Im Rahmen der Tour de Natur gab es am vergangenen Montag eine Podiumsdiskussion zum geplanten Weiterbau der Autobahn A 143 in der Aula der Trothaer Saaleschule. Im Vorfeld hatte der Veranstalter BI Saaletal reihenweise Absagen von Befürwortern des Autobahnbaus erhalten.
IHK und Oberbürgermeister wollten sich nicht zu einem laufenden Gerichtsverfahren äußern. Parteien und Verwaltungen begründeten ihre Absagen auch damit, dass alle Argumente ausgetauscht seien, nun müssten die (juristischen) Waffen sprechen. Die Grünen haben die "Kröte" A 143 im Rahmen ihrer Regierungsbeteiligung in der "Kenia-Koalition" geschluckt und die Linkspartei hat eh nie eine belastbare Meinung. (D. S.)
Den Abend rettete der Initiator der Petition "Für den Weiterbau der A 143" auf Change.org, Herr Jan Riedel aus Dölau, der sich freundlicher Weise bereiterklärte, auf dem Podium Platz zu nehmen. Um eine ausgewogene Runde zu ermöglichen, verzichteten NABU und ADFC auf ihre Plätze auf der Bühne. Die Autobahngegner vertraten Dr. Conrad Kunze von der BI Saaletal und Andreas Liste vom Arbeitskreis Hallesche Auenwälder. Die Moderation übernahm eine nicht genannte Tour-de-Natur-Radlerin aus Thüringen.
Jan Riedel stellte seine Petition vor, die mittlerweile fast 4000 Unterstützer hat. Sein Hauptargument ist der Gesundheitsschutz der Anwohner und Staubeteiligten. Außerdem könnte man mit einem kompletten Autobahnring endlich wirksame Durchfahrverbote in der Innenstadt durchsetzen. Riedel ist typischer Einpendler und fährt jeden Tag 17 Kilometer mit dem Fahrrad zur und von der Arbeit. Er sprach sich für eine Verkehrswende aus und lobte das technische Niveau und die umsichtige Auslegung der geplanten Autobahnbauten.
Conrad Kunze von der BI Saaletal widersprach ihm darin: der Planfeststellungs-Beschluss sei keineswegs umweltverträglich und belaste die betroffenen Habitate und Arten in den Schutzgebieten schwer. Der hoch gelobte Tunnel sei eigentlich eine Trogkonstruktion mit Betonwänden und -decken, die außen mit ein wenig Mutterboden bestreut würden. Die Abgase und Stäube würden "über Dach" abgegeben und je nach Windrichtung verteilt. Die Trockenrasen im Nahbereich erhielten dabei Stickstoffgaben, wie sie bei der Volldüngung von Rübenäckern üblich seien.
Andreas Liste vom AHA wies auf verkehrstechnische Alternativen zur A 143 hin: die B 86 und die B 180, was von Jan Riedel als zu abgelegen eingeschätzt wurde. Die Diskussion öffnete sich dem Publikum und nahm die alltägliche Verkehrsmisere in Halle in den Blick. Immer noch werden neue Parkhäuser gebaut, die aber immer schwieriger zu erreichen sind. Verkehrsberuhigung werde in Halle nicht geplant, sondern als "anonyme Folter" an Staustehern und Anwohnern praktiziert, etwa durch den teilweisen Rückbau der Merseburger Straße. Auch die Wahl des Hochstraßen-Abriss-Aktivisten René Rebenstorf zum Baudezernenten weise in diese Richtung. Ehrliche Durchfahrtverbote müssen endlich in die Variantenabwägung einfließen.
Der ADFC wies darauf hin, dass das Hauptverkehrsmittel der Hallenser immer noch die eigenen Füße sind. Die Fußgängerströme werden hingegen nur sporadisch erfasst und bei der Planung der Verkehrswege kaum berücksichtigt. Die Anzahl und Schwere der Verkehrsunfälle mit Radfahrer-Beteiligung wird zwar erfasst, aber nicht öffentlich gemacht. Der Radwegebau hänge von der jeweiligen Kassenlage ab, wichtige Vorhaben wie der dritte Saaleübergang würden zum Spielball populistischer Parteienpolitik. Diese "Drops" sind wenigstens noch längst nicht "gelutscht".
MZ-Artikel (eine Perle des Lokaljournalismus)
Fotos: Change.org und privat
Ich vermisse bei allen Beteiliegten ein wichtiges Element der Argumentation :Wo bleiben Patienten in der
Planung? Zu DDR-Zeiten war das Krankenhaus Dölau auch über die Eislebener Str. und die sogenannte Hohle
erreichbar,falls die Nietleber Str. durch einen Unfall blockiert war.Ich habe es in diesem Jahr erlebt, das
stundenlang keine Zufahrt von Nietleben aus möglich war.Die Hohle wurde schon vor Jahren aus Gründen
des Naturschutzes oder weil eine bestimmte Klientel in Dölau ihre Ruhe haben wollte mit großen Steinen
für Rettungswagen unpassierbar gemacht und die Waldstraße bis Waldsiedlung Dölau dem Verfall preisgegeben! Zur Zeit wird die Straße in Dölau saniert mit halbseitiger Sperrung und weiter Umleitung.
Ich möchte kein Infarkt-Patient sein bei diesen Rettungswegen.Was nutzt die beste Stroke-Unit wenn sie nicht rechtzeitig erreichbar ist!
Ich bin deshalb unbedingt für den Weiterbau der A143 mit Anschluß an Dölau, weil sie den Verkehr in Halle
entlastet und zusätzliche Rettungswege schafft.
Ein wirklich guter Artikel. Ich war auf dem Markt, aber von der Hitze so "fertig", dass ich die Abendveranstaltung nicht mehr geschafft habe. Nun habe ich den Eindruck, ich wäre da gewesen. Mögen alle Naturschützer Kraft und Zuversicht aus der Veranstaltung schöpfen.
Richard Schmid (BUND & GRÜNE LIGA Vorstandsmitglied)