Die Hallesche Gesprächsreihe Klimawandel lädt in unregelmäßigen Abständen ein, um den Themenkreis Stadtentwicklung und Klima im allgemeinen Bewusstsein zu halten. Veranstalter sind das Dienstleistungszentrum Klimaschutz der Stadt Halle und das Unabhängige Institut für Umweltfragen UFU.
Diesmal berichtete der Soziologe Prof. Dr. Dieter Rink vom Forschungsprojekt "Urbane Transformationen" des Leipziger Umweltforschungszentrums über aktuelle Entwicklungen in der klimabezogenen Stadtsoziologie. Das zentrale Dogma von den "schrumpfenden Städten" wurde mittlerweile vom Sockel gestürzt, einfach weil die Großstädte nicht mehr schrumpfen. Die Bevölkerung in allen deutschen Großstädten wuchs von 2008 bis 2013 um etwa 2,8 Prozent. (Studie des BBSR Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung von 2014)
In Mittel- und Kleinstädten besonders Ostdeutschlands ging die Bevölkerungszahl zwar weiterhin stark zurück - aber die sind eh abgehängt, auch von der Wissenschaft. Der Schrumpfungskult mit seinen beiden Säulen Subsidiarität (Selbstversorgung) und Askese (Verzicht) passte nicht mehr zum aktuellen Zeitgeist und so wurden die schrumpfenden zu smarten Städten. Finanziert durch Forschungsgelder und Technologieförderung entstehen nun "Living Labs" und "smarte" Bauten, besonders der Informations- und Telekommunikationsbranche. Die sparen zwar auch etwas CO2 ein, bringen aber schwere Rebound- und Datenschutz-Probleme mit sich. (Der Rebound-Effekt wird hier als Mehrverbrauch durch verbessertes Angebot verstanden.)
Wie smart die Stadtsoziologen mittlerweile "ticken", zeigt der Titel einer Tagung, die kürzlich am Leipziger UFZ stattfand: "Unpacking the political in contemporary discourses on sustainability transformations: Agency, choice, and democratic pathways?"
Wie sag' ich's meinem Kinde? Wie können die "alternativlosen" Klimaziele von Paris in kommunalpolitische Entscheidungen umgesetzt werden: im Städtebau, in der Verkehrs- und Bauplanung, im bürgerschaftlichen Engagement?
Halle versagt da schon bei der Baustellenplanung. Prof. Dr. Rink richtete deshalb seinen Blick auf die Beispielregionen des "smarten" Stadtumbaus in den Industrieländern: Amsterdam, Kopenhagen und Hannover. Die sind voller "innovators" und ganz schrecklich "social, open and sustainable". Doch die geförderten Projekte und Wohnbauten richten sich ausschließlich an die gebildete Mittelklasse, die Abgehängten kommen in den "smarten" technischen Utopien der Innovatoren nicht vor.
Die Entwicklungsländer sollen "überholen ohne einzuholen", was schon in Ulbrichts DDR ein trauriger Witz war. (D. S.) Dafür soll es Transferzahlungen in Milliardenhöhe geben: "Hoffen auf das Marracash" witzelt die TAZ. Wobei Trumps Amerika wohl aus seinen Zahlungsverpflichtungen aussteigen wird. Deutschland blamiert sich zwar mit den eigenen Klimaplanungen, wird aber kräftig in die „globale NDC-Partnerschaft“ einzahlen (NDC = Nationally Determined Contribution).
Und die nicht (?) abgehängten Großstädte Mittel-Ostdeutschlands geben sich weiter Mühe: Magdeburg hat sich Anfang November in einem „Masterplan 100% Klimaschutz“ verpflichtet, bis 2050 die Emissionen von Treibhausgasen um 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Ein ehrgeiziges Ziel und die MagdeburgerInnen werden sicherlich Engagement zeigen. Risikofaktor ist dabei die mittelfristige politische Entwicklung mit ihren Demokratiedefiziten, der "postfaktisch" agierenden Presse, den Abgehängten, "Wutbürgern" und Leugnern des Klimawandels ...
Links
Magdeburger Masterplan 100 %
TAZ: Hoffen auf das Marracash