Neben mir sitzt Cosima von "Mastanlagen Widerstand". Die Aktionsgruppe hat am 19. Mai in Möckern die Zufahrt zu "Wiesenhof" blockiert und ich habe die Cosima eingeladen, um über Massentierhaltung, den Widerstand dagegen und über ihre persönliche Befindlichkeit zu reden.
Was ist das für ein Aktionsbündnis, was bedeutet Mastanlagenwiderstand und welche Ziele verfolgt Ihr?
Mastanlagenwiderstand ist ein 2012 gegründetes Aktionsbündnis das sich zur Aufgabe gemacht hat Hühnermastanlagen direkt zu verhindern. Wiesenhof haben wir uns ausgesucht um systematisch Druck auf ein Unternehmen auszuüben, das industrielle Tierhaltung im ganz großen Stil betreibt und damit deutlich macht, wie Tiere ganz routiniert zu einem Produkt und zu Ware gemacht werden.
Wenn man sich die Webseite anschaut, sieht es danach aus, als ob es eher viele Gruppen gibt. Agiert Ihr bundesweit oder nach dem Regionalgruppenprinzip?
Gegründet wurde der Widerstand von Tierrechtsaktivistinnen und -aktivisten vor allem im süddeutschen Raum. Wir haben festgestellt das vor allem in Bayern ganz viele Hühnermastanlagen, eben auch durch Wiesenhof, in Planung sind, in Genehmigungsverfahren oder bereits im Bau.
Rein kapazitätsbedingt würden wir es nicht schaffen, in ganz Deutschland in die Genehmigungsverfahren von Mastanlagen einzugreifen oder öffentlichkeitswirksame Aktionen zu planen und deswegen haben uns entschieden, weiterhin vor allem im süddeutschen Raum aktiv zu sein. Gleichzeitig gibt es weitere Gruppen, mit denen wir vernetzt sind. Es gibt z.B. in der Nähe von Hannover Rothkötter, eine große Schlachtfabrik, in der Millionen Hühner im Akkord getötet werden und dort gibt es auch eine Kampagne, die sich vor allem gegen diese Schlachtfabrik und die dort entstehenden Mastanlagen engagiert. Erst vor kurzem hat sich hier ein eigentlich in der Region und auch um Berlin herum, eine Gruppe gegründet, die sich Tierfabrikenwiderstand nennt, auch in Anlehnung an unser Aktionsbündnis, und die darauf aufmerksam machen will, dass auch hier viele Mastanlagen gerade in Entstehung sind.
Wie kommt es, dass du in Sachsen- Anhalt unterwegs bist?
Ich studiere seit Oktober in Halle und habe davor aber im Raum Stuttgart gewohnt, hab vor allem im letzten Jahr auch viel in Bayern gearbeitet, weil sich das so ergeben hat und da ist uns ganz massiv aufgefallen, wie viele Tierfabriken dort entstehen.
Bei eurer letzten Aktion hier in der Region habt ihr euch an Betonfässer gekettet und so den Zufahrtsweg zur Fabrik blockiert, die Arbeit des Betriebes also „erfolgreich“ behindert. Ihr seid da ja also auch schon ein bisschen „konfrontativ“ unterwegs. Gibt es für Euch auch Optionen, mit „ruhigeren“ Möglichkeiten zu arbeiten, wie es z.B. Umweltverbände tun, die es über den Rechtsweg oder den parlamentarischen Weg versuchen?
Also vor der Blockade in Möckern, haben wir schon ein Jahr zuvor eine andere Schlachtfabrik von Wiesenhof in Bayern blockiert. Damit wollten wir schon darauf aufmerksam machen, was dort passiert und wollten uns auch ganz bewusst dieser Maschinerie, die millionenfach Tiere im Akkord tötet, in den Weg zu stellen.
Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass viel reden und viel diskutieren, nicht automatisch auch viel bringt. Es werden jeden Tag in ganz Deutschland neue Mastanlagen gebaut und befinden sich im Genehmigungsverfahren und industrielle Tierhaltung nimmt in der Kapazität ständig zu. Reine Öffentlichkeitsarbeit zu machen finden wir gut und wichtig, machen wir auch. Aber wir wollen auf verschiedenen Ebenen aktiv sein. Wir sind auch mit Bürgerinitiativen, die sich vor Ort engagieren, mit anderen Tierrechtsgruppen in Kontakt, aber gleichzeitig ist uns wichtig, dass wir auch ganz direkt eingreifen können, uns in den Weg stellen können und zeigen, das wir da sind und das wir nicht nur auf kommunikativer Ebene aktiv sein wollen, sondern unseren Widerstand möglichst effektiv gestalten wollen.
Welche Erfahrungen habt ihr bei Blockaden vor Ort mit den Menschen gemacht, die dort wohnen? Wir Deutsche essen ja wirklich eine Menge Fleisch. Wie also ist das Verständnis ist, wenn ihr da so auf der Straße sitzt..?
