In diesem Sommer wird die Oberburg auf dem Giebichenstein wieder vom Freien Theater SCHAUSTELLE bespielt. Die „Metamorphosen“ des großen römischen Dichters liefern den Spiel-Stoff und den Spiel-Raum für großes Theater mit Shakespearschem Anspruch. Regie führte Silvio Beck.
Grandioses Theater an grandiosem Ort
Es gibt keinen schöneren Ort an einem halleschen Abend dieses endlosen und dürren Sommers als die Giebichensteiner Oberburg. Dorthin lädt die SCHAUSTELLE diese und nächste Woche (18.07.-22.07. und 25.07.-29.07. jeweils 20:30 Uhr) zu dem Stück „Metamorphosen“. Ovid hat kein Theaterstück geschrieben, sondern ein Epos in Hexametern, jenem Versmaß, in dem die Epen Homers verfasst sind. Ovid erzählt mit großer Dichte und Dramatik die Sagen der griechischen Antike nach oder besser neu – für seine Zeit. Fünfzehn Bücher hat er mit seinen Geschichten gefüllt, der Ausgang einer jeden bereitet der folgenden den Boden. Der Titel kündet vom Programm: Es geht Ovid ums ewige Wandeln. Ebenso so spannend für uns heute offensichtlich wie für die Alten.
Vom Anfang der Welt
SCHAUSTELLE spielt manchmal nah am Text, erzählt also. So am Urbeginn der Welt, das Ovid sich in erstaunlich moderner Weise vorstellt. Die folgenden Episoden erzählen von Göttern und Menschen und Leidenden. Die Götter mit ihren übermenschlichen Kräften und ungezähmten Launen verwandeln sich munter, um ihre Interessen durchzusetzen oder um die Menschen, die ihnen dabei in die Quere kommen, zu strafen, zu beseitigen oder vorzuführen. Hier bietet sich unermesslicher Spielstoff, den die vier Schausteller mit Leben füllen. In der ersten Episode will Phaeton als Liebesbeweis den Sonnenwagen seines Vaters Phoibos (Apollon) einen Tag über den Himmel lenken. Das geht natürlich schief, die außer Rand und Band geratenen Pferde rasen durch den Himmel, versengen die Erde, lassen die Flüsse austrocknen und bringen Verderben, bis Jupiter den unfähigen Lenker mit einem Blitz erschlägt. Wir sehen verzweifelten Phaeton auf dem Wagen zittern, er weiß nicht, was er tun soll, ahnt sein Verderben, bittet Jupiter, ihn zu verschonen und sinkt dann vom Blitz getroffen leblos in sich zusammen. Und das Herz wird einem schwer über das Unglück, das er verursacht hat und über sein eigenes.

Phaeton mit den wilden Sonnenpferden
Reigen der Geschichten
Doch schon wandelt sich die Szene und die nächste Geschichte schließt sich an. So folgen sie einander in einem Reigen: die redselige Nymphe Echo tritt auf, die von der eifersüchtigen Juno zur Wiederholerin fremder Worte verdammt wird, sie wiederholt des Narziss Worte und hofft ihn zu gewinnen, doch er verweigert sich ihrer bedrängenden Liebe und findet dafür einen, dessen Bild er lieben möchte: sich. Doch, das ist seine Strafe, er kann sich nicht haben und vergeht darüber. Und so folgt schon die nächste Geschichte … Grausiges und Lustiges, Trauriges und Tröstendes: alles gibt es da, aber nichts bleibt. Und das wunderbare Spiel reißt uns immer weiter ...
Große Tradition und kleine kritische Anmerkung
Ovid hätte seine Freude gehabt, Shakespeare erst recht, denn auch er spielte gerne mit der Antike – man denke an seine wunderbare Darstellung der Erzählung von Pyramus und Thisbe im „Sommernachtstraum“. Ovid, sicher seines Nachruhmes, hat recht behalten: Sein Werk ist fruchtbar über die Jahrhunderte geblieben. Etwas freilich durfte er voraussetzen: dass seine Leser mit den Geschichten und ihren Handelnden vertraut waren. Diese Vertrautheit (klassische Bildung) fehlt uns Heutigen. Deshalb versteht man auch manches im Stück vielleicht nicht oder zu flach. Möglicherweise hätte etwas mehr Erzählung im Stück die Zuschauer besser vorbereitet und „vorentlastet“, was zu einem besseren Verständnis geführt hätte. Oder man liest im Nachhinein schnell das ganze Werk und geht dann noch mal ins Theater. Muss man sich aber beeilen, denn die letzte Vorstellung ist am 29. Juli. Verpassen Sie sie nicht!

feiner Theaterzauber