Nicht erst in Zeiten des Bienensterbens gibt es eine Nahrungskonkurrenz zwischen Wild- und Honigbienen. In Westdeutschland werden sogar schon Imker aus Schutzgebieten vertrieben.
Der nationale Bienenaktionsplan des BUND hält sich vornehm zurück, thematisiert zunächst die hohen Verluste von Honigbienen-Völkern. Im Frühjahr 2017 sind in intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen bis zu 50 Prozent der Völker gestorben. Das Immunsystem der Bienen wird durch Hunger und einseitige Ernährung geschwächt. Das macht sich die Varroamilbe (Varroa destructor) zu nutze. Hinzu kommen Insektizide in Überdosis auf den Äckern, Saatgutbeize mit Neonicotinoiden, Viren, Pilze und die zunehmende Artenverarmung in unseren Agrarlandschaften.
Doch es hungern und sterben nicht nur die Honigbienen. Laut Roter Liste sind von den fast 560 in Deutschland beheimateten Wildbienenarten 197 Arten gefährdet, 31 vom Aussterben bedroht und 42 Arten stehen auf der Vorwarn-Liste. Aus ökologischer Sicht wiegt der Verlust der Wildbienen schwerer als Ausfälle in den Reihen der Honigbienen. Doch das großstädtische Bionade-Bürgertum ist beim Insektenschutz ganz auf die Honigbiene fixiert. Der Aufschrei ist groß, wenn amtliche Umweltschützer wie kürzlich bei Stuttgart Honigbienen aus Schutzgebieten verbannen wollen. Denn laut Bundes-Naturschutzgesetz ist es „strengstens verboten, in ein Naturschutzgebiet fremde Tiere einzubringen“.
Insektenschutz neu denken
Die Honigbiene ist auf Grund ihrer fehlenden Nahrungs-Spezialisierung weniger gefährdet als viele unserer Wildbienenarten, die meist solitär leben. Wohlverstandene Schutzmaßnahmen sollten primär den wildlebenden Insekten gelten. Hoch gefährdet ist auch unsere ursprünglich einzige einheimische Honigbienenart, die Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera). Diese robuste und wehrhafte Art kommt in relativ kleinen Volksstärken vor, toleriert Kälte gut, produziert aber nur relativ wenig Honig. Die Dunkele Honigbiene wurde als Nutztier abgelöst von importierten, vielfach gekreuzten Hochleistungs-Rassen aus verschiedenen Ländern, "die genauso wenig natürlicher Bestandteil unserer Fauna sind wie eine preisgekrönte Hochleistungs-Milchkuh." (Werner David)
Moderne Honigbienenköniginnen haben eine Legeleistung von über 1500 Eiern täglich und brauchen sich um geeigneten Nistraum keine Sorgen machen. Wildbienen hingegen sind auf geeignete Kleinstrukturen für die Anlage ihrer Brutzellen angewiesen und haben eine geringe Fortpflanzungsrate. Ein Weibchen kann im Verlauf ihres vier- bis sechswöchigen Lebens maximal 10 bis 30 Brutzellen anlegen. Durch Nässe, Befall mit Schimmel, Räuber und Parasiten entwickeln sich aber immer nur ein Teil der Larven, ein Teil des Nachwuchses sind Männchen. Letztendlich schlüpfen im nächsten Jahr maximal zehn fortpflanzungsfähige Weibchen.
Überhöhte Honigbienendichte einerseits und ein Mangel an Pollen, Nektar und geeigneten Niststrukturen verschärfen die Nahrungskonkurrenz zwischen Honigbiene und Wildbienen. Hinzu kommen unterschiedliche Lebensspannen: Wildbienen haben eine Lebensdauer von 4-6 Wochen, ein Hochleistungs-Bienenstock ist die ganze Saison aktiv und kann Schlechtwetter-Einbrüche mit Hilfe der Vorräte im Stock abpuffern. Im Notfall steht der Imker mit Zuckerlösung und einem reich gefüllten Arzneimittelkoffer bereit.
In Naturschutzgebieten üben Honigbienenvölker einen hohen Konkurrenzdruck auf die dort noch gut vertretene Insektenfauna aus. In solchen Arealen ist die Bestäubung durch Wildbienen, Wespen, Schwebefliegen und andere Insekten zu 100% gewährleistet. Aus Sicht des Naturschutzes bringt der Einsatz von Honigbienen hier also nur Nachteile. Auch die Forderung, Honigbienen vermehrt in den Städten anzusiedeln, ist aus Sicht des Natur- und Artenschutzes eher kritisch zu sehen. Großstädte sind längst struktur- und artenreicher als die ausgeräumten Agrarlandschaften. Zur Weiterentwicklung urbaner Zentren ist eine vielfältige und gut genährte Wildbienen-Fauna zwingend erforderlich.
Was wäre nun zu fordern?
Bienenschutz sollte nicht ausschließlich auf den Honigbienenschutz reduziert werden, sondern sollte als Natur- und Strukturschutz verstanden werden, der alle Arten fördert. Alle Maßnahmen, die beitragen, die Strukturvielfalt unserer Landschaft zu erhöhen und zu einer blüten- und artenreichen Vegetation beitragen, müssen verstärkt gefördert werden. Diese Maßnahmen nützen immer auch der Honigbiene und entzerren damit die Nahrungskonkurrenz zu den Wildbienen.
Bei Ansaaten und Pflanzungen sollte das Hauptaugenmerk nicht auf profitable Trachtquellen für die Honigbiene gerichtet werden, sondern auf die Bedürfnisse möglichst vieler Insektenarten. Wünschenswert wäre auch die gezielte Wiedereinbürgerung der ursprünglich bei uns heimischen Honigbienenrasse, der Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera), die im Gegensatz zu den zahlreichen importierten Zuchtrassen optimal an unsere Lebensräume angepasst ist.
Nationaler Bienenaktionsplan des BUND
Evertz, Stefan: Untersuchungen zur interspezifische Konkurrenz zwischen Honigbienen (Apis mellifera) und solitären Wildbienen (Hymenoptera Apoidea). Diss. RWTH Aachen 1993
Stadt stuft Honigbienen als Störenfriede ein
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