Montagsdemonstrationen hatte es erstmals 1989/90 auf dem Weißenfelser Marktplatz gegeben, danach wieder 2004/05 bei der Einführung von „Hartz IV“. Dann trafen sich dort jahrelang etwa 20 Unermüdliche, um gegen die fortdauernde Ungerechtigkeit der „Armut per Gesetz“ zu protestieren. Neuen Zulauf bekamen die Demonstrationen erst, als der Abwasser-Zweckverband Weißenfels Mitte 2012 die Erhebung von Herstellungskostenbeiträgen ankündigte– einmalige Beiträge für den Ausbau der kommunalen Abwasser Infrastruktur, welche die Eigentümer je nach Grundstücks- und Hausgröße mehrere tausend Euro kosten sollten.
Im Herbst 2012 demonstrierten auf dem Platz vor dem Rathaus wöchentlich um die 400 Menschen. Doch denen ging es hauptsächlich darum, die eigenen Beiträge für gemeinschaftlich genutzte Einrichtungen zu minimieren. Die Masse der DemonstrantInnen waren GrundstücksbesitzerInnen, die AkteurInnen an Mikrofon und Megafon stammten teilweise noch aus der ehemaligen „Initiative für soziale Gerechtigkeit“, auch das Vokabular wurde zum Teil von den Sozialprotesten der vergangenen Jahre übernommen. Die Initiative wurde in „Bürgerinitiative für sozial gerechte Abwasserabgaben im Zweckverband für Abwasserentsorgung Weißenfels“ umbenannt und ihre Sprecherin Heidelinde Penndorf wusste wenig Gutes über Rat und Verwaltung zu berichten, obwohl diese sich längst in der Lernkurve befanden: In der städtischen Abwasser- Behandlungsanlage wurde ein neues Klärbecken gebaut und Leute für eine zweite Schicht eingestellt, sodass die Grenzwerte am Auslauf in die Saale jetzt einigermaßen sicher eingehalten werden.
Der Abwasser-Zweckverband wird zum 01.01.2013 in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt. Schon zum 01.12.2012 wurden die Abwassergebühren neu festgelegt: Normale Haushalte zahlen nun 2,03 Euro für den Kubikmeter Abwasser, bisher waren es 2,38 Euro. Für Unternehmen wie die Großfleischerei Tönnies,die der Kläranlage besonders belastete Abwässer zuführen, wird es einen Starkverschmutzer- Zuschlag von 71 Cent pro Kubikmeter geben. Damit wurden innerhalb eines halben Jahres zentrale Forderungen der „Abwasser-RebellInnen“ erfüllt und sogar noch ein Gebühren-Geschenk draufgepackt. Einen einmaligen „Herstellungskostenbeitrag“ soll es weiterhin geben, weil die Kommunalaufsicht des Landes dies nachdrücklich verlangt. Doch die geforderten Summen sollen sehr moderat ausfallen, mit Dutzenden Abschlägen, Ausnahmeregelungen und Stundungsmöglichkeiten bis zum redensartigen St.-Nimmerleins-Tag. Ganz leise werden die Weißenfelser WutbürgerInnen nun wieder zu GutbürgerInnen und wenden sich der weiteren Verschönerung ihrer Häuser und Grundstücke zu. Die Sozialproteste sind dabei endgültig hinten heruntergefallen. Oder wie mir der Demonstrant Lutz R. kürzlich vor dem Rathaus sagte: „Es ist festzustellen, dass Grundstücksbesitzer, überhaupt Mittelständler leichter in Bewegung zu bringen sind als die Hartzer.“
Dietmar Sievers
Nachhören: Weißenfelser Proteste/ Umweltmagazin auf Radio Corax 11.11.2012/ Mehr Audiobeiträge von Dietmar findet ihr auf klima.podspot.de.