Wer mitten im Juni durch Halle spazierte, konnte dabei über höchst Ungewöhnliches stolpern. Zum Beispiel über eine aus dem Boden ragende Spitze eines Bootes, aus der Geräusche dringen - Applaus, Geplätscher eines Gewässers oder Geräusche aus dem Supermarkt.
An anderer Stelle fanden manche vielleicht auch den dazugehörigen Bug, umgeben von Menschen, die sich scheinbar mit dem Boot unterhielten.
„Expeditionen. Die Stadt als Aktionsraum“ vom Verein „hr.fleischer e.V.“ war für diese Alltagsirritation durch Kunst verantwortlich. Kunst, die nicht nur greifbar, sondern auch herantragend ein kann, die das Potenzial hat, Menschen zu verbinden und Halles Perspektiven aufzuzeigen. Anstatt wie in einer Ausstellung Werke nur von außen zu betrachten, wurden Passant innen und Passanten direkt in die Prozesse einbezogen.
Durch einen „Boot-Transmitter“ war es zum Beispiel möglich, von einem Bootsteil aus mit den anderen zu kommunizieren - so dass man - obwohl kilometerweit voneinander entfernt, wörtlich im selben Boot saß.
„Unser Projekt ermöglicht es, den Stadtraum in Form einer stilisierten Entdeckungsreise zu erkunden, mit Menschen in Kontakt zu treten und Geschichten austauschen und zu sammeln – wie in einer Odyssee durch Halle.“ erklärte Kuratorin Annegret Frauenlob.
Begleitet wurde diese Reise von verschiedenen Aktionen. In der Silberhöhe durften die Teilnehmer „Souvenirs“ versilbern, welche sie fanden oder mitbrachten. Auf der Saalepromenade konnte, wer sich in einen rollenden Boots-Bug begab, von zwei sympathischen Matrosinnen in die gewünschte Richtung bewegt werden. Das Prinzip dabei: Kein Expeditionsleiter bestimmt, wohin die Reise geht, sondern die Teilnehmer selbst, die Geschichten über ihre Stadt erzählen durften, bei Kaffee und Kuchen.
Nicht alle Programmteile verliefen so amüsant-betulich: An die letzte Seereise des niederländischen Video- und Konzeptkünstlers Bas Jan Ader erinnerte mit seiner Performance der Künstler Vasili Macharadze, indem er ihm ein lebendiges Denkmal setzte. Mehr als vier Stunden verbrachte er unbeweglich auf einem Boots-Sockel mitten auf dem Marktplatz, bis er vor Erschöpfung umfiel. ( Foto oben ) Dieses zitierte Motiv einer physischen Verausgabung war wesentlich für die Kunst des Jan Ader, der 1975 bei einer performativen Atlantiküberquerung mit einem Holzboot ertrank.
Auch die Musik stand im Zentrum einer künstlerischen Aktion. Die Dirigentin Jihye Ha agierte vor einem imaginären Orchester auf einer Hebebühne, Rücken an Rücken mit dem Händeldenkmal auf dem Halleschen Markt. Zu hören waren Ausschnitte aus dem „Messias“ Auch das eine imposante Performance, die sich kontrastierend in die Händelfestspiele einfügte.
Fazit: Das Projekt Expeditionen bot reichlich neue Perspektiven. Kunstaktionen wie diese,die ein solch interaktives und vitales Stadterleben ermöglichen, sollten häufiger stattfinden.