Die pauschale Entscheidung vom 15. April, Gottesdienste auch weiterhin nicht zuzulassen, ist nicht nur unverhältnismäßig und unsensibel (um nicht Attribute wie unchristlich, inhuman, unsozial, verfassungswidrig und gemeinwohlgefährdernd zu verwenden). Sie entbehrt auch an Logik und Nachvollziehbarkeit angesichts der angekündigten stufenweisen Lockerungen, um Wege zurück zur "Normalität" zu finden.
Enttäuschte Katholiken, Schweigende Protestanten
Das muss auch die beiden großen Kirchen und alle anderen Glaubensgemeinschaften einbeziehen, nicht nur Schulen, Geschäfte und andere gesellschaftliche Bereiche. Katholische Amtsträger, insbesondere die katholische Bischofskonferenz, haben bereits sogleich ihre Enttäuschung und ihr Unverständnis an diesen verlängerten Einschränkungen deutlich gemacht, was in vielen Medien und Stellungnahmen nachlesbar ist und hier nicht wiederholt werden braucht. Von evangelischer Seite war dies leider nicht zu vernehmen, wohl auch nicht zu erwarten.
Innerkirchliche und sonstige Gräben könnten wachsen
Wenn sie weiterhin - nicht erst seit Corona - so zurückhaltend und allgemeinverbindlich brav alles hinnehmend auftritt, braucht sie sich über weiter schwindende Bedeutung und Akzeptanz in der Gesellschaft nicht zu wundern. Auch die innerkirchlichen Gegenstimmen, Kontroversen, ja Proteste und Widerstände werden weiter wachsen, wenn die evangelischen Würdenträger nicht ihre (unser aller!) verfassungsmäßig garantierten Rechte einfordern, nicht ihre Stimme erheben und die Kirchen somit bei der angedachten sonstigen Lockerung der Maßnahmen außen vor bleiben. Sollen gar christliche Märtyrer provoziert werden, die den Staat und/oder die Kirche anklagen ...? Die innerkirchlichen und sonstigen Gräben könnten in den nächsten Monaten unüberwindbar und tief werden - jenseits aller Sicherheitsabstände!
Die Kirche muss jetzt und gerade in diesem gesellschaftlichem Ausnahmezustand mit ihren Möglichkeiten, ihrer Aufgabe und Botschaft wahrgenommen werden, wahrhaftig und erkennbar sein, wenn sie auch in Zukunft noch ernst genommen werden will - auch von ihren eigenen Mitgliedern!
Wenn das sogar Supermärkte schaffen..
Selbstverständlich sind auch die Kirchen in der Lage, wie die Geschäfte, Läden, Firmen, Schulen, öffentlichen Einrichtungen usw. die Lockerung der bisher strikten Verbote durchzuführen, zu moderieren, kommunizieren und zu kontrollieren, das heißt konkret Gottesdienste, Seelsorge, kirchliches Leben wieder in verantwortbaren Formen und Größenordnungen - natürlich unter Einhaltung der geforderten Sicherheitsabstände und -vorschriften - veranstalten zu können. (Kirchliche Großveranstaltungen gibt es kaum. Die Hirten können meist ihre Schäfchen zählen ...)
Dabei sind alle Kirchenmitglieder, insbesondere Gemeindekirchenräte und Hauptamtliche, gefragt, kreative und sichere Möglichkeiten dafür zu finden, ggf. zeitlich und örtlich versetzte Veranstaltungen, in Schichten, für Altersgruppen oder wie auch immer. Es muss auch kein Bischof oder Politiker vorgeben, wie es gemacht werden kann und soll. Jede Kirchengemeinde wird je nach (Gemeinde- und Kirchen) Größe, Gottesdienstbesucherzahl, Räumlichkeiten und sonstigen Gegeben- und Besonderheiten herausfinden, was regelkonform wie wann wo und wie oft möglich ist!