Es gibt immer ganz unterschiedliche Reaktionen. Einmal würde ich sagen, gibt's die Menschen, die das erst mal verstehen, die die skandalösen Bilder aus der industriellen Tierhaltung, wo Grausamkeiten aufgezeigt werden, aus den Medien kennen. Sie finden, dass was wir machen, unterstützenswert. Aber gleichzeitig gibt es auch Menschen, z.B. wie jetzt in Möckern viele Schlachtfabrikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die schon ihren Unmut gegen die Aktion die wir gemacht haben, ausgedrückt haben.
...mit welcher Begründung?
Vor allem, dass sie ihren Arbeitsplatz bedroht sehen und da haben wir auch versucht, zu sagen, dass es eben nicht darum geht, Arbeitsplätze wegnehmen zu wollen, sondern das es uns wirklich „nur“ darum geht, das Tiere dort Tag täglich brutal ausgebeutet werden.
Wir sehen aber auch, es gab z.B. Fernsehbeiträge im letzten Jahr, wie genauso die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schlachtfabriken ausgebeutet werden, das sie schlecht bezahlt werden, das sie unter unwürdigen Bedingungen dort arbeiten müssen. Das ist auch ein Thema das wir aufgreifen wollen und wo wir auch zeigen wolle, dass wir auch uns zusammen gegen dieses System auflehnen können und gegen einen Konzern der keinerlei Rücksicht nimmt auf Menschen, auf Tiere und auf die Umwelt.
Wie steht ihr als Aktionsbündnis direkt zum Fleischkonsum, also in Hinsicht auf die moralisch-ethischen Aspekte? Es gibt ja in neuerer Zeit viele Studien, die zeigen das Tiere genauso eine sensitive Wahrnehmung haben wie wir Menschen, dass wir alle dicht beieinander sind, Schweine sind z.B. ganz intelligente Tiere. Wie seht/ beurteilt ihr das?
Also mit unseren Aktionen wollen wir schon vordergründig darauf aufmerksam machen, wie Tiere behandelt werden, dass sie durch industrielle Tierhaltung keine Lebewesen sind, sondern zu Ware und Produkten gemacht werden. Fleischproduktion hat viele Auswirkungen und was wir eben besonders sehen und was wir mit unserer Arbeit in den Fokus stellen wollen, ist dass das Tiere empfindsame Lebewesen sind, die alle individuelle Bedürfnisse haben, die gerne in einem sozialen Gefüge leben, die, also jetzt bei Hühnern worum es ja auch bei Wiesenhof geht. Und Hühner baden total gerne im Sand in der Sonne, haben eigentlich eher kleine soziale Gruppen, kommunizieren miteinander und das geht alles unter in einem Betrieb, in dem tausende Tiere zusammengepfercht leben müssen, die 30 Tage lang, ehe sie im Akkord geschlachtet werden. Und da ist es überhaupt nicht wichtig, wie Hühner empfinden, das es Lebewesen sind, und das sie nicht nur als Ware angesehen und keinen anderen Wert haben, außer einem wirtschaftlichem.
Geht es Euch also gar nicht so sehr um Fleischkonsum an sich , sondern eher um Tierrechte und das gleichberechtigte Miteinander von Mensch und Tier, die Einheit aller Lebewesen usw..?
Ja, es geht auf jeden Fall um was übergreifendes, also wir wollen schon in Frage stellen, wie Tiere in unserer Gesellschaft gesehen werden, wie damit umgegangen wir, aber eben auch in Zusammenhang mit unserer kapitalistischen Wirtschaft...
Mir selber geht's auch darum, zu thematisieren, was wir für eine Gesellschaft wollen, wie wir mit anderen Lebewesen umgehen möchten und die meisten der Menschen, die an unseren Aktionen teilnehmen, leben auch vegan, also essen keinerlei tierische Produkte. Bei mir war es selber so, dass ich einige Jahre vegetarisch gelebt habt und mich dann vor neun Jahren entschieden hab, vegan zu leben und das auch ein Beweggrund war, dass ich nicht nur vegan leben wollte, für mich eine Konsumentscheidung treffe, sondern das ich das auch nach Außen tragen will, Öffentlichkeitsarbeit machen möchte, weil ich ja auch alle möglichen Mittel dazu hab, also, ich sehe mich nicht so sehr bedroht in meinem Lebensraum, oder hab das Gefühl, dass ich in irgend einer Weise in meiner Existenz gefährdet bin und deswegen denke ich auch, dass ich Möglichkeiten habe, an einer Veränderung mitzuwirken und vielleicht auch ein Stück weit für andere Lebewesen zu kämpfen und mich für die einzusetzen, die nicht die Möglichkeit dazu haben.
Welche persönlichen Schlüsselerlebnisse gab es für dein jetziges Handeln als Aktivistin?
Als ich angefangen hab vegetarisch zu leben, gab es auf jeden Fall ein Schlüsselerlebnis, nämlich ne ganz simple Geschichte: Meine Familie hatte ein Kaninchen aus dem Tierheim adoptiert. Das Kaninchen war damals aber schon sehr krank, meine Mama hat sich dann dazu entschieden, das Kaninchen einschläfern zu lassen, was bei ihr die Reaktion hervorgerufen hat, dass sie uns erzählt hat, dass sie ab jetzt kein Fleisch mehr essen möchte, was ich damals auch nachvollziehen konnte.
