Seit dem 4. April und bis zum 7. Juli ist im Museum der bildenden Künste Leipzig unter dem Titel „Peace is Power“ eine Werkschau der Konzeptkünstlerin Yoko Ono zu sehen. Sie ist eine der wichtigsten Protagonist*innen der Kunstrichtung Fluxus. Mit rund 70 zum Teil sehr großen Werken und Werkreihen füllt die Ausstellung den gewaltigen Bau des Museums aus und selbst übergroße Installationen haben genügend Raum.
Das Museum der bildenden Künste (MdbK) ist ein offensives Haus und scheut vor der Moderne nicht zurück. Da wird dem Besucher schon mal ein einfamilienhaushoher, Blut spuckender Tyrannus Rex „zugemutet“. Nun stehen da also Yoko Onos Wendeltreppe in den Himmel oder ein Flüchtlingsboot, das zum Bemalen freigegeben ist, oder eine wandgroße Fläche, auf der wir unserer „Mom“ schreiben sollen, „how wonderful she is“. So sollen wir „Teil des Werks werden, um das Werk entstehen zu lassen“ (Alfred Weidinger, Museumdirektor).
Der große, zentrale Raum im 3. OG scheint auf den ersten Blick ein Zitat aus einer Bundesgartenschau: Vogelgezwitscher und der Duft von Zitronen füllen den Raum.
Hundert Holzkisten sind aufgestellt, sie haben die Form von Särgen. Aus einer Öffnung im Sarg wächst je ein mediterranes Gewächs: Mandarinen-, Zitronen- oder Olivenbäumchen bilden ein Kunstwäldchen … Tod und Auferstehung sind hier das Thema. „Ex It“ wurde vom Museum nach einer Anweisung („instruction“) der Künstlerin gebaut, ist also kein Originalwerk – eine Kunst, die das Werk in seiner Einzigartigkeit zugunsten des Machens, des EVENTS abschafft, kann überall neu erschaffen werden. Konzeptkunst wird das genannt: Idee und Ausführung sind das „WERK“.
In „we are all water“ werden wir auf unsere Gleichartigkeit hingewiesen: Flaschen voller Wasser tragen je den Namen eines berühmten „Wassercontainers“: Beethoven etwa oder Aragon oder J.W. von Goethe oder …
water talk
you are water
I’m water
we’re all water in different containers
that’s why it’s so easy to meet
someday we’ll evaporate together
but even after the water’s gone
we’ll probably point out to the containers
and say, “that’s me there, that one.”
we’re container minders
Der grüne Granny Smith muss in der Installation „Apple“ geduldig auf sein Faulen warten – alles ist vergänglich, lernen wir da.
Soldatenhelme aus dem Zweiten Weltkrieg hängen in „Helmets“ von der Decke, in ihnen Puzzleteile, die zusammengesetzt den Himmel wiederherstellen sollen, falls wir BesucherInnen uns dereinst mal wieder treffen sollten. Im selben Raum hat Ono Fotos ihres Vaters, ihres Mannes und ihres Sohnes in ein Gesicht verschmelzen lassen und damit die Männer, die in ihrem Leben wichtig waren, dargestellt – die meisten von ihnen Ärzte (Doctor I-IV). In einem anderen Raum werden wir eingeladen, einen Nagel in ein Holzstück zu schlagen (die Nägel befinden sich in einem Eimer darunter) oder wir dürfen zerschlagenes Porzellan leimen, alles immer aktiv und aufgeladen mit Bedeutung.
Manches wirkt wie ein von Kindergärtner*innen veranstaltetes Spiel, anderes wie ein Angebot aus einem Kreativworkshop: Learn the Message by doing.
Auch im Film hat Yoko Ono sich versucht: eine Fliege spaziert auf dem nackten Körper einer schlafenden Frau („Fly“), gleich daneben Aufnahmen von nackten Hintern, deren Besitzer*innen laufen.
Kritik: Überall die Absicht, aufzurütteln. Wie schnell ist man dessen müde
„Fluxus ist eine Gegenreaktion zur klassischen Malerei“ (Alfred Weidinger, Museumdirektor). Bei Fluxus handelt sich, so verrät uns Wikipedia, um „eine von George Maciunas begründete Kunstrichtung, bei der es nicht auf das Kunstwerk ankommt, sondern auf die schöpferische Idee. Fluxus wurde in den 1960er Jahren weithin bekannt. Nach dem Dadaismus war Fluxus der zweite elementare Angriff auf das Kunstwerk im herkömmlichen Sinn, das negiert wurde und als bürgerlicher Fetisch galt.“ (Wikipedia)
Aber der Affekt gegen die klassische Malerei erstarrt zur Attitüde und wird schnell langweilig. Das Ergebnis ist dann unter Umständen mit Exponaten der Bundesgartenschau zu verwechseln. Yoko Onos Feminismus ist ein Feminismus des Leidens und Opferdaseins. Vielleicht ist das angesichts (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen nicht anders möglich, aber der Ansatz ist auch eher ermüdend. Das Thema Natur kommt gar nicht vor.
Es fehlen dazu Bescheidenheit und Selbstbeschränkung: Hinter den Menschheitsthemen Yoko Onos verbirgt sich auch ein gewaltiger Drang zur Selbstinszenierung. Am Ende ist es leichter und weniger zeitaufwändig, sich auf der Bühne die Sachen vom Leibe schneiden zu lassen („Cut piece“, in Leipzig mit der chinesischen Künstlerin Echo Morgan), als eine einzige gute Akt- oder Landschaftszeichnung zu machen. Da lob ich mir doch Hokusai.
Die Museum ist außer montags jeden Tag geöffnet. Die Tageskarte kostet 10 Euro. (Informationen)