Im Trotha­er Wäld­chen wird "gerin­gelt"

In Hal­le-Tro­tha gibt es jen­seits der S-Bahn-Hal­te­stel­le „Wohn­stadt-Nord“ das soge­nann­te „Wäld­chen“, gele­gen zwi­schen Karl-Ernst-Weg, Ver­län­ger­ter Mötz­li­cher Stra­ße und der Stra­ße Am Hang.

Das Gelän­de gehört der Deut­schen Bahn und die Bäu­me dort wer­den seit eini­gen Tagen „gerin­gelt“, d. h. die Rin­de wird bis auf einen klei­nen Steg ring­för­mig zer­stört, was ein lang­sa­mes Abster­ben der Bäu­me zur Fol­ge hat. In unge­fähr 2-4 Jah­ren, so war vom Arbei­ter vor Ort zu erfah­ren, sol­len von den geschätz­ten 12000 Bäu­men etwa 8500 gefällt wer­den. Danach sol­len dort „Aus­gleichs­pflan­zun­gen“ durch die Bahn erfol­gen, die zuvor bei Bau­maß­nah­men für die neue Zug­bil­dungs­an­la­ge Ber­li­ner Brü­cke bereits Bäu­me gefällt hat.

Weder wur­den die Anwoh­ner über die­sen gro­ßen Ein­griff ins Wohn­um­feld recht­zei­tig infor­miert, noch scheint sich irgend­wer Gedan­ken gemacht zu haben, was eigent­lich mit den dort hei­mi­schen Rehen und ande­ren Tie­ren pas­siert und wohin die Jugend­li­chen sol­len, die dort seit über 10 Jah­ren begeis­tert Moun­tain­bi­king betrei­ben und sich aus­ge­spro­chen sozi­al ver­hal­ten und auch dar­auf ach­ten, dass dort kein Müll hin­ter­las­sen wird. Dort ist ohne Geld und Büro­kra­tie etwas gewach­sen, wofür andern­orts müh­sa­me und bezahl­te Sozi­al­ar­bei­ter­tä­tig­keit nötig wäre. Das Wäld­chen ist genau so ein wert­vol­ler Frei­raum für Jugend­li­che, der ja immer ein­ge­for­dert wird. Die Spa­zier­gän­ger und Hun­de­hal­ter ver­lie­ren eben­falls ihr Erho­lungs­ge­biet, denn ein Wäld­chen gibt es dann die nächs­ten 40 Jah­re nicht mehr.

Qual­vol­les Baum­ster­ben vor der Haustür

Als Argu­ment für die Rin­ge­lung wird sei­tens der Stadt u.a. ange­führt, man wol­le Neo­phy­ten bekämp­fen, also ursprüng­lich nicht hier behei­ma­te­te Bäu­me wie die Robi­nie. Wür­de man es damit ernst mei­nen, so müss­te man aber alle Robi­ni­en im Wäld­chen rin­geln und nicht ein paar ver­scho­nen. Andern­orts in Hal­le wer­den Robi­ni­en durch­aus ste­hen­ge­las­sen bzw. sogar ver­ein­zelt nach­ge­pflanzt (z. B. am neu­en Spiel­platz Tha­lia-Wie­se). Wei­ter­hin wol­le die Bahn auch Sperr­müll im Wäld­chen ent­fer­nen, wozu sie seit Jahr­zehn­ten schon Gele­gen­heit gehabt hät­te und was bis­her auch nie­man­den inter­es­siert hat. Bei­des wirft kein seriö­ses Licht auf die Argu­men­ta­ti­on. Wenn man im Wäld­chen erst Bäu­me fällt und dann wel­che nach­pflanzt, so ist das auch kei­ne Aus­gleichs­pflan­zung für die vor­her an der Ber­li­ner Brü­cke gefäll­ten Bäume.

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Hier wird ein­mal mehr Stadt­po­li­tik ohne die Bür­ger und jen­seits vor­han­de­ner Rea­li­tät prak­ti­ziert. Das Wäld­chen ist seit Jahr­zehn­ten Stadt­teil-prä­gend. Die Bahn könn­te auch andern­orts wirk­li­che Aus­gleichs­pflan­zun­gen vor­neh­men, es gibt genü­gend still­ge­leg­te Flä­chen wie Güter­bahn­hö­fe ohne Bäu­me, da wür­de man wenigs­tens einen ech­ten Bei­trag für Umwelt und gegen den Kli­ma­wan­del leis­ten. Und was den Kli­ma­wan­del betrifft, der auch hier­zu­lan­de immer deut­li­cher wird: Da braucht man sich wirk­lich kei­ne Gedan­ken um ein paar Neo­phy­ten zu machen. Die Gefah­ren lau­ern ganz woan­ders. Wenn sich bei­spiels­wei­se der Regen wei­ter­hin im Jah­res­durch­schnitt so rar macht wie im Som­mer 2018 – dann haben wir in weni­gen Jah­ren gar kei­ne Bäu­me mehr.