Ich hab damals die Verbindung zwischen dem Stück Fleisch auf meinem Teller und dem Tier gar nicht gesehen, ich war ja auch noch relativ jung, und hab dann mit 13 den Zusammenhang zwischen Fleisch und anderen tierischen Produkten erst begriffen und hab festgestellt, dass ich eigentlich an einer Veränderung interessiert bin und die Gesellschaft, so wie sie Moment funktioniert und existiert, mehr mitgestalten will und Ungerechtigkeiten auch ein Stück weit einschränken will, sofern ich das kann...
Kennst Du das Gefühl von Angst bei euren Aktionen, zum beispiel vor persönlichen Repressalien, vor Polizeieinsatz, oder dass die Security dann "durchgreift". Da geht's ja auch um physische Gewalt und ich kann mir vorstellen, dass das auch Angst macht..
Ja so bei direkten Aktionen, wie z.B. einer Blockade, bei der man sich direkt in den Weg stellt, ist es oft so, dass auch staatliche Repressionen folgen, dass es immer wieder auch zu Übergriffen kommt, dann auch später in Polizeigewahrsam z.B.. Es gibt auch viele Erfahrungen von Menschen, die an Aktionen teilgenommen haben, aber gleichzeitig, wenn ich so eine Aktion mach', dann entschließe ich mich auch dazu, für diese direkte Aktionsform, weil ich genauso sehe, dass es z.B. jetzt in diesem Fall Millionen Tiere gibt, die schreckliche Qualen erleiden müssen und wenn ich mir das vor Augen ruf' und mir das vorstelle, dann weiß ich das das wenig ist, ist im Vergleich dazu. Also was ich dann durch Repressionen leiden muss. Und ich möchte auch nicht, dass mich das so einschränkt, dass ich eigentlich nichts mehr machen kann, weil, wenn ich mich für irgendwas engagier', dann werden mir immer wieder Steine in den Weg gelegt, weil es m.M. nach nicht unbedingt gewünscht ist.
Ich hab das Gefühl in einem System zu leben, in dem Wirtschaft wichtiger ist, als die Interessen einzelner Lebewesen und Menschen, die sich engagieren, sei es gegen industrielle Tierhaltung, aber genauso gegen Abschiebung von Menschen und andere Formen der Unterdrückung, haben es dann sehr oft mit staatlicher Repression zu tun. Im Umkehrschluss heißt das für mich eben nicht, dass ich deswegen weniger machen will, sondern es wird für mich noch wichtiger, weil ich merk', dass ich auf Widerstand stoße und das es wichtig ist, was ich mach' und ich nur Veränderungen hervorrufen kann, wenn ich ein gewisses Risiko eingehe.
Welche weiteren Pläne habt ihr als Aktionsbündnis und wie ist es möglich, Euch trotz schneller und unangekündigter Aktionen zu unterstützen?
Momentan versuchen wir weiterhin in Genehmigungsverfahren einzugreifen, von Mastanlagen die vor allem im süddeutschen Raum entstehen. Wir wollen Öffentlichkeitsarbeit machen, wir haben angefangen einen Gide zu erstellen, wie einzelne Leute in Genehmigungsverfahren eingreifen können und wie man erst mal aufmerksam wird, wenn Tierfabriken in der eigenen Umgebung entstehen.
Da gibt es eigentlich viele Möglichkeiten sich einzubringen und das Aktionsbündnis ist auch darauf angelegt, das Menschen die kommen und sagen, sie wollen was machen, das sie den Widerstand ausmachen. Es gibt nicht einzelne Leute, die vorgeben, was gemacht wird, sondern wir profitieren ständig voneinander und von dem was einzelne Menschen gerne machen und motiviert sind, was zu tun , was zu bewegen und deshalb freuen wir uns immer total über interessierte Menschen, über einen Austausch, über Menschen, die Lust haben was zu bewegen und zu erreichen. genau so ist es wichtig, dass wir finanziell unterstützt werden, gerade bei so öffentlichkeits wirksamen Aktionen, wie bei der letzten Blockade, werden wahrscheinlich Gerichtskosten anfallen, die wir nicht alleine tragen können und wo wir uns über Unterstützung freuen.
Und Leute, die interessiert sind, können sich sehr gerne bei uns melden, eine Mail schreiben, über Facebook mit uns in Kontakt treten, oder, wir haben immer wieder Infostände, z.B. auf veganen Straßenfesten oder auf Demonstrationen, die sich mit Tierrechten beschäftigen, wie Anti-Pelz-Demonstrationen. Es gibt monatliche Vernetzungstreffen, wo man gerne dazu stoßen kann, sich einen Eindruck von der Gruppe verschaffen kann und ansonsten einfach übers Internet kontaktieren. Wir freunen uns über Menschen, die interessiert sind und Lust haben sich einzubringen.
Eure Adresse ist mastanlagen-widerstand.de, das ist euer Blog.
Ja, auf Facebook ist es www.facebook.com/mastanlagenwiderstandbuendnis
Cosima, ich danke dir für das Gespräch... Ich danke auch...
Interview und Foto: T. Streifinger