Wenn am Sonntag in Sachsen-Anhalt gewählt wird, steht auch die bisherige CDU-dominierte Kulturpolitik der Historienfestspiele und Denkmalschutznormen zur Disposition. Die derzeitigen Oppositionsparteien haben neue Konzepte in der Tasche und fordern Veränderungen.
Als am 19. Januar im Neuen Theater zu Halle eine kulturpolitische Elefantenrunde angesetzt war, kamen 250 Menschen. Mit diesem großen Interesse hatten die beiden Magdeburger Koalitionsparteien wohl nicht gerechnet, denn statt Entscheidungsträgern sandten sie eher periphere Vertreter. Während die CDU mit Gunnar Schellenberger immerhin noch einen Landtagsabgeordneten und Ex-Kulturausschussvorsitzenden aufbot, schickte die SPD mit Detlef Wendt nur einen örtlichen Stadtrat. Dieser ließ es sich auch nicht nehmen, sich selbst im Verlauf des Abends politisch als „Dritte Liga“ einzustufen.
Aus dieser Situation machte der aus Berlin eingeflogene Moderator Olaf Zimmermann das Beste. Während eine Theatervorstellung bei 50 Prozent Ausfallquote der Darsteller wohl hätte abgesagt werden müssen, schaffte er es, die Podiumsdiskussion charmant in Gang zu bringen. Ausgangspunkt dabei waren – wie sollte es anders sein – Zahlen. Claudia Dalbert bekräftigte für ihre Partei das politische Ziel, ein Prozent des Landeshaushaltes – für kulturelle Zwecke festzuschreiben. Dabei berief sie sich auf den Abschlussbericht des Kulturkonventes, der analog dazu die Summe von 100 Millionen Euro pro Jahr als Richtgröße vorgeschlagen hatte.
Neue Gremien und alte Probleme
Wulf Gallert bemerkte darauf hin, dass der Konvent außer besagtem Bericht bislang zu keinerlei Konsequenzen geführt habe, und folglich das Ergebnis eine noch höhere Frustration der Kulturschaffenden sei. Seine Partei dagegen habe bereits ein fertiges Landeskulturkonzept inklusive neuem Fördergesetz in der Schublade. Während Detlev Wendt der Kritik seines Vorredners nur zustimmen konnte, blieb es nun Herrn Schellenberger überlassen, die Landesregierung zu verteidigen, in dem er auf die Kulturkonferenz als Nachfolger des Konventes verwies, auf ein Gremium also als Ergebnis eines Gremiums. Und als ob er die vorherigen Angriffe der Opposition absichtlich bestätigen wolle, bemühte er anschließend die bekannten CDU-Steckenpferde als Erfolge hiesiger Kulturpolitik: die Restaurierung historischer Sammlungen, das Operieren an Denkmalschutznormen und das Ausrichten von Musikfesten.
Forderungen nach Paradigmenwechsel
Auf diese Steilvorlage wussten Claudia Dalbert und Wulf Gallert zu reagieren, in dem sie das herrschende Kulturverständnis der Regierenden im Namen Ihrer Wählerschaft in Frage stellten.
Beide Oppositionsspitzen forderten einen notwendigen und überfälligen Turn – hin zu inhaltlichen Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Fragen.
Während Dalbert dabei einen etwas ungelenk und wohl eher nach Versicherungswesen klingenden Kulturbegriff der „Daseinsvorsorge“ ins Spiel brachte, wagte Wulf Gallert eine philosophische Dimension anklingen zu lassen und sprach von einer nötigen Rolle der Kultur als „Selbstvergewisserung des Menschen“. Denkmalschutz, so Gallert, sei dagegen eher ein Ressort der Innenpolitik. Anstatt bewahrend immer nur „in Steine“ zu investieren, sollte im Angesicht aktueller Krisen wieder mehr Auseinandersetzung mit Werten und Fragen in der Kultur gefördert werden. Damit war die konkrete desaströse Situation der Stadttheater in Halle, Eisleben und Dessau auf dem Tisch und die Katze aus dem Sack. Denn wo, wenn nicht auf der Theaterbühne, sollten gesellschaftliche Debatten zuallererst stattfinden. Befehle und Verbote aus Magdeburg, so Gallert weiter, zeigten aber deutlich, dass genau dies gerade nicht gewollt sei. Es brauche also einen Paradigmenwechsel, fasste der Linken-Chef unter starkem Beifall zusammen, um dem Theater seine gesellschaftliche Rolle zurückzugeben.
FDP-Kandidat aus dem Off
Theatralisch wurde es dann tatsächlich, als wie von einem heimlichen Regisseur so vorgesehen, der Opernsänger Olaf Schöder, Gründer der Volksinitiative gegen Kulturabbau und FDP-Kandidat im Wahlkreis 37, die Rolle der 13. Fee aus dem Auditorium heraus erfüllte. Schöder verwies zu Recht auf die Demokratiedefizite, die im Zusammenhang mit der Volksinitiative zu Tage getreten waren, denn auch zehntausende Stimmen aus der Bevölkerung konnten den gesetzlichen Kulturabbau nicht stoppen.
Nach diesem dramatischen Auftritt war der Höhepunkt des Abends überschritten. Argumentiert wurde wieder mit Zahlen.
Kulturförderung des Landes schrumpfte
Wir erfuhren, dass das Land 52 Millionen pro Jahr für Theater ausgibt und dass 86 Prozent davon Personalkosten seien. Seit 2011 seien im Schnitt die Kulturgelder des Landes pro Jahr um 14 Prozent heruntergefahren worden, für Halle um 25 Prozent und für Dessau sogar um 36 Prozent. Nach ermüdenden Detaildiskussionen zur finanziellen Gestaltung von Dienstverträgen an Stadttheatern fiel plötzlich auf, dass es bis dato nur um die angestellten Künstler, nicht aber um die Freie Szene gegangen war. Eine Fragerunde aus dem Publikum bildete den letzten Akt des Abends. Die interessanteste der dabei gestellten Fragen betraf die persönlich gelebten Kulturpraktiken der Referierenden. Hier konnte Lokalmatador und SPD Stadtrat Wendt noch einmal kräftig punkten – Er verschwand kurz hinter der Bühne und kam mit seinem Instrumentenkoffer wieder - denn gleich müsse er zur Probe.