Der für temporäre Aktionen bekannte Kiosk am Reileck wurde Ende April im Rahmen eines studentischen Projektes zu einem Kultur-Arbeitsplatz umfunktioniert. Der Projekttitel „Urbanitaten“ steht für Interventionen, also kreative Eingriffe in den öffentlichen Stadtraum, die laut Ankündigung „subtil“ bis „polternd“ sein dürfen.
Effizienz dagegen wird eher nicht angestrebt, denn eines der Projektziele ist es, den „Dingen zwischen Alltag und Stress Aufmerksamkeit und Wertschätzung“ zu geben. Los ging es Ende April mit einer mit einer Präsentation eines ersten „Dialoges mit der Stadt“ in Form von gesammelten Interviewzitaten und Fotos der Befragten. Kostprobe gefällig: "Der Marktplatz ist gleichzeitig zu voll und zu leer.", "Ich wollte in Städte wie Leipzig oder Dresden wohnen bleiben, aber dann hab ich meine Frau aus Halle kennengelernt.", "Ich habe zufällig eine Bekannte dreimal an einem Tag, an drei verschiedenen Orten in Halle getroffen. Da wusste ich, wie das in Halle halt so ist."
Wer sind die Urbanitäter?
Für das leibliche Wohl sorgte dabei unter anderem Burg-Absolvent Hendrik Haase ( „Essen ist politisch“) , der als kreativer Food-Aktivist und medienaffiner Multitasker unter anderem in Berlin eine Bio-Metzgerei betreibt. Bevor er am Reileck seine Wurstkreationen auspackte, hatte er im Rahmen der Nachhalltig – Vorlesungsreihe einen Vortrag über Ernährung gehalten. Einer der Urbanitäter ist Sebastian Hennig, Student in der Fachrichtung Spielmittel-Design. Auf den interventionistischen Geschmack gekommen ist er bei seiner kleineren Guerilla-Straßengartenaktion. An verschiedenen ungewöhnlichen Stellen wie Verkehrsampeln oder Fenstersimsen installierte er Pflanzen in ungewöhnlichen Behältnissen. Hennig möchte den Menschen Geschichten entlocken und selbst erzählen. Weitere Täterinnen und Täter sind Nora Kühnhausen, Anna Böhnke, Mandy Mucha, Florian Möller und Karel Ondrásek. In der Aktionswoche am Kiosk führten sie unter anderem Workshops in Wahrsagerei, Tattooing oder Stencil'n für und mit Passanten durch.
Kiosk als Startpunkt
Der Kiosk sei ein willkommenes Öffentlichkeitsgeschenk für das Projekt, das eigentlich noch in den Startlöchern steckt wie das gesamte Semester, sagt Basti Hennig. Immerhin wurde im Vorfeld die Stadt in neun Distrikte aufgeteilt und mit diversen Aktionen bespielt. Dazu gehörten ein Kothaufen-Museum oder eine Chairbomning-Aktion, bei der das Saaleufer mit Sitzmöbeln aus Paletten und anderen Abfällen versorgt wurde.
Archiviert werden die Urbanitaten als Clips und Beschreibungen auf der Website des Projektes, das offen für Mit-Täter aus nichtstudentischen Kreisen ist. Jeder Schritt in Richtung aktives Mitgestalten und miteinander leben zu "dürfen" ist eine Urbanitat, heißt es auf der Website. In diesem Sinne: Auf zu neuen Urbanitaten!