Nach über 20 Jahren Bauzeit ist kurz vor Weihnachten das letzte Teilstück der sogenannten Osttangente zwischen Büschdorf und der B 100 feierlich in Betrieb genommen worden. Was bringt nun die über 105 Millionen Euro teure Strecke für die staugeplagte Saalestadt?
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder (AHA) meint in einer Pressemitteilung, dass dadurch kein einziges Verkehrsproblem ordnungsgemäß gelöst worden ist. Eher sei mit einer Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs und den damit verbundenen Mehrungen der Belastungen mit Schadstoffen, Lärm und Feinstaub zu rechnen. Insofern sei es wenig hilfreich, diese Angelegenheit aus dem Blick durch die Frontscheibe von PKW und LKW zu betrachten. Verkehrsvermeidung, Förderung des Öffentlichen Personen- und Schienennahverkehrs sowie der Verbesserung der Möglichkeiten für Fußgänger und Fahrradfahrer müssen das Gebot der Zeit sein.
"Das Eine tun und das Andere nicht lassen", war als Antwort darauf in einschlägigen Foren zu lesen. Um mir selbst einen Überblick durch die Frontscheibe des PKW zu verschaffen, war auch ich (D. S.) inzwischen mehrfach zwischen Delitzscher Straße und B 100 auf der neuen HES (Haupterschließungsstraße) unterwegs. Die Verkehrsführung ist eng, die Beschilderung sparsam, der Brückenschaden vom Sommer ist auch noch nicht behoben worden. Die LKW drängeln auffälliger als auf den alten Strecken. Für die Merseburger und die Paracelsus-Straße könnte es bei normalem Verkehr möglicherweise eine gewisse Entlastung geben. Zu Stoß- und Unfallzeiten steht sowieso alles, dann dient die Osttangente nur als zusätzliche Standfläche. Die Gewerbebetriebe in der Delitzscher und Berliner Straße waren auch vorher schon gut an den Fernverkehr angebunden. Der Lärmschutz in Büschdorf ist auf dem Niveau der 1970er Jahre. Das Goldberggelände ist jetzt auch nicht mehr von der B 100 aus zu erreichen, so dass meine Lieblings-Rentiere dieses Jahr leider unbesucht bleiben mussten.
Im Grunde ist es das vom AHA kritisierte "Weiter so" mit zusätzlichen Umweltproblemen. Erste Planungen für die Strecke gab es schon 1968. Bereits der Genosse Sindermann erkannte damals die geringe Dringlichkeit des Vorhabens und auch seine Nachfolger warteten immer auf Fördermittel von Bund und Land, so dass letztlich 74 Millionen € für den Bau eingesammelt werden konnten. Das Projekt selbst blieb eines im Geiste der 1960er Jahre, wofür nun 5,4 ha Landschaft neu versiegelt wurden - Ausgleichsmaßnahmen Fehlanzeige. Der Bewusstseinswandel hin zu einem ordnungsgemäßen Schutz von Umwelt, Natur, Landschaft und Gesundheit ist heute noch in weiter Ferne. Dabei ist der zeitweise Planungsstopp für die "Nordtangente" nur eine Beruhigungspille bis zu den nächsten Kommunalwahlen.
https://www.nordtangente.info/
Fotos: Sievers