Andreas Hünert studierte nach einer Lehre als Versicherungskaufmann evangelische Theologie und Geschichte. Als Agenturleiter berät er heute Menschen zu nachhaltiger Altersvorsorge und Versicherungen. Jörg Wunderlich sprach mit ihm über die Möglichkeit, mit einer ethischen Agenda auf den Kapitalmärkten zu agieren.
Ich falle mal mit der Tür ins Haus: Warum müssen Versicherungen das Geld ihrer Kunden eigentlich am Kapitalmarkt vermehren und können nicht auch mit einem solidarischen Umlagesystem ihre Mitglieder absichern?
Das wäre sogar möglich, aber dann hätten wir das System, was die gesetzliche Rentenversicherung ausmacht, wo der Staat verspricht, für die Beiträge später eine Rente zu zahlen. Wenn ich das als privater Versicherer tun würde, müsste ich garantieren, dass ich in 30 Jahren noch Kunden habe, die genug einzahlen. Das funktioniert de facto nicht. Das heißt, die einzige Möglichkeit, die wir haben, für eine Auszahlung zu garantieren ist, hierfür Rücklagen zu bilden. Dafür gibt es gesetzliche Vorschriften, wie wir als Versicherer zu handeln haben. Das läuft bei der Privatrente aber auch bei der privaten Krankenversicherung.
Wie würden Sie ökologische, ethische und nachhaltige Anlagen voneinander abgrenzen?
Ökologisch bedeutet für uns, dass im Sinne der Schöpfung die Natur erhalten wird. Windkraft statt Braunkohle - das wäre eine ökologische Investition.
Nachhaltigkeit besagt, dass ich für alles was ich wegnehme ein Äquivalent schaffen muss. Für jeden Baum den ich Fälle, muss ich einen neuen pflanzen. Für jeden Mitarbeiter der für mich arbeitet, muss ich sorgen, damit der nicht Schaden nimmt. Und ein ethisch-moralischer Impetus verbindet das wiederum in dem Sinne, dass ich auch das Ganze im Blick behalten muss. Eine ökologische Anlage könnte durchaus nicht ethisch sein, wenn ich den Windpark in ein Wohngebiet stelle und damit Menschen und Tieren schade.
Glauben Sie dass sie mit Ihrem Ansatz die Welt verändern können?
Es ist ein wirksames Zeichen, wenn es immer mehr Menschen auch beim Geldanlegen Verantwortung zeigen. Im Bankenbereich ging das vor zehn Jahren los. Im Versicherungsbereich gibt es zwar viele Unternehmen die eine Fondspolice im Angebot haben, wo man sich auch für Nachhaltigkeit entscheiden kann, aber das übrige Geschäft bleibt dann davon unberührt. Dann gibt es wie im Supermarkt auch die Bio-Tüte im Angebot. Wir dagegen sagen: Jeder Euro, den wir am Kapitalmarkt investieren müssen, ist nachhaltig anzulegen.
Dabei kommt man schnell an Grenzen, denn es gibt nicht die eine gute Firma. Aber es gibt K.O. - Kriterien, wie z.B. Kinderarbeit, Umweltzerstörung oder Waffenproduktion. Hinzu kommen Verbote die sich aus unserem Selbstverständnis als christliches Unternehmen ergeben. Dazu zählen Anleihen von Staaten, die ABC-Waffen besitzen, aber auch die Alkoholproduktion. Wenn man nach den Richtlinien der BaFin investieren muss, kommt man nicht darum herum in große internationale Gesellschaften zu investieren und da hat jede ein paar Leichen im Keller. In dem Fall müssen wir überlegen wie wir damit umgehen und wie wir es gewichten. Dabei stützen wir uns auf Fach-Ratings von NGOs, die entsprechende Listen erstellen.
Das ist ja eine straffe Agenda ..
Ja, wir müssen in dem Spannungsfeld zwischen Vorgaben der BaFin und der eigenen Moral die Lücke finden.
Die Kapitalmärkte sind anonym und intransparent. Wenn man sich als Ottonormal-Riesterer gar nicht darum kümmert, was mit dem eigenen Geld passiert, heißt das im Extremfall, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit sich auch von Kinderarbeit und anderen Verwerflichkeiten das Altersauskommen finanzieren lässt?
Mit ziemlicher Sicherheit. Die großen Gesellschaften investieren weltweit in sämtlichen Staaten Und man kann sich sicher sein, dass die in alles investieren was irgendwie Rendite bringt. Der Einzelne hat also eine hohe Verantwortung, denn es geht um beachtliche Zahlen. Ein verbeamteter Lehrer mit privater Krankenkasse und einer Riesterrente kommt mit 65 durchaus auf eine sechsstellige Rücklagesumme.
Wir erleben gerade den Abschied vom Zinsmodell im Kapitalismus. Der Negativzins ist mittlerweile Realität. Es wird also schwieriger überhaupt Rendite am Kapitalmarkt zu erzielen. Sind Ethisch-nachhaltige Anlagen davon ebenso betroffen?
Niedrigzinsen sind ein Problem das alle privatwirtschaftlich arbeitenden Unternehmen haben. Es ist aber auch gesund, von den übermäßigen Zinserwartungen wegzukommen, weil vieles früher nur aus Renditeaspekten verkauft worden ist. Der Sinn solcher Verträge ist ja ein anderer.
Könnte man also sagen, dass nachhaltige Investments bereits generell schon Verzicht auf Gewinn und Wachstum beinhalten?
Es gibt Studien, die zeigen, dass nachhaltige Anlagen wenn man sie langfristig beobachtet, tatsächlich besser da stehen als der übrige Markt. Nehmen wir das Beispiel Volkswagen – mit solchen Schummeleien kann man erst mal kurzfristig durchaus Geschäft machen, aber es rächt sich jetzt natürlich.
Oder ein anderer Fall: Wenn man sich nicht um die Mitarbeiter kümmert, keine soziale Versorgung anstrebt, sie sogar ausbrennen lässt, sorgt das natürlich für kurzfristige Rendite. Langfristig nützt das nichts. Wenn wir selbst darauf schauen wollen, was wir als Gesellschaft erwirtschaften, dann liegen wir im Ranking im Durchschnitt, also auf keinen Fall schlechter.
Riester und Rürup wurden massiv von Politik und Medien beworben und Millionen Verträge wurden abgeschlossen. Ist es denn so ohne weiteres möglich, diese zu wechseln, wenn man sich für Nachhaltigkeit und Ethik entscheidet?
Dieses Problem ist mir im Alltag gut vertraut. Es kommen Kunden zu mir mit einem laufenden Vertrag zur Altersvorsorge und fragen mich, und ich zitiere: 'Wie kann ich dafür sorgen, dass meine Vorsorge nicht mehr mit schmutzigem Geld finanziert wird.?' . Meinen Golf kann ich verkaufen und gegen ein Elektroauto eintauschen – das geht ohne Probleme.
Wenn man die Versicherung wechselt geht das im Riesterbereich sehr wohl, wenn auch mit Nachteilen durch Verwaltungsgebühren und einen möglichen Grantiezinsverlust. Im Bereich der Basisrente, Stichwort Rürup, ist eine Wechselmöglichkeit zwar gesetzlich vorgesehen, aber konkret in den AGB der Gesellschaften meist gar nicht hinterlegt. Dort muss man notfalls mit Anwälten eine Freigabe des Vertrages erstreiten. In diesem Bereich da begleite ich gerade einen Präzedenzfall.
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