die Angehörigen der indigenen Völker in demagogischer Weise: Entweder sie folgen seiner Politik und werden Nutznießer seiner materiellen Wohltaten oder aber sie werden zu Ausgegrenzten innerhalb der ecuadorianischen Gesellschaft. Die Politik seiner „revolución ciudadana“ (Bürger-Revolution) wird ebenso rigoros von Oben durchgepeitscht wie seit 14 Jahren schon in Venezuela. Und bisher ist seine von Staats wegen durchgeführte Umverteilung von Reichtum zuungunsten der bisherigen herrschenden nationalen Oligarchie auf fruchtbaren Boden gefallen und hat zu einer etwa 60prozentigen Unterstützung durch die Bevölkerung geführt.
In Venezuela, Bolivien und Ecuador versuchen die jeweiligen Präsidenten mit einigem Erfolg, die Herrschaft der nationalen Oligarchien mithilfe eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ und der „Bürgerrevolution“ einzuschränken. Das Volk soll nach dem Willen ihrer Führer der wahre Eigentümer der nationalen Reichtümer werden. Allerdings darf man Zweifel an der tatsächlichen zukünftigen „Volkssouveränität“ haben. In den drei Ländern wachsen Staatsbürokratien heran, die ähnlich wie früher die nationalen Oligarchien das politische und wirtschaftliche Heft des Handelns fest in der Hand halten.
In Ecuador sollen Industrie und Dienstleistungssektor entwickelt werden, um von der einseitigen Ausrichtung als Rohstofflieferant wegzukommen. Das Öl als wichtigstes Ausfuhrgut ist zum überwiegenden Teil schon für Rückzahlungen an China vergeben, das jetzt der „allmächtige“ Kreditgeber des Landes geworden ist. Die Volksrepublik hat inzwischen weitgehend die Rolle der USA und der Internationalen Finanzinstitutionen übernommen und schreibt vor, dass ausschließlich chinesische Firmen die Ausführung der von China finanzierten staatlichen Entwicklungsprogramme übernehmen.
Im November 2013 fand die Eröffnung des 11. Ausschreibungsprozesses von Ölförderungs-Konzessionen in Quito statt. Am Rande der Veranstaltung gab es einige harmlose Rangeleien. Dabei war auch die „Stiftung Pachamama“ (auf Quechua: „Mutter Erde“ oder das „Belebte Universum“). Dieser wurde vorgeworfen, gewalttätig gegen den chilenischen Botschafter in Quito und gegen einen Weißrussischen Ölmagnaten vorgegangen zu sein. Unmittelbar danach bezeichnete Correa bei seinem wöchentlichen Auftritt vor Gefolgsleuten die Stiftung Pachamama und weitere Führer von indigenen Organisationen als Unruhestifter, die gegen ein präsidiales Dekret verstoßen hätten. Am 4. Dezember 2013 wurde auf Veranlassung des Umweltministeriums die Stiftung Panamama aufgelöst. Aus der ganzen Welt trafen Solidaritätsschreiben zugunsten der Stiftung ein. Bis heute wurden die von der Stiftung Pachamama eingesetzten Rechtsmittel negativ beschieden und inzwischen werden auch mehrere Vertreter indigener Völker juristisch-polizeilich behelligt.
Der Versuch einer unbefristeten Nichtförderung fossiler Brennstoffvorkommen in ökologisch und kulturell sehr fragilen Gebieten ist in Ecuador zweifellos gescheitert. Von internationalen Entwicklungsorganisationen wird ein Mechanismus zur Verhinderung von Treibhausgas-Emissionen nach dem Vorbild der Yasuní-ITT-Initiative weiterhin als aussichtsreich eingeschätzt.
Hermann Gebauer ist seit 35 Jahren in der internationalen Entwicklungs-Zusammenarbeit tätig, auf dem Balkan, in Afrika und auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Zur Zeit lebt er in Costa Esmeralda, Panama. Seine Bücher tragen Titel wie „Abschied von Bissau“ und „Auf zur Freiheit! Plädoyer für eine Bürger- Republik“. Darin möchte er zum Nachdenken über den Umgang mit unserer Natur und unsere Solidarität mit anderen Völkern anregen. In Online-Medien geht er besonders der Frage nach, wie aus den politischen und wirtschaftlichen Zwängen zwischen zwei globalen kapitalistischen Blöcken (westliche Industrieländer – China) eine unabhängige, von den „Dritte Welt“-Völkern selbst getragene, demokratische und nachhaltige Entwicklung entstehen könnte.
Karte: Dietmar Sievers
Titelfoto: Wikipedia/ White-banded Swallows (Atticora fasciata) perching of a tree stump on the bank of Rio Tiputini, Yasuni National Park, Ecuador. Geoff Gallice from Gainesville