Lia­ne Kleinert

Fotos: Sie­vers, Open Street­map      Video: WolfsJaeger

5 Kommentare zu “Im Trotha­er Wäld­chen wird "gerin­gelt"

  1. Als Imke­rin sehe ich es über­haupt nicht gern dass über­all Robi­ni­en ver­schwin­den sol­len. Sie sind zum einen super Nek­tar­pflan­zen, nicht nur für Honig­bie­nen, zum ande­ren sind sie gut hit­ze- und tro­cken­heit­ver­träg­lich. Die Lin­de dage­gen braucht immer Was­ser an den Füßen damit sie Nek­tar produziert.
    Also bezüg­lich immer tro­cke­ner Zei­ten in/um Hal­le soll­te auch ein abseits lie­gen­des Wäld­chen mit Robi­ni­en in die Land­schaft passen.
    Auch ver­ste­he ich es nicht, wenn dop­pelt Bäu­me gefällt wer­den um eine Ersatz­pflan­zung vor­zu­neh­men. lt. Mathe­ma­tik macht das ein gro­ßes Minus in der Baum­zahl und über vie­le Jah­re kei­ne bis kaum Blü­ten an den Nachpflanzungen.
    Genau­so wie ich es auch nicht ver­ste­he dass Ersatz­pflan­zun­gen 1. in dich­tes Dickicht gepflanzt wer­den und 2. nicht gegos­sen wer­den > so gese­hen auf der gan­zen Peiß­nitz: über 40 Bäu­me die nach Jah­ren Auf­zucht in der Baum­schu­le nun vor Ort ver­trock­net sind. WARUM?
    PS; wie sieht es am uni­ring aus? Dort sol­len auch gro­ße Bäu­me neu­en Park­plät­zen und einer Fla­nier­mei­le wei­chen. Haben wir nicht lang­sam mal genug davon?

  2. Der Eschen-Ahorn Acer negun­do ist wohl eher harm­los. Kurz­le­bi­ge Art ursprüng­lich nord­ame­ri­ka­ni­scher Auen-Stand­or­te, kei­ne beson­de­ren Ansprü­che an den Boden für Kei­mung und Auf­wuchs, kon­kur­renz­schwach, nur in Jugend­pha­se schnell wach­send, forst­lich unin­ter­es­sant, als Wind­be­stäu­ber nicht am Insek­ten­ge­sche­hen betei­ligt, kei­ne schä­di­gen­den Ein­flüs­se auf ande­re Bio­to­pe, Gesund­heit und Wirt­schaft. Wirkt Boden­ero­si­on ent­ge­gen, nimmt ger­ne frei wer­den­de Stand­or­te ein, z. B. nach Ulmenster­ben oder Melio­ra­ti­on. Ansons­ten kon­kur­renz­schwach, wird Buchen und Eichen immer unterliegen.
    https://neobiota.bfn.de/handbuch/gefaesspflanzen/acer-negundo.html

  3. Der Arti­kel von Lia­ne Klei­nert ist der Fin­ger in eine gro­ße Wun­de, die per­ma­nent im Grün­be­reich zu kon­sta­tie­ren ist. Es gibt kei­ne Vor­ab­info zu Maß­nah­men in den Wäl­dern und Grün­an­la­gen und schon gar kei­ne Erläuterungen.
    Auf den Fotos sehe ich jede Men­ge Eschen­ahorn, also den Neo­phy­ten per se. Er ist in Hal­le so stark ver­tre­ten, weil er sehr resis­tent gegen Umwelt­be­las­tun­gen ist. Das war in den Zei­ten von mas­sen­haf­ten Ofen­hei­zun­gen, beheizt mit Braun­koh­le­bri­ketts, schon ein star­kes Argu­ment, sie anzupflanzen.
    Für mich wäre es inter­es­sant zu wis­sen, inwie­weit die ein­hei­mi­sche Tier­welt etwas mit die­ser Baum­art anfan­gen kann und ob man das Über­hand­neh­men von die­ser Baum­art nicht auch mit wuchs­star­ken ein­hei­mi­schen Gehöl­zen begren­zen kann.
    Mal sehen, was die Deut­sche Bahn nun wei­ter anstel­len wird ...

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