Ist die Frie­dens­be­we­gung noch zu retten?

Karl-Heinz Peil, ver­ant­wort­li­cher Redak­teur des Frie­dens­jour­nals und Mit­glied im Bun­des­aus­schuss Frie­dens­rat­schlag bemüh­te sich nach Kräf­ten. „Von übler Nach­re­de bis Ruf­mord“ hieß sein Vor­trag, in dem er zur zuneh­men­den Dif­fa­mie­rung jeg­li­cher Frie­dens­ak­ti­vi­tä­ten Stel­lung bezog. Die­ser fand Anfang Juni auf Ein­la­dung von attac Hal­le in der Chris­tus­ge­mein­de statt.

Im Wes­ten nichts Neues

In sei­nem Refe­rat stell­te Karl-Heinz Peil vor allem Aus­schnit­te aus sei­ner 69-sei­ti­gen Flug­schrift zu Quer­front­de­bat­ten, Dif­fa­mie­run­gen und Medi­en­kom­pe­tenz vor. Dabei wur­de schnell deut­lich, dass der­ar­ti­ge Angrif­fe gegen die Frie­dens­be­we­gung nichts Neu­es sind. Als ein his­to­ri­sches Bei­spiel führ­te der Refe­rent die Geschich­te von Pas­tor Mar­tin Niem­öl­ler an, einem Mit­be­grün­der der Frie­dens­be­we­gung nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Niem­öl­ler wur­de im damals begin­nen­den Kal­ten Krieg vor allem des­halb ange­grif­fen, weil er auch zusam­men mit Kom­mu­nis­ten auftrat.

Der­ar­ti­ge "Kontaktschuld"-Angriffe sei­en auch heu­te wie­der in, so Peil: Wer bei­spiels­wei­se mit Ken Jeb­sen rede oder Danie­le Gan­ser ein­la­de, gel­te als ver­däch­tig oder gar als "rechts­of­fen", wer offi­zi­el­le Ver­laut­ba­run­gen hin­ter­fra­ge, gel­te als"Verschwörungstheoretiker", obwohl die­se kri­ti­sche Hal­tung eigent­lich die ers­te Jour­na­lis­ten­pflicht wäre. Weil das heu­te aber all­zu­oft unter­bleibt, hat Ulrich Teusch den Begriff der "Lücken­pres­se" ein­ge­führt.

Die Ver­un­si­che­rung ist groß

Es stand also die Fra­ge im Raum, zu wel­cher Frie­dens­de­mons­tra­ti­on man denn noch gehen kön­ne - die Ver­un­si­che­rung sei groß. Man/Frau möch­te nicht mit den "fal­schen" Leu­ten gese­hen wer­den oder in der "fal­schen" Ecke lan­den. Enga­gier­te und Inter­es­sier­te sei­en offen­sicht­lich erfolg­reich gegen­ein­an­der aus­ge­spielt wor­den. Ich selbst habe unsäg­li­che Medi­en­kam­pa­gnen erlebt, die mit den tat­säch­li­chen Gescheh­nis­sen rund um die Demons­tra­tio­nen nichts zu tun hat­ten. Die Frie­dens­win­ter-Demo am 13.12 2014 in Ber­lin zum Bei­spiel wur­de vom sich sonst so seri­ös geben­den Ber­li­ner Tages­spie­gel und auch der Ber­li­ner Zei­tung fast schon hys­te­risch verrissen..Da hat­te damals selbst Sprin­gers WELT rea­lis­ti­scher berichtet.

Dra­ma­ti­sche Zunah­me von Angriffen

Mitt­ler­wei­le ist der media­le Ton wie­der sach­li­cher gewor­den, dafür aber zer­le­gen sich die ver­schie­de­nen enga­gier­ten Grup­pen nun gegen­sei­tig. Durch Kampf­be­grif­fe wie „Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker“ und „rechts offen“ gerät die Ein­deu­tig­keit des Anti­fa­schis­mus als gemein­sa­me Klam­mer von Frie­dens­bünd­nis­sen aus dem Blick­feld, meint Karl-Heinz Peil. Beson­ders seit dem Auf­kom­men der Mahn­wa­chen mit der eska­la­ti­on in der Ukrai­ne 2014 gebe es damit eine dra­ma­ti­sche Zunah­me von Dif­fa­mie­run­gen inner­halb der Frie­dens­be­we­gung. Ein­zel­per­so­nen wer­de dabei oft per „Kon­takt­schuld“ bzw. „Kon­takt-Kon­ta­mi­nie­rung“ eine Quer­ver­bin­dung in rechts­ex­tre­me Krei­se unter­stellt. Die sich dar­aus erge­ben­den Wir­kun­gen haben schä­di­gen­den Ein­fluss auf zurück­lie­gen­de Kam­pa­gnen der Frie­dens­be­we­gung gehabt und sind nach wie vor virulent.

Fol­gen­de Arbeits­the­sen wur­den von Karl-Heinz Peil im Anschluss zur Dis­kus­si­on gestellt:

- Eine kla­re anti­fa­schis­ti­sche Abgren­zung sichert den Grundkonsens.
- Eine medi­en­kri­ti­sche Wach­sam­keit im Pro­pa­gan­da­krieg ist gefordert.
- Nur eine Kul­tur soli­da­ri­scher Kri­tik ver­hin­dert Aus­gren­zun­gen und Spaltungen.
- Vor­han­de­ne Medi­en­kom­pe­tenz muss genutzt wer­den für neue Aktionsorientierungen.

..oder, wie es ein Teil­neh­mer for­mu­lier­te: Wenn es eine aku­te Frie­dens­be­dro­hung gibt: zur Demo gehen, egal wer viel­leicht neben einem steht…Denn im Ernst­fall zählt Menge/Masse.

Erschie­nen waren zu der Ver­an­stal­tung gan­ze 16 Inter­es­sier­te, die Hälf­te davon Ver­an­stal­ter oder Pres­se. Ob die­se klei­ne Schar den Frie­den ret­ten kann, darf bezwei­felt werden.

Frank-Uwe Neis


Rei­ner Braun sag­te in einem Gepräch mit Albrecht Müller
zu den Wir­kun­gen des Quer­front-Vor­wurfs am 16.4.2015:

Hier ist eine Kul­tur der Dif­fa­mie­rung und Aus­gren­zung ein­ge­tre­ten, die ich fürch­ter­lich fin­de. Nicht die TAZ oder die soge­nann­ten Anti­deut­schen ent­schei­den, mit wem wir reden und zusam­men­ar­bei­ten dür­fen. Wir soll­ten viel sou­ve­rä­ner mit ande­ren Mei­nun­gen umge­hen. Wir müs­sen die­se nicht tei­len, aber uns sach­lich damit aus­ein­an­der­set­zen, ihnen widersprechen,
aber auch zuhören.
Ich will es viel­leicht ein­mal pro­vo­ka­tiv sagen: wenn wir zu oft „faschis­tisch“ sagen und damit vie­le bezeich­nen, die poli­tisch anders den­ken, dann ver­harm­lo­sen wir auch die rea­le Gefahr der wirk­lich faschis­ti­schen Kräf­te in die­sem Lan­de. Offen­heit heißt nicht Ver­harm­lo­sung rech­ten Gedan­ken­gu­tes, Offen­heit heißt anzu­er­ken­nen, dass neue jun­ge Men­schen ande­re Zugän­ge mit vie­len indif­fe­ren­ten Posi­tio­nen zur Bewe­gung haben. Ich will zur Poli­ti­sie­rung die­ser Men­schen bei­tra­gen und dafür offen sein.

Quel­le: http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=25743

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