Die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalts hatte zu einer Podiumsdiskussion über "Social Bots als Herausforderung für die demokratische Meinungsbildung" eingeladen. Dr. Michael Kolkmann von der Uni Halle moderierte, es diskutierten der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel und Justus Klaus, Aktivist im Berliner Peng.-Kollektiv.
Die Botswatch-Gründerin Tabea Wilke ließ sich entschuldigen, sie hätte etwas falsches gegessen. Auch den anderen Diskutanten im Englischen Saal der Franckeschen Stiftungen lag das Thema schwer im Magen. Zunächst die Definition: Social Bots sind Programme, die in sozialen Netzwerken menschliche Verhaltensmuster simulieren und unter menschlichen Accounts im Web auftauchen. Dabei beruhen sie auf Algorithmen für einen bestimmten Zweck, für PR-Arbeit, Marketing und zunehmend auch politische Propaganda.
Good Bot, Bad Bot? fragte Dr. Kolkmann in die Runde, dem Untertitel der Einladung folgend. Sebastian Striegel könnte sich nützliche Hilfsfunktionen zur Information vorstellen, wie den Aktualisierungs-Bot von netzpolitik.org, der jede neue Aktivität auf deren website in eine Twittermeldung fasst und versendet. Oder als automatisierter FAQ-Ersatz, der etwa auf die Frage antworten könnte: "Bot, was steht im Grünen Wahlprogramm über Wolfsschutz?"
Mein Bot gut - Dein Bot böse böse!
Das Berliner Peng.-Kollektiv nutzt aktiv Bots, um Sexist*innen, Waffen-Lobbyist*innen oder Google zu narren. Auf den Tortenwurf gegen Frau von Storch sind die Aktionskünstler immer noch stolz wie Oskar. Die Twitter-Bots des Peng.-Kollektivs sind virtuelle Tortenwerfer, die Millionen Tweets nach Reizwörtern durchsuchen, gefundene Autoren als Trolle auffassen und automatisiert bloßstellen, wie Justus Klaus erläuterte. Überhaupt sind Twitter-Bots zumeist destruktiv ausgerichtet. Im US-Wahlkampf 2016 etwa täuschten Pro-Trump-Bots Masse vor und entmutigten so Pro-Clinton-Twitterer, die dadurch mglw. auch weniger zur Wahl gingen.
Schweizer Erfahrungen legen nahe, dass bei Volksabstimmungen vorgetäuschte Masse durch Bot-generierte Twittermeldungen auch für mehr Stimmen der entsprechenden Positionen sorgen. Reale Menschen möchten gerne zu den Siegern gehören. Und Twitter-Bots kann fast jeder basteln, etwa 20 Zeilen Code genügen, die Schnittstelle stellt Twitter offen zur Verfügung. Bei Facebook ist das schon schwieriger: Fratzenbuch bespitzelt intensiv in Echtzeit den gesamten Computer des Nutzers und lässt ihn kein ungefiltertes Wort schreiben. Hier müssen Nutzer auf die Botdienste großer Anbieter zurückgreifen, etwa auf den Azure Bot Service von Microsoft.
In Deutschland haben sich die demokratischen Parteien verpflichtet, zumindest bei der Bundestagswahl 2017 auf Bots zu verzichten. Doch alle experimentieren damit, es gibt den CSU-Chatbot "LEO", die CDU erzeugte etwa 10 % der Twittermeldungen über eine Merkelrede mittels Bots. Und die AfD-Bots profitieren von übermotivierten Kämpfern gegen Rechts, die sich dort immer wieder neue automatisierte Antworten abholen.
Sachsen-Anhalt ist weitgehend Bot-frei, Landtagsabgeordnete werden immer noch gerüffelt, wenn sie während Sitzungen soziale Medien nutzen. Privatleute sind da schon weiter. Der Pfannkuchenpolizei-Bot etwa rügt automatisch jeden Twitterer, der das Wort Berliner benutzt: "Dit heeßt Pfannkuchen!" Was gerade bei den Meldungen über launige Berliner Polizisten in Hamburg zu einer wahren Tweet-Flut führte.
Neuerdings wird neben Twitter und Facebook auch zunehmend Instagram von Bots bedient, hier wohl vorwiegend von der Werbewirtschaft. Experten diskutieren über eine Kennzeichnungspflicht für Bot-generierte Posts. Die Regulierungswut der deutschen Bundesregierung konzentriert sich ganz auf die Inhalte-Zensur, Stichwort NetzDG-Gesetz. Global gibt es bei den Regulierungs-Ansätzen verschiedene Strömungen, die sich gegenseitig beeinflussen und die die Diskussionsrunde dann doch zu einem verhalten optimistischen Ausblick veranlassten: die Chancen für den Fortbestand Menschen-gemachter Politik ständen nicht schlecht.
Computational Propaganda Project der Uni Oxford http://comprop.oii.ox.ac.uk/
Peng.-Fake website gegen Waffenexporte http://www.cdu-mit-gefuehl.de/
NYT über Trump-Bots https://www.nytimes.com/2016/11/18/technology/automated-pro-trump-bots-overwhelmed-pro-clinton-messages-researchers-say.html
Deutscher Watchblog http://botswatch.de/