Man sagt, dass man vom Umgang mit den Toten auf eine Gesellschaft schließen kann. Das passt, denn es ist eine Spaltung zwischen denen, die viel investieren, an Geld und Eigenleistung und denen, die möglichst gar nichts investieren wollen oder können. Von wegen, im Tod sind alle gleich. Wer einsam stirbt, wird auch so bestattet. Ein Wandel der Lebensendkultur ist nur möglich, wenn sich die Gesellschaft selbst wandelt.
Einerseits geht man davon aus, dass die aktuelle Bestattungskultur wenig kultiviert ist, anderseits lässt sich feststellen, dass immer mehr darüber geredet wird. Eckhardt von Hirschhausen geht in´s Hospiz und lässt sich dabei filmen; Bestatter stellen ihre Arbeit bei der Sendung mit der Maus vor und in Köln fand ein Kongress für heilsame Abschiede statt. Auch Leipzig schrieb sich den Tod auf die Fahnen und wurde für drei Wochen zur „Stadt der Sterblichen“.
Während dieser Zeit fand auch ein Symposium zum Thema Ökologie am Lebensende statt. Der Bonner Bestatter Werner Kentrup stellte dort seine Idee einer grünen Linie vor. Es geht ihm darum, dass alle Produkte, die für eine Bestattung verwendet werden, nachhaltig sind, am besten aus der Region und gut verdaulich für den heimischen Boden. Kentrup ist im Rheinland inzwischen sehr bekannt mit seinem grünen Anliegen, doch der Osten macht nicht mit. Noch nicht? Sicher nicht?
Statt freierer Gesetze noch mehr Einschränkung. Das wird sich nicht mehr lange durchhalten lassen
In den letzten Jahren wurden zwei Bestattungsgesetze angefasst mit dem Ziel sie zu liberalisieren. Vor allem der Wunsch nach der Auflösung der Friedhofspflicht initiiert meist die Gesetzesbearbeitungen. Aber sowohl in Hessen als auch in Brandenburg ging der Schuss nach hinten los und die Bestimmungen wurden verschärft. So darf inzwischen in Hessen der Angehörige die Urne nicht mehr in die Hand bekommen, während jeder DHL-Fahrer sie herumfahren kann. In Brandenburg ist inzwischen sogar die Vermittlung von Diamantbestattungen verboten. Statt freierer Gesetze also noch mehr Einschränkung. Das wird sich nicht mehr lange durchhalten lassen. Denn ein Markt an Möglichkeiten, mit Totenasche zu verfahren (See- und Waldbestattungen, Ascheverstreuungen, Himmelsbestattungen bis hin zur Pressung von Ascheschallplatten und Verfüllungen in Munition) sucht Kunden. Verschiedenste Anbieter aus aller Welt haben Produkte entwickelt, die scheinbar die Freiheit am Lebensende ermöglichen. Auch die grüne Linie ist im Grunde ein Produkt, das eben mit dem Ökofaktor und Nachhaltigkeit punkten will. Aber ist das tatsächlich die Lösung für schwindende Bestattungskultur und zunehmende Anonymisierung der Gräber?
Wie viel Mut haben wir, selbst Hand anzulegen, selbst etwas zu gestalten? Wie viel wird uns erlaubt? Wie viel abgeschmettert mit dem Argument, das mache man nicht so?
Klassische Rituale brechen immer mehr weg, kirchliche Abschiede werden auch weniger. Woran liegt´s? Das lässt sich nur vermuten: Der finanzielle Faktor wird eine große Rolle spielen. Bestatten ist teuer und man versucht Geld zu sparen. Es liegt aber vielleicht auch daran, welche Bedeutung wir dem Abschied zusprechen. Verstehen wir ihn als letzte Ehre und die Trauerfeier als Möglichkeit, dass alle zusammenkommen und den Verstorbenen noch mal in den Erinnerungen auferstehen lassen? Oder ist es eine leidige, teure Pflicht, die erledigt und bezahlt werden muss? Wie viel Mut haben wir, selbst Hand anzulegen, selbst etwas zu gestalten? Wie viel wird uns erlaubt? Wie viel abgeschmettert mit dem Argument, das mache man nicht so?
Ein Wandel der Lebensendkultur ist nur möglich, wenn sich die Gesellschaft selbst wandelt.
Man sagt, dass man vom Umgang mit den Toten auf eine Gesellschaft schließen kann. Das passt, denn es ist eine Spaltung zwischen denen, die viel investieren, an Geld und Eigenleistung und denen, die möglichst gar nichts investieren wollen oder können. Von wegen, im Tod sind alle gleich. Wer einsam stirbt, wird auch so bestattet. Ein Wandel der Lebensendkultur ist nur möglich, wenn sich die Gesellschaft selbst wandelt. Das Ende ist das Ergebnis vom Davor. Selbst, wenn neue Produkte im Bestattungswesen auftauchen, oder neue Bestattungsplätze außerhalb von Friedhöfen etabliert werden, ändert das nichts an der Spaltung. Dabei sollten doch am Ende alle wieder zueinander finden (wenn sie es denn vorher schon nicht schaffen). In Basel und Zürich kommt die Kommune für die Bestattung auf. Jeder bekommt ein Grab, kostenlos. Die Städte verstehen das als Teil ihrer Aufgabe. Das wäre doch herrlich, wenn man sich keine Sorgen um dieses Ende machen würde. Wenn die Stadtgesellschaft sich auf dem Friedhof wieder finden würde, wenn jeder Teil davon wäre.
Bestattungskultur ist Menschensache. Überlassen wir sie nicht dem Markt.
Ich glaube, wir brauchen ein bisschen Schwung in der Bestattungskultur. Neue, eigene Ideen der Angehörigen, vielleicht sogar der Sterbenden. Wir leben in einer individualistischen Zeit und auch die Abschiede können so gestaltet werden. Neue Grabsteine, eigene Kleidung im Sarg, bemalte Särge und Urnen, Trauerfeiern, die man wieder fühlen kann, eigene Musik, eigene Rituale. Es wird Zeit für mehr Mut und Kreativität. Vor allem auch die Friedhöfe sollten erkennen, dass sie mit der Zeit gehen müssen, sonst werden sie verschwinden oder allenfalls noch als Relikte bestehen bleiben. So lange aber die Angehörigen nicht massiv neue Möglichkeiten einfordern und selbst gestalten, wird die Änderung der Bestattungskultur nur in neuen Produkten bestehen. Bestattungskultur ist Menschensache. Überlassen wir sie nicht dem Markt.
Foto: Wieglas-Fotografie