Abschiedsstimmung im Stipediatentrakt des Kunstvereins Röderhof. Jörg Wunderlich packt seine sieben Sachen.
Drei Monate lang war er als bildender Künstler einer von jährlich vier Stipendiaten des Vereins, hatte Zeit für sich und seine Vorhaben. Im Ausstellungstrakt hängen noch die Arbeiten der aktuellen Schau "Zentren und Felder".
Stipendiat Korvin Reich bevorzugt großflächige, abstrakte Installationen, die über die großen, unverhangenen Fenster mit der hügeligen Nordharzlandschaft korrespondieren.
Jörg Wunderlich mag es kleinteiliger, verspielter, auch politisch zupackender. "wertebasiert" heißt eine seiner Miniaturen, die aufbauend auf einem screenshot des Börsenkurses des Rheinmetall-Konzerns die Wertentwicklung der Rüstungsaktie in Tusche auf Acrylglas darstellt, nachkoloriert mit dem Blut des Künstlers.
Um das Packen nicht zu stören, begab sich der Reporter auf den Rundwanderweg zum Kloster Huysburg, der von umgestürzten Buchen in einen Hindernis-Parkours verwandelt worden war. Der Regen hatte aufgehört, der Sturm hatte sich gelegt, zaghaft brach Sonnenlicht durch Wolkenlücken. Das besondere Licht der Nordharz-Landschaft war zu bewundern, immer vor der scheinbar nahen Kulisse der Harzberge.
Huysburg ist das einzige katholische Männerkloster im ansonsten protestantischen Sachsen-Anhalt. Im Innenhof parkten zwei Mannschaftstransporter, die etliche junge Polizisten zur Schulung in Glaubensdingen gebracht hatten. Um 13.00 Uhr öffnete das Klostercafé, es gab Kaffee und leckeren Kuchen zum kleinen Preis. Mobilfunk-Strahlung dringt nicht durch die dicken Klostermauern, aber es gibt freies Wlan, Passwort "Benedikt". Die Mönche sind Benediktiner.
Auf der Rückfahrt frage ich Jörg Wunderlich, was er denn nun aus Röderhof mitnehme.
"Ich habe die Erfahrung einer besonderen Zeit für mich selber mitgenommen", antwortet er. "Eine Zeit der Innerlichkeit, der Selbstbegegnung, der Begegnung mit der Landschaft, in der Landschaft, der Ruhe und der Konzentration, ein Zeitgeschenk und eine intensive Erfahrung von freier schöpferischer Arbeit. Da macht man dann Schritte und kann sich in die Prozesse vertiefen, die wir Kunst nennen."
Der Kunstverein Röderhof entstand in der späten DDR und hatte ursprünglich das viel größere Röderhofer Schloss als sein Domizil auserkoren. Nach der politischen Wende wich das Wechselspiel von netter Förderung und finsterer Ungnade der DDR-Kulturbürokratie dem bundesdeutschen Verwaltungsrecht. Der Alteigentümer stand auf der Matte und der Kunstverein zog um in ein Gebäude der alten Gutsbrauerei.
Heute wird der Verein durch das Engagement einiger weniger Enthusiasten angetrieben. Jörg Wunderlich nennt Olaf Wegewitz: "Er ist einer der Initiatatoren, selbst ein wichtiger Künstler dieses Landes, wohnt seit den 1980er Jahren hier und hat auch Leute vor Ort für die Vereinsarbeit gewinnen können. Alles in allem ein großer Gewinn für den Nordharz und für Sachsen-Anhalt."