Gemeinden nicht länger ausbremsen
Auch dürfen die Pfarrer ihre Gemeinden nicht weiter bremsen, zum Teil. Kontakte und Besuche verbieten ... Selbstverantwortlich und -organisiert werden die Verantwortlichen neue Wege und Formate finden, bei Einhaltung der Verhaltensregeln. Wenn das sogar die Supermärkte schaffen ...
Die meisten Kirchen und Gemeindehäuser sind groß genug, damit die Abstände usw. eingehalten werden können. Im Sommer kann auch vieles draußen passieren, veranstaltet werden ... OpenAir-Gottesdienste oder oder - nur zu! Dann haben auch endlich diejenigen etwas davon, die nie eine Kirche oder ein Gemeindehaus betreten würden ... Geht endlich hinaus in die Welt, da wo die Menschen sind und verkrümelt Euch nicht weiter hinter Kirchenmauern oder versteckt Euch hinter Euren Smartphons und Laptops!Bischöfe, Pfarrer: bestärkt die Gemeinden dabei! Seelische Gesundheit und frische Luft für die Kirchen ist genauso überlebensnotwendig.
Haben die Kirchenoberen kein Vertrauen in ihre meist verantwortungsvoll handelnden Kirchenmitglieder? In der Welt habt Ihr Angst ...?! Es werden schon genug Ängstliche usw. zu Hause bleiben und nicht/nie wiederkommen. Außerdem sind Gemeinden nicht dafür bekannt, dass ihre Mitglieder übermäßig über die Stränge schlagen und undiszipliniert sind ... 🙂 Corona-Party in der Frauenhilfe oder was? Nein!
Haben die Kirchenoberen kein Vertrauen?
Das kirchliche Leben, Christen und Gemeinden sind gesellschafts- und systemrelevant - waren sie schon immer!
Es kann und darf nicht sein, dass es noch wochen- oder sogar monatelang keine Gottesdienste gibt!!! Über die vielen Folgen brauche ich hier nicht zu reden ... Das wäre auch gesellschafts- und gesundheitsgefährdend!
Wie / So viele ältere Gemeindemitglieder (über)leben von Sonntag zu Sonntag, von Gottesdienst zu Gottesdienst, von Kirchenkaffee zu Gemeindenachmittag, von Seniorenkreis zu Hauskreis. Es gibt auch noch andere Todesursachen als Corona ...
Unvorstellbar und erschreckend ist der Gedanke, dass es noch im Hochsommer bei 30 - 40 Grad keine Gottesdienste gibt, obwohl gerade die teilweise riesengroßen Kirchen und Gemeindesäle die dringend benötigte Abkühlung und das Überleben sichern. Zudem werden viele im Sommer keinen Urlaub mehr haben, nehmen können, aus plausiblen Gründen ...
Vermutlich werden allein durch die Sommerhitze mehr Menschen hier sterben als durch Corona ...
Urlaube in kühleren Gegenden der Welt sind unwahrscheinlich - die meisten werden im heißen Hochsommer zu Hause bleiben müssen, oft in kleinen überhitzten Wohnungen. Vermutlich werden allein durch die Sommerhitze mehr Menschen hier sterben als durch Corona ... Im Sommer schaut dann auch kaum einer mehr Online-Gottesdienste, sonnengeblendet, schwitzend, sich nach kühlen Kirchen sehnend ... Was jetzt noch originell und zum Teil witzig sein mag, die ganze "Online-(Ersatz-)Bespaßung", werden die meisten spätestens im Sommer satt haben und sich die gewohnte kirchliche und traditionelle Normalität zurück wünschen.
Fangen wir bald damit an, bevor viele der Kirche abhanden kommen und überdrüssig werden, sich an Online-Gottesdienste gewöhnen, sich das Abendmahl nach Hause bestellen, vom Laptop gesegnet werden und in der virtuellen digitalen Welt verlustig gehen. Sonst könnten wir in einigen Jahren zurückblickend feststellen: Ja damals 2020 haben wir alle gemeinsam Corona besiegt ... und die Kirche gleich mit! Operation gelungen - Patient tot!
Andres Thulin, am 16.4.